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Zwei Unglücke im NordenSupermärkte mit Dachschaden

Während eines Wolkenbruchs sickerte Wasser durch ein Dach in einen Supermarkt in Syke. Erst eine Woche zuvor stürzte ein anderes Discounterdach ein.

Da kann ganz schön was runterkommen: Dach einer Netto-Filiale Foto: Jan Woitas/dpa

Hamburg taz | Nein, die beiden Fälle haben erst mal nichts miteinander zu tun. In der niedersächsischen Stadt Syke führte Starkregen am Mittwoch nicht nur zu überfluteten Straßen und Kellern. Auch die Deckenplatten eines Netto-Supermarktes fielen herunter. Wegen Bauarbeiten sei ein Teil des Dachs offen gewesen, berichtet Polizeisprecher Thomas Gissing. Die Öffnung war mit Folie abgedeckt, aber die hatte bei dem Regen nicht gehalten.

Das ist also einfach Pech. „Das war eine Gewitterzelle mit Starkregen, Hunderte Liter Wasser kamen herunter“, berichtete Feuerwehrsprecher Lutz Budelmann der Nordwestzeitung. Die etwa 20 Menschen im Laden hätten diesen sofort verlassen, Verletzte gab es nicht.

Der Vorfall lenkt die Aufmerksamkeit auf ein Unglück acht Tage zuvor. Im schleswig-holsteinischen Ratzeburg war am Nachmittag bei schönem Wetter das Dach des örtlichen Netto-Marktes eingestürzt. Zwölf Menschen waren im Laden. Laut Ratzeburgs Bürgermeister Eckard Graf (SPD) wurden zwei von Ihnen leicht verletzt.

Zeugen zufolge deutete sich der Einsturz des Dachs durch lautes Knacken an. Kunden und Mitarbeitende seien daraufhin aufgefordert worden, das Gebäude sofort zu verlassen.

Gutachten mit Drohne

Diese Woche Mittwoch haben Gutachter das Gebäude mit Hilfe einer Drohne untersucht. Der längliche Backsteinbau mit rotem Satteldach ist wegen Einsturzgefahr gesperrt. Das Gelände wird laut Polizei weiträumig abgesperrt und durch einen Sicherheitsdienst überwacht.

Den Gutachter hat die Staatsanwaltschaft Lübeck beauftragt, wie die Hamburger Morgenpost berichtet. Sie zitiert einen Brancheninsider, der sich das Übersichtsbild der Unfallstelle angesehen habe. Für ihn könnte ein Materialfehler in der hölzernen Balkenkonstruktion des Dachs die Ursache für das Unglück gewesen sein.

„Die Polizei hat den Sachverhalt vor Ort aufgenommen. Die Ursache wird von Sachverständigen untersucht“, sagt Christina Stylianou, die Leiterin der Unternehmenskommunikation von Netto. Der Discounter sei Mieter des Objekts und könne zu weiteren Details aufgrund der laufenden Untersuchungen keine Auskunft geben. Stylianou zufolge wurden zwölf Personen leicht verletzt und durch Rettungskräfte entsprechend versorgt.

Bürgermeister Eckard Graf sagt, dass die Ratzeburger einen ganz schönen Schreck bekommen hätten. Es befinde sich nur wenige Kilometer weiter in der Nachbarstadt Mölln ein Netto-Markt, der nahezu bau­gleich sei, so wie viele in Schleswig-Holstein und andernorts. „Die müssten überprüft werden. Es muss ausgeschlossen werden, dass so etwas wieder passiert“, sagte er auch der Bild-Zeitung.

28 Einstürze von 2000 bis 2009

Die Bild hatte den Obermeister der Hamburger Dachdecker-Innung zitiert, wonach bei solchen Baukonstruktionen schon kleinste Veränderungen Auswirkung auf die Statik haben könnten. Außerdem zitiert das Blatt aus einer Publikation des Instituts der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen mit dem Titel „Schwachpunkt Nagelplatten-Dachkonstruktion“.

Demnach sind seit 1999 bauaufsichtlich Nagelplatten aus verzinktem Stahl zulässig, die in Dächern Holzbalken miteinander verbinden. Bei Versagen eines dieser Binder könne es zum Einsturz kommen. In den Jahren von 2000 bis 2009 listet das Institut 28 Einstürze von Nagelplatten-Dachkonstruktionen bei Supermärkten auf, betroffen waren diverse Ketten der Branche, unter anderem 2005 ein Lidl in Hannover, 2007 ein Edeka in Lehrte und 2009 ein Penny in Hamburg.

Ratzeburg liegt im Kreis Herzogtum Lauenburg. Nach weiteren Überprüfungen gefragt, sagt dessen Sprecher Tobias Frohnert: „Die Märkte haben ja alle eine Baugenehmigung bekommen. Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens wurde die Statik ja geprüft.“ Da seien Bauherr und Architekt in der Pflicht. Die Anweisung an die Bauherrn einer erneuten Überprüfung der Statik ihrer Märkte müsste von der Oberen Bauaufsicht des Landes angewiesen werden.

Das in Schleswig-Holstein auch für Bauen zuständige Innenministerium erklärt auf die Frage der taz, ob das Ministerium hier Handlungsbedarf sieht, so etwas anzuweisen: „Die Ermittlungen zur Einsturzursache sind noch nicht abgeschlossen. Sobald ein gutachterlicher Bericht zur möglichen Einsturzursache hier im Hause vorliegt, wird das weitere Vorgehen entschieden.“

Bürger nicht allein lassen

Graf fände in jedem Fall eine Überprüfung sinnvoll. „Das Interesse des normalen Bürgers muss hier berücksichtigt werden“, sagt der SPD-Politiker. „Nämlich sicher und gefahrenfrei seinem täglichen Einkauf nachzugehen.“

Gegen Starkregen, der am Mittwoch besagte Abdeckfolie an Dach des Syker Supermarktes durchdrang, wäre damit noch nichts gewonnen. Das Unwetter, das über Norddeutschland hinwegfegte, zwang auch 16 Bewohner eines durch Wasser beschädigten Hauses in Hamburg-Billstedt zur Evakuierung, flutete Straßen und setzte mit seinen Blitzen Strohballen in Brand.

Die Vorsitzende des BUND Hamburg, Sabine Sommer, kritisiert, dass die Politik die Bürger mit den Folgen des Klimawandels zu sehr allein lasse. Es reiche nicht, eine Starkregenkarte zu erstellen und die Menschen mit Warn-Apps auf Hitze, Starkregen oder Orkanböen hinzuweisen. Nötig seien konkrete Maßnahmen auch im Wohnungs- und Straßenbau, geregelte Zuständigkeiten und „ausreichende Finanzierung“.

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1 Kommentar

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  • Dass die Statik im Baugenehmigungsverfahren geprüft wurde, besagt nicht viel. Die Bundesländer sind in einem seltsamen Wahn der Pseudo-Entbürokratisierung schon vor vielen Jahren dazu übergegangen, nicht mehr standardmäßig zu prüfen, ob das Gebäude tatsächlich so gebaut wurde, wie es genehmigt wurde. Das führt dann dazu, dass die mit dem Bauantrag eingereichte Statik zwar bei der Erteilung der Baugenehmigung geprüft wird, aber nach Errichtung des Gebäudes nicht kontrolliert wird, ob die tatsächliche Statik auch der eingereichten und genehmigten entspricht. Das wird der "Eigenverantwortung" des Bauherrn überlassen, und wenn der aus Kostengründen nicht gemäß der Genehmigung gebaut hat, kann schon mal ein Gebäude einstürzen. Tolle Entbürokratisierung.