Rechte US-Lobby in Europa: Illiberale Internationale
Die rechts-konservative US-Lobbygruppe CPAC tourt durch Europa und wirbt für rechte Politiker. Es braucht dringend eine demokratische Gegenkampagne.
I n Europa formiert sich eine illiberale Internationale, die zunehmend durch rechts-konservative Kräfte in den USA unterstützt wird. Jüngstes Beispiel ist die Conservative Political Action Conference, die gerade durch Mitteleuropa tourte. Hinter den Veranstaltungen steht die rechts-konservative Lobbyorganisation American Conservative Union (ACU). Diese Roadshow als politisches Spektakel abzutun, wäre ein Fehler. Denn die Kampagne hat das Potenzial, Wahlen zu beeinflussen und langfristig auch EU-Politik zu verändern. Es braucht eine wirksame demokratische Antwort – nicht nur auf institutioneller, sondern auch auf kultureller Ebene.
Ende Mai organisierte ACU ein erstes Treffen rechtsextremer Persönlichkeiten nahe der südostpolnischen Stadt Rzeszów – einer Hochburg der nationalkonservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS). Der Zeitpunkt war taktisch gewählt: Das Event fand exakt zwischen der ersten und zweiten Runde der polnischen Präsidentschaftswahlen statt, aus denen der PiS-nahe Historiker Karol Nawrocki als Sieger hervorging.
Mit einer medienwirksamen Kulisse und prominenten Rednern wie der US-Politikerin Kristi Noem, ACU-Präsident Matt Schlapp und dem damaligen Präsidenten Andrzej Duda zielte die CPAC Polen darauf ab, Nawrocki zusätzliche Stimmen aus dem rechtsextremen Lager zu sichern. Insbesondere Wähler, die in der ersten Runde für Kandidaten wie Sławomir Mentzen (Konfederacja) oder Grzegorz Braun (Konföderation der Polnischen Krone) gewählt hatten, sollten nun für Nawrocki gewonnen werden.
Im Anschluss wanderte das CPAC-Format weiter nach Budapest. Dort fand unter dem Motto „Das Zeitalter der Patrioten bricht an!“ die vierte Ausgabe der CPAC Ungarn statt. Unter der Führung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán hat sich die Veranstaltung von einem außenpolitischen Experiment zu einem bedeutenden Knotenpunkt rechtspopulistischer Netzwerke entwickelt. Sie verknüpft US-Konservative mit europäischen Souveränisten – darunter die spanische Vox, die österreichische FPÖ – sowie mit Gleichgesinnten aus Israel, Südamerika und Asien. Anders als die Schwesterkonferenz in Rzeszów erfüllt das Budapester Treffen eine strategisch langfristige Rolle: Es propagiert eine „illiberale Erfolgsgeschichte“, aufbereitet für ein transatlantisches Publikum.

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Antiwokeness als ideologisches Bindemittel
Auf beiden Veranstaltungen tauchen auffällig ähnliche Narrative auf. Rednerinnen und Redner propagieren unisono nationale Souveränität, warnen vor einem „EU-Zentralismus“ und attackieren die „Brüsseler Bürokratie“. Dabei bedienen sie sich bewusst kulturkämpferischer Themen: Antifeminismus, Anti-Gender, Anti-Migration, der vermeintliche Kampf gegen „Wokeness“ und die Verteidigung traditioneller, christlicher Werte werden zum ideologischen Bindemittel. Diese einheitliche Sprache überwindet nationale Differenzen – und macht ideologische Nähe wichtiger als Parteizugehörigkeit. So wird die CPAC zur Plattform für strategische Allianzen zwischen Akteuren aus Parteienfamilien wie EKR, „Patrioten für Europa“ und parteilosen rechten Bewegungen.
Doch es geht längst nicht nur um Rhetorik. Es werden auch konkrete politische Manöver sichtbar: Ein PiS-naher Präsident in Polen wird die Mitte-links-Koalition unter Donald Tusk blockieren, was eine Rückkehr der PiS an die Macht begünstigen wird. Ein solches Polen würde sich mit Ungarn zusammentun, um als Vetomacht gegen EU-Reformen zu agieren.
Viele Beobachter unterschätzen die CPAC weiterhin als Randveranstaltung einer ultrarechten Minderheit. In Wahrheit ist sie längst ein Forum inoffizieller parteipolitischer Interessenvertretung, ein Soft-Power-Instrument zur Netzwerkpflege zwischen politischen Eliten, Lobbyisten, Thinktanks und Aktivisten. Die professionell produzierten, emotional aufgeladenen Inhalte in sozialen Netzwerken sind genau darauf ausgelegt, eine breite und oft enttäuschte Wählerschaft emotional zu mobilisieren. Mit Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus hat die CPAC zudem neuen Rückenwind – trotz der chaotischen und spaltenden Phase seiner zweiten Amtszeit.
Der transatlantische Mainstream hat darauf bisher kaum etwas entgegenzusetzen. Demokratische Kräfte verlassen sich auf etablierte Foren wie die Münchner Sicherheitskonferenz oder diverse Thinktank-Veranstaltungen – Formate, die in der Bevölkerung wenig Widerhall finden. Ohne eine eigene, überzeugende Gegenplattform bleibt der politische Wettstreit eine asymmetrische Auseinandersetzung.
Nicht einfach zusehen
Um dem entgegenzuwirken, müssen demokratische Akteure dringend Infrastruktur-, Narrativ- und Identitätsfragen gemeinsam angehen. Sie müssen ein transnationales Netzwerk engagierter Persönlichkeiten – aus Politik, Journalismus, Bildung, Zivilgesellschaft und Unternehmertum – aufbauen und gemeinsam eine richtungsweisende Bühne für die Auseinandersetzung mit der Zukunft eines demokratischen transatlantischen Bündnisses schaffen.
Der Wettstreit wird nicht nur über politische Programme, sondern über kulturelle Zugehörigkeit entschieden. Demokratische Kräfte müssen Podcasts, kurze Videos, Social Media und lokale Veranstaltungen nutzen, um in Landessprachen greifbar zu machen, was transatlantische Zusammenarbeit, gemeinsame europäische Politik, Klimastandards oder ein starker Binnenmarkt konkret bedeuten – für Wohlstand, Sicherheit und Lebensqualität.
Die CPAC-Ausgaben in Polen und Ungarn mögen harmlos wirken, doch sie sind Symbole eines gut organisierten, internationalen Netzwerks, das auf autoritäre Umgestaltung zielt. Wenn liberale Kräfte ihre Stimmen jetzt nicht erheben, riskieren sie, die Werte, auf denen Europas demokratische Ordnung ruht, zu verspielen. Die internationale Rechte rüstet auf. Demokratische Kräfte sollten nicht einfach dabei zusehen.
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