Zwangsräumung in Köln verhindert: Kalle soll weg
Hunderte Unterstützer verhindern eine Zwangsräumung in Köln-Nippes. Karl-Heinz Gerigk, der seit 35 Jahren hier wohnt, kann bleiben. Aber wohl nicht lange.
KÖLN taz | Symbolische Barrikaden, die wie Umzugskrempel aussehen, versperren die Zufahrt zur Fontanestraße in Köln-Nippes. Seit sieben Uhr haben sich vor und in dem Haus Nr. 5 rund 300 Leute versammelt. An den Häusern hängen Transparente. „Unser Nachbar Kalle bleibt“, steht auf einem, „Keine Zwangsräumung“, auf einem anderen. Um kurz vor acht greift Claus Ludwig von der Initiative „Recht auf Stadt“ zum Megafon. „Setzt euch hin, rückt zusammen. Gleich kommt der Gerichtsvollzieher, lasst ihn nicht durch.“
Wenige hundert Meter entfernt warten dutzende Polizeiwannen. Aber der Gerichtsvollzieher versucht gar nicht erst, zu Karl-Heinz „Kalle“ Gerigk im Dachgeschoss vorzudringen und ihm den Zwangsräumungsbescheid für seine Wohnung zuzustellen. Der 54-Jährige darf erst einmal bleiben.
Die Blockade organisiert hat das Bündnis „Alle für Kalle“. Kalle Gerigk ist zur Symbolfigur für den Widerstand gegen Gentrifizierung geworden. Er lebt seit 32 Jahren in seiner Wohnung. Sein Vermieter, ein Immobilienmakler, hat Eigenbedarf geltend gemacht. Der städtische Angestellte und seine Unterstützer sind davon überzeugt, dass der Kündigungsgrund vorgeschoben ist. Denn im Internet wird die Wohnung – saniert – zum Verkauf angeboten. In Gerigks Nachbarhaus wurde dem Mieter der dortigen Dachgeschosswohnung ebenfalls wegen Eigenbedarf gekündigt. Doch der Vermieter zog nicht selbst ein, sondern verkaufte sie luxussaniert.
Gerigk zog vergebens vor Gericht. Der Rechtsweg ist ausgeschöpft. „Diese Form der Vertreibung ist kein Einzelfall“, sagt Peter Berendt von der Kölner Initiative „Wohnraum für alle“. Nach einer Sanierung steigen die Kaltmieten oft auf über 13,50 Euro pro Quadratmeter. „Wir wollen dafür sorgen, dass dieser Prozess zum Erliegen kommt“, sagt er. „Deshalb gilt auch: Kalle für alle.“ Das sehen auch Gerigks Nachbarn so, zum Beispiel die beiden älteren Zeitungszustellerinnen. Seit 30 Jahren wohnen sie in ihren gerade noch bezahlbaren Wohnungen – 320 Euro warm für 27 Quadratmeter. „Was Kalle passiert, kann uns genauso passieren“, sagt eine von ihnen.
Gegen halb zwölf ist klar, dass die Zwangsräumung vertagt wird. „Der Gerichtsvollzieher hat Rücksprache mit dem Gläubiger genommen und für heute auf die Räumung verzichtet“, sagt Amtsgerichtssprecher Marcus Strunk. Der nächste Räumungsversuch findet frühestens in zwei Wochen statt.
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