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Fracking und FlüssiggasGas, eine nötige Übergangsenergie

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Ja, Erdgas ist fossil und klimaschädlich. Aber für die Versorgungssicherheit von Wirtschaft und Privathaushalten bleibt es erst einmal nötig.

Mit flüssigem Erdgas beladenes Tankschiff am schwimmenden LNG-Terminal in Wilhelmshaven Foto: Sina Schuldt/dpa

G lücklicherweise unterscheidet sich die aktuelle Situation deutlich von der vor drei Jahren. Damals fielen russische Truppen in die Ukraine ein – und viele Leute befürchteten, die hiesigen Heizungen könnten im Winter kalt bleiben. Nun ereignet sich ein weiterer Schritt der Abkoppelung von Energielieferungen aus Russland, denn die Ukraine hat die Durchleitung von russischem Erdgas nach Österreich und der Slowakei gestoppt. Doch kaum jemand regt sich darüber auf. Das liegt auch an der Existenz der umstrittenen deutschen Flüssiggasterminals, die helfen, die Versorgung der Nachbarländer sicherzustellen.

Denn so muss Energieversorgung aussehen: sicher, bezahlbar und ökologisch. Alle drei Punkte sind wichtig, wer den letzten erreichen will, muss darauf achten, dass nicht unterwegs die Unterstützung verloren geht. Nicht genug Strom oder Heizwärme, dunkle und kalte Wohnungen, Preise, die durch die Decke gehen? Nicht mal die Angst davor sollte man den Leuten zumuten. In den Augen der Mehrheit darf die Transformation zur Klimaneu­tralität das etablierte Lebensmodell nicht infrage stellen.

Wer diesen Dreisprung vergeigt, wird sich nicht lange in politischer Verantwortung und einer Bundesregierung halten. Die Grünen und ihr Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck mussten das erfahren. 2022 haben sie die auf den russischen Angriff folgende Energiekrise zwar gemeistert, dann aber in den Augen vieler beim Gebäudeenergiegesetz überzogen. Die Vorwürfe („zu teuer“, „Ideologie“) von links, aus der Mitte und von rechts muss man nicht teilen, dennoch haben sie die Umweltpartei massiv Zustimmung gekostet. Als linke Ökologen mag man sich das anders wünschen, aber so ist die Realität.

Die erneuerbaren Energien auszubauen ist richtig. Doch das lässt sich hierzulande nicht komplett bis 2030 bewerkstelligen, wie es konsequente Um­welt­schüt­ze­r:in­nen verlangen. Selbst das geplante Ende des fossilen Energiesystems 2045 kommt ja quasi schon übermorgen, in nur 20 Jahren. Bis dahin brauchen wir einen verlässlichen, bezahlbaren Mix, der auch einen – abnehmenden – Anteil fossiler Energie beinhaltet.

Die berühmten Dunkelflauten

Darauf kann man nicht verzichten, weil das System erneuerbarer Energien alleine derzeit keine Versorgungssicherheit gewährleistet: In den berühmten Dunkelflauten liefern Wind- und Solarkraftwerke fast nichts; Reservekraftwerke müssen ran, vornehmlich mit Gas betriebene.

Alles hat seinen Preis, ein gesellschaftlicher Kompromiss zum Übergang ins Zeitalter erneuerbarer Energien ebenfalls. Makellose Lösungen existieren selten. Auch das Zukunftsgas grüner Wasserstoff erfordert eine Industrie, die Schäden verursacht. Die Energiewende braucht Windräder und Leitungen, die teilweise die Landschaft verschandeln und entwerten. Wer für Elektrobatterien und Solarparks schwärmt, muss die Ausbeutung von Ressourcen hier und anderswo akzeptieren.

Importhäfen für flüssiges Erdgas gehören ebenso zu den Schattenseiten. Dennoch wickeln sie eine Größenordnung von 10 Prozent der Gas­importe nach Deutschland ab. Und die drei Flüssiggasterminals (LNG) in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und auf Rügen spielen eine gewisse Rolle für die Versorgung anderer europäischer Staaten, augenblicklich Österreichs und der Slowakei. In einer solchen, potenziell gefährlichen Lage vermitteln sie die Sicherheit, dass es ausreichende Möglichkeiten gibt, schnell große Gasmengen zu beschaffen und zu transportieren.

LNG-Terminals sind richtig

Damit üben sie eine beruhigende psychologisch-ökonomische Wirkung aus und tragen zur Dämpfung der Preise auf dem interna­tio­nalen Gasmarkt bei – was gut ist für Privathaushalte und Unternehmen. So zeigt sich in der jetzigen Situation, dass die Bundesregierung richtig entschied, als sie diese zusätzliche Gasinfrastruktur aufbaute und teilweise staatlich finanzierte.

Ob die Anlagen jedoch im kompletten geplanten Umfang überhaupt nötig sind, ist nicht ausgemacht. Weitere LNG-Import-Installationen sind in Vorbereitung. Das New Climate Institute und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) haben vorgerechnet, dass dieser Ausbau erhebliche Überkapazitäten schüfe. Wenn die Anlagen erst stehen, könnten sie als Rechtfertigung dienen, die fossile Gaswirtschaft weiter am Laufen zu halten. Zudem verursachen sie möglicherweise zu hohe Kosten für den Staat und ökologische Schäden in der Umgebung. Dass LNG zudem mit der umweltgefährdenden Frackingtechnik gewonnen wird, ist bekannt.

Seine Nutzung sollte man deshalb auf das nötige Maß beschränken. Ein gewisser Sicherheitspuffer kann übergangsweise freilich helfen, die Versorgung zu gewährleisten.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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16 Kommentare

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  • Trocken zusammenfassend, danke.



    LNG-Terminals waren politisch klug und nötig, wir haben jetzt aber genug.



    Erdgas ist, gute Dämmung vorausgesetzt, das kleinste fossile Übel, gut regelbar etc.



    Und es ist, da fossil, eine endliche Party. Wer heute noch Gas einbaut, muss die kommenden hohen Netz- und CO2-Preise schon selbst tragen.

  • Merkwürdige Doppelmoral



    Wir schalten die Atomkraftwerke aus und beziehen den Atomstrom von den Nachbarn.



    Wir schimpfen über die Kohle, kaufen aber den Kohlestrom von Polen.



    Wir reden von mehr Umweltdenken, kaufen aber dreckiges Frackinggas, welches wir über den ganzen Atlantik schippern.



    Und diese vermurkste Umweltpolitik verkaufen wir dem Volk dann als "Übergangslösung".



    Wie lange soll die "Übergangslösung" noch so gehen, 10 Jahre oder eher 30 Jahre, oder 50?



    Unsere Umweltpolitik hat den Namen Umwelt nicht verdient.

    • @Hans Dampf:

      Merkwürdige Doppelmoral.



      Wir blasen etwas im Forum einfach auf.

      Statt uns zu freuen, dass wir endlich atomfrei wurden und Kohle jetzt herunterfahren - Zeit wurde es ja.

      Bei Gas wollte ein gewisser Putin nicht mehr liefern, um sich ganz auf einen Angriffskrieg zu stürzen. Ist ja so lange her, kann man ja vergessen haben.

  • Alles richtig....ich Pfähle aber einen Blick auf die Handelsschifffahrt sowie die mehr 20jähigge Geschichte des vermeintlichen 'Green Shippings' (LNG Initiative NordWest, LNG Agentur Niedersachsen...).

    Oder darauf, was man alles verhindern kann, indem man LNG von katastrophaler GHG-Bilanz (Methan-Schlupf im Motor bei der Verbrennung!!!) zum 'alternativen' Treibstoff und Brückentechnologie für absehbar nicht verfügbaren grünen H (Derivate) macht.

    Ich empfehle die PP-Partnerschaften des Landes Niedersachsen, Heimat & Grossaktionär der Volkswagen Group (inkl. MAN Energy Solutions!).

    Das weltweit mehr als jede 2. Tonne Fracht auf See von MAN Motoren bewegt wird, ist wohl auch nicht bekannt...

    Von einem Tempolimit & dem auf See ach so beständig wehendem Wind, für die Energiewende an Land angeblich unverzichtbar, spricht hingegen bis heute niemand....von den schizophrenen 'Green Shipping Korridoren' der Branche hingegen alle um so mehr.

    PS: der Segelantrieb wäre mit dem DYNARIG für die Handelsschifffahrt spätestens seit 2006 in Form alltagstauglich & in Serienreifen verfügbar.

    Segeln plus heute mögliches Wetterrouting, gerade eindrucksvoll beim Vendee Globe Rennen zu beobachten...

  • Lokal und regional mag eine neue Strategie zumindest temporär ganz gut funktionieren, internationale Märkte sind aber anderweitig interessengeleitet organisiert.



    Quelle internationalepolitik.de



    "Um einseitige Abhängigkeiten abzubauen, sollte Europa eine De-Risking- und Diversifizierungsstrategie verfolgen. Aber um zu verhindern, dass aus den Deglobalisierungstendenzen von heute konkurrierende Blöcke mit hohen Wohlstandsverlusten für alle entstehen, braucht es neue Partnerschaften auf Augenhöhe. Dazu müssen die Europäer allerdings anerkennen, dass ihre potenziellen Partner im Globalen Süden andere Bedrohungswahrnehmungen, Zwänge und Interessen haben. Russland ist für viele als Versorger mit Energie und Rüstungsgütern nicht ­ersetzbar."



    Charakteristisches Dilemma.

  • Die Entwertung und Verschandelung machen wir mit der Zersiedelung und Autobahnen sowieso, die Ausbau der Leitungen von Nord nach Süd wird sich nicht vermeiden lassen. Zum Thema Batterien, der Autor ist hier nicht am aktuellen Stand, das erste Speicherwerk mit Natrium-Ionen Akkus ist in China schon im Mai in Betrieb gegangen, die Rohstoffe dafür sind anders als das Lithum weltweit vorhanden. Es kann schnell gehen mit dem Bau dieser neuen Speicherwerke die man praktisch auf jeder kleinen Industriebrache nahe einer Hochspannungsleitung errichten kann.

  • Mal eine Frage an die Redaktion: Haben bei der taz auch schon ehemalige Bildzeitungsredakteure das Ruder übernommen oder warum lese ich hier Artikel über die Energiepolitik, die den nötigen Überblick vermissen lassen?



    Es geht hier nicht hauptsächlich um Importe von Gas, sondern um einen schnellen Umbau der gesamten Energieversorgung. Es kann leicht gezeigt werden, dass sich der aktuelle Stromverbrauch durch Erneuerbare realisieren ließe, wenn die Kapazität zu seiner Herstellung und kurzfristiger Zwischenspeicherung ausreicht. Wir haben aber drei große Baustellen: 1. Bauwirtschaft, 2. Mobilität, 3. Landwirtschaft. Zur Bauwirtschaft zähle ich Baumaterialien wie Beton und Stahl und Heizung, zur Mobilität KFZ, Schiffe und Flugzeuge, zur Landwirtschaft mehrere Technologien in Kombination. Auf diesen drei Baustellen wird z. Zt. jede Menge CO2 produziert und emittiert und es gibt noch keinen wirklichen Plan bzw. politischen Willen, diese Emissionen zu reduzieren bzw. auf Basis erneuerbarer Energien zu transformieren. Das sind jedoch die großen Umbrüche, die uns erwarten. Und wenn wir nichts tun, wird es halt warm auf der Erde, so warm, dass die bewohnbare Fläche deutlich reduziert wird.

    • @Aurego:

      Vorsatz beim Autoren würde ich nicht unterstellen, sondern eine engere Themendefinition;



      aber in der Tat ist Strom halbwegs auf dem richtigen Pfad,



      Verkehr jedoch noch gar nicht,



      Wohnen (plus Heizen, oft noch fossil),



      Bauen und Lebensmittelerzeugen ebenso noch nicht.



      Die Industrie setzt auch noch massiv fossile Verbrennung ein. Wasserstoff ist (noch?) nicht reif.



      Ich darf dennoch dankbar sein für erste Ansätze.

    • @Aurego:

      "Kapazität für kurzfristige Zwischenspeicherung", wo soll die denn herkommen? Wir bräuchten Speicherung für mindestens zwei Wochen, eher 4 mit Sicherheitsreserve, das sind 20 bis 40 TWh (!) mit einer Technologie die es soweit ich weiss nicht gibt, plus Kapazität um diese Speicher zu füllen wobei hier noch z.B. Ladeverluste und Speicherverluste dazugerechnet werden müssen. Das kann man fordern, aber wie ich meinem Arbeitgeber gelegentlich sage: ihr könnt von mir fordern dass ich 100m in 10 Sekunden laufe, aber das wird nicht passieren.

      Wenn das mit der Speicherung so leicht zu zeigen ist, dann würde ich doch darum bitten das mal kurz darzulegen, welche Technologie, welche Kosten, wieviel zusaätzliche erneurbare Kapazität ist notwendig?

  • Danke für diese umsichtige Positionierung!



    Wie häufig erwähnt gibt es den Schalter, mit dem alles Grün wird, leider nicht.



    Wer etwas umbauen will, kann nicht heute Alles abreißen und die Menschen morgen im Regen stehen lassen.



    So, wie es derzeit aussieht, ist die Fundamentalkritik, der die Ampel seit Beginn ausgesetzt wurde, wenig zielführend gewesen.



    Die Ampel hat die klimafreundlichste Politik aller bundesdeutschen Regierungen gemacht.



    Die Dauerkritik, auch von links, sorgt möglicherweise dafür, dass die kommende Regierung Politik macht, die wieder klimaschädlicher wird.



    Die Positionierung des störrischen Kindes, das sich auf den Boden wirft und :"ich will, ich will, ich will"! schreit, ist nicht konstruktiv.



    Umbau geht nicht von heute auf morgen.



    Bei der Ampel stimmte aber der Kompass.



    Das sieht bei Merz und Söder, die zurück zu Verbrenner und AKWs wollen, anders aus.



    Deutschland ist kein Billiglohnland. Wir können nur mit Qualität überzeugen. Klimaneutral produzieren ist eine neue Qualität.



    Es gilt dieses neue Label zu etablieren.



    Dafür müssen aber auch die richtigen Parteien gewählt werden.

  • Ich habe die Kritik an der Beschaffung von Gas z.B. aus dem Nahen Osten auch nicht verstanden. Das war doch nur als Ersatz der russischen Lieferungen, keine Erweiterung.

    Klar muss es mittelfristig durch Erneuerbare ersetzt werden, aber soweit war und ist es noch nicht.

    • @Ciro:

      Nun, ein Kritikpunkt ist, dass man neue Infrastruktur schafft, die dann das Argument "Aber wir haben es ja gerade angeschafft" mit sich bringt, wenn man sie dann wieder einstellen will.



      Der zweite ist: Viel Gas ist Frackinggas aus den USA mit bekannten ökologischen Problemen des Frackings.



      Der dritte ist: LNG bedeutet ja, dass ich Gas zu Flüssigkeit umforme, damit ich sie besser transportieren kann. Heißt: Ich muss sehr viel Energie aufwenden für die Kühlung. Plus ich brauche Schiffe. Das ist wieder mehr Energie als ein Pipeline.

    • @Ciro:

      da wird doch nur eine Abhängigkeit gegen eine andere eingetauscht. Beide Geschäftspartner haben Interessen die mit den europäischen bzw deutschen nicht notwendigerweise übereinstimmen, man denke nur an Israel.

  • Und warum tauscht man dann auf Teufel komm raus. Gasheizungen durch Wärmepumpen?

  • Großes Lob für den Autor, denn er stellt die Situation sehr realistisch sowohl für heute als auch aus heutiger Sicht bis 2030 und 2045 dar.

  • Methan ist eine der wenigen Substanzen, die beim Verbrennen WENIGER klimaschädlich wird.

    Daraus folgt nun nicht die Sinnhaftigkeit einer exzessiven Erdgasverstromung, aber man wird das für die Zukunft im Kopf behalten müssen.