Corona-TV in Russland: Einer hat alles unter Kontrolle
Noch kürzlich propagierte das staatsnahe russische Fernsehen, Händewaschen helfe nicht gegen das Virus. Nun steigen die Infiziertenzahlen.
![Valentin Putin sitzt an seinem Schreibtisch, im Hintergrund sind Fahnen zu sehen Valentin Putin sitzt an seinem Schreibtisch, im Hintergrund sind Fahnen zu sehen](https://taz.de/picture/4106399/14/Putin_Russland_Corona_Covid_Virus-1.jpeg)
Wackelbilder, schummriges Licht, Atemgeräusche aus dem Off. Irgendwo gehen Türen auf, Hände drücken auf Geräten herum, es piept und dröhnt, irgendwer spricht durch eine Maske, die Kamera schwenkt schnell zur Seite. „Wir sind nah dran“, erzählen die Journalist*innen des staatsnahen russischen Fernsehens ihren Zuschauer*innen, „damit Sie zu Hause bleiben.“
Russland hat derzeit mehr als 57.000 Infizierte, die Zahlen steigen stark an, viele Städte und Regionen setzen auf strenge Ausgangsbeschränkungen. Das Staatsfernsehen ist geübt darin, wie der Oberlehrer aufzutreten und Botschaften der Staatsführung in platte Formeln zu packen.
Russland habe kein Bettenproblem
Hatte es vor Kurzem noch genüsslich über den Zerfall der EU berichtet, weil diese nicht gegen ein Virus ankomme, das „etwas mehr als eine Grippe“ sei, liefert es nun gehetzte Bilder aus den Krankenhausfluren – um dann den Moderator in Ruhe sagen zu lassen: „Russland hat 45.000 Betten, um Coronapatienten aufzunehmen.“ Alles in bester Ordnung also.
Bilder von Treffen des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Minister*innen, Wirtschaftsführern, Bürgermeistern sind Bildern von Videokonferenzen gewichen. Der Erste Kanal fängt jede Nachrichtensendung mit Grafiken an: die niedrigste Linie ist rot und steht für Russland. „Weil wir maximal effektiv dagegen ankämpfen“, sagt die Moderatorin.
Einer bleibt cool
Bei Rossija 1 bietet die Sendung „Moskau. Kreml. Putin“ Ekstase pur und zeigt einen Präsidenten, der alles im Griff hat. Für seine Interviews muss der jungenhafte wie huldigende Reporter Pawel Sarubin Handschuhe und Maske anlegen. Bei Rossija 24 tragen die Moderator*innen T-Shirts mit dem Slogan „Wir bleiben zu Hause“. Sie arbeiten aus ihren Wohnzimmern heraus.
Reporter*innen begleiten Polizist*innen oder Ärzt*innen. Krankenhausflure werden auf allen Kanälen gezeigt. Berichte von Ärzt*innen, die über fehlende Schutzkleidung klagen, kommen nicht vor. Ebenso wenig überfüllte Metro-Zugänge, die zustande kommen, weil die Polizei Passierscheine kontrollieren will.
Die Botschaft dahinter: Die Coronawelt ist zwar auch im staatsnahen russischen Fernsehen eine bedrohliche. Doch es gibt einen, der dabei alles unter Kontrolle hat – Wladimir Putin.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche