piwik no script img

Zwei Bamf-Außenstellen im VergleichDas Gegenteil von Bremen

Die Brandenburger Außenstelle des Bamf in Eisenhüttenstadt liegt mit positiven Asylbescheiden weit unter dem Bundesdurchschnitt.

Auffällig: Geflüchtete haben in Eisenhüttenstadt eine schlechtere Chance auf einen positiven Bescheid Foto: dpa

Seit Wochen steht die Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in der Kritik. Der Verdacht: Hier haben Ent­scheider*innen möglicherweise 1.200 Asylanträge ohne ausreichende rechtliche Grundlage bewilligt. Schnell war vom Bamf-Skandal die Rede. Doch der eigentliche Skandal sei in der Bamf-Außenstelle Eisenhüttenstadt zu suchen, meint der Flüchtlingsrat Brandenburg. Seit Jahren würden dort viel mehr Asylanträge abgelehnt als im Bundesdurchschnitt.

Während Asylsuchende aus Afghanistan 2017 deutschlandweit in gut 44 Prozent der Fälle eine positive Antwort vom Bamf bekamen, waren es in Brandenburg nur gut 32 Prozent. Für Iran waren es bundesweit rund 49 Prozent, aber nur 34 Prozent in Brandenburg. Auch für alle anderen Herkunftsländer lag Brandenburg auffällig oft unterhalb der durchschnittlichen Schutzquote.

„Flüchtlinge, die ihr Verfahren hier durchführen, haben eine viel geringere Chance auf Schutz als in anderen Bundesländern“, sagt Kirstin Neumann vom Flüchtlingsrat Brandenburg. Die Qualität der Entscheidungen sei mangelhaft, Bescheide oft fehlerhaft. „Es gibt Fälle, in denen die Anhörung nur 20 Minuten statt 4 bis 6 Stunden gedauert hat“, sagt sie. „Viele Entscheidungen werden später vor Gericht korrigiert.“ Neumann findet es empörend, dass der umgekehrte Fall aus Bremen nun groß diskutiert werde. „Es wird so getan, als ob falsche positive Entscheidungen das Problem sind. Dabei ist seit Jahren bekannt, dass einzelne Bundesländer nach unten abweichen – und da gab es bisher keine Qualitätskontrollen.“

Neumann kritisiert auch, dass Geflüchtete in Brandenburg kaum Zugang zu einer Verfahrensberatung hätten. „Das Asylverfahren ist kompliziert, an der Anhörung hängt das Schicksal der Antragssteller*innen“, sagt sie. Für faire Verfahren sei eine qualifizierte Beratung daher immens wichtig.

Ziel soll eindeutig die Ablehnung sein

Auch aus der Praxis kommt Kritik an der Arbeit des Bamf in Brandenburg. Dieter Bollmann, Rechtsanwalt für Migrationsrecht in Frankfurt (Oder), vertritt mehr als 200 Asylsuchende in ihren Klageverfahren gegen Ablehnungsbescheide. Er hat zahlreiche Anhörungen der Außenstelle Eisenhüttenstadt begleitet. „Dort finden die Anhörungen eindeutig mit dem Ziel statt, dass der Antrag abgelehnt wird“, meint er. Es seien keine Anhörungen, sondern regelrechte Verhöre. „Mehrmals haben Entscheider*innen bei Mandant*innen von mir angezweifelt, dass sie christlich sind“, sagt er. Dabei sei es nicht die Rolle des BAMF, die Ernsthaftigkeit des Glaubens zu beurteilen.

Das Bamf verwehrt sich gegen die Kritik des Flüchtlingsrats Brandenburg

Das BAMF selbst verwehrt sich gegen Kritik. Asylverfahren seien sorgfältige Einzelfallprüfungen, es werde die individuell vorgetragene Fluchtgeschichte bewertet. „Ein bestimmtes Herkunftsland oder ein bestimmter Fluchtgrund führen nicht automatisch zu einem Schutzstatus“, sagte eine Sprecherin. Schutzquoten seien auch von der Volkszugehörigkeit des Antragsstellers, seiner Religion oder dem Verfolgungsakteur abhängig.

Im Mai hatte das Bamf verkündet, dass Außenstellen, die 10 Prozent vom Bundesdurchschnitt abweichen, stichprobenartig überprüft werden. Das betrifft auch Eisenhüttenstadt. „Die Überprüfung bedeutet nicht automatisch, dass es dort zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist“, teilte die Sprecherin mit. Abweichungen in der Schutzquote könnten sich daraus ergeben, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt besonders viele Schutzbedürftige aus derselben Region eines Herkunftslandes nach Deutschland kämen und ihre Anträge dann zum überwiegenden Teil im selben Bundesland bearbeitet würden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Na ja. Irgendwer ist immer unter und irgendwer ist immer über dem Durchschnitt. Relevant wäre die Streuung. Und wenn das mit Bremen stimmen sollte, dass dort durchgewunden wurde sinkt erst mal der Durchschnitt. (Wobei ich zugebe, dass das wahrscheinlich nur 2 oder 3 Prozentpunkte ausmacht.

  • 8G
    80336 (Profil gelöscht)

    Halte jede Wette: wären die Entscheider auch nur einen Bruchteil der Verfolgung ausgesetzt wie jene, über die sie urteilen, sie würden bereits dann sich in Sicherheit bringen, und in anderen Ländern angsterfüllt Asyl beantragen.

    • @80336 (Profil gelöscht):

      Ihre Vermutung wird widerlegt, denn ganz aktuell geht ein Fall durch die Presse, in dem ein abgelehnter Asylbewerber in den Irak flieht, um vor deutscher Verfolgung zu fliehen. Das können/tun deutsche Straftäter in der Regel nicht ...

      • @TazTiz:

        Dümmlicher Kommentar, da es in jenem, auf den du Bezug nimmst, nicht um Strafberfolgung geht.

        • 8G
          80336 (Profil gelöscht)
          @Hampelstielz:

          In der Tat. Zudem behauptet er auch noch irrtümlich, es würde mit dem Text ein "generelles Narrativ" bedient.

        • @Hampelstielz:

          Es geht um das generelle Narrativ des Flüchtlings und dessen Verfolgung sowie um das Bild des unmenschlichen BAMF-Mitarbeiters.

           

          Es darf doch anhand der zahlreichen Beispiele an dem hohen Verfolgungsdruck z.B. im Irak gezweifelt werden, wenn Flüchtlinge sobald es für sie günstiger ist, dorthin zurück reisen ...

           

          Wissen Sie denn genau, wieviele Asylbewerber vor Strafverfolgung aus ihren Heimatländern fliehen? Nicht immer sind "politische Taten" anzunehmen ...

           

          Die BAMF-Mitarbeiter sind die einzige staatliche Instanz (positive Entscheide werden in der Regel nicht von Gerichten überprüft), die unrechtmäßige Migration verhindern können. Deswegen werden sie hier auch beschimpft.

        • @Hampelstielz:

          sondern? um eine Urlaubsreise die man ihm nicht gönnt?

  • Es ist doch lobenswert, wenn im Zweifel erst einmal abgelehnt wird. Eine leichtfertige Zusage kann man nicht mehr korrigieren, eine leichtfertige Ablehnung schon.

    • @Sven :

      Ja, sehr lobenswert, lieber Sven, wenn die Antragsteller gezwungen werden, ihr Recht einzuklagen, mit einer zweiwöchigen oder auch nur einwöchigen Frist, in der sie einen auf Asylrecht spezialisierten Anwalt suchen müssen (in Cottbus, in Eisenhüttenstadt ... viel Spaß beim suchen), in denen sie das Geld für die Erstberatung beim Anwalt auftreiben müssen. Falls sie das fristgerecht hinkriegen, weitere lange Monate (oder Jahre) der Unsicherheit ohne Aufenthaltstitel. Ein aufenthaltsrechtlicher Nicht-Status, der es ganz schwer macht, einen Ausbildungsplatz oder eine Arbeit zu finden. Integrationskurs gibt es mit diesem Status auch nicht.

       

      Und viele werden die Frist ja verpassen, Brandenburg schiebt ja gerne nach Afghanistan ab.

       

      Sehr lobenswert. Tolle Strategie der Desintegration und Menschverachtung.