Zwangsenteignungen in Jerusalem: Der Insider wechselt die Seite
Stephen Berman arbeitete viele Jahre als Berater für die Immobilienverwaltung von Jerusalem. Heute vertritt er als Anwalt enteignete Palästinenser.
Rechtsanwalt Stephen Berman hat seinen Job als Rechtsberater der Stadt Jerusalem im Jahr 2003 quittiert – und nutzt nun seine Insiderkenntnisse, um illegale Landenteignungen aufzudecken. „Das war mein Job, mich mit solchen Dingen zu beschäftigen“, sagt der gebürtige Amerikaner.
Doch anders als einige israelische Rechtsanwälte, die sich für die Rechte der Palästinenser einsetzen, sieht sich Berman nicht als Aktivist. „Ich kümmere mich nicht darum, wem das Recht nützt“, sagt er. „Ich kümmere mich darum, was das Recht ist.“
Nachdem er sich durch einen Berg alter Karten und Grundbucheinträge gekämpft hat, ist sich Berman sicher, dass israelische Beamte seit Jahrzehnten ihre Macht genutzt haben, um Kontrolle über das kleine, aber attraktive Stück Land der Familie Abu Ta'a zu erlangen und es der Organisation Amana zuzuschustern.
Amana ist federführend für den Bau jüdischer Siedlungen in Ostjerusalem und im Westjordanland. Die Organisation, die schon mehrfach im Mittelpunkt von Untersuchungen wegen betrügerischer Grundstücksgeschäfte stand, hat zahlreiche Siedlungen geplant, die von der Regierung unterstützt werden – aber auch nicht autorisierte Außenposten. Das Grundstück von Abu Ta'a wurde im November eingezäunt. Inzwischen wird dort die neue Amana-Zentrale gebaut.
Behörden auf enteignetem Boden
„Wir haben ein Anrecht auf dieses Land“, sagt Abu Ta'a. „Es hat uns gehört, lange bevor Israel auf diesem Land existiert hat.“ Die Geschichte begann 1967, als Israel Ostjerusalem besetzte und später annektierte. Um diese Annektion zu zementieren, entwickelte man im Jahr darauf den Plan, große Gebiete zwischen Ost- und Westjerusalem, die sich in arabischem Besitz befanden, zu enteignen.
Auf den enteigneten Grundstücken entstanden etwa das nationale Polizeihauptquartier, Ministeriengebäude und große jüdische Siedlungen, die von der internationalen Gemeinschaft als illegal angesehen werden. Aber einige Flächen wurden von der Enteignung ausgenommen und blieben über Jahrzehnte unberührt.
Im Jahr 1989 verabschiedeten die Behörden einen endgültigen Bebauungsplan für die Gegend. Abu Ta'as Grundstück war davon ausgenommen. Zwei Jahre später erklärte die Regierungsbehörde für die Landverwaltung in einem Gerichtsprozesse, alle benötigten Flächen seien in dem Bebauungsplan enthalten.
Berman war in diesem Prozess Vertreter der Stadt Jerusalem. Als ihn Abu Ta'a Jahre später kontaktierte, war ihm schnell klar, dass da etwas nicht stimmte. „Ich habe begonnen, die Fakten zu überprüfen“, sagt er. Er fand heraus, dass die Behörde im Prozess erst den Eindruck erweckt hatte, kein Interesse am Land von Abu Ta'a zu haben. Doch schon ein Jahr später begann sie im Stillen damit, die Kontrolle darüber zu erlangen.
Karten einfach neu eingeteilt
Berman verweist auf Dokumente aus dem Jahr 1992, nach denen die Landverwaltung Amana die Erlaubnis gegeben habe, eine neue Zentrale auf dem Gebiet zu bauen, das sich in palästinensischem Besitz befand. Allerdings wurde das Vorhaben damals von der neuen linksgerichteten Regierung gestoppt.
1997, ein Jahr nachdem der siedlerfreundliche Benjamin Netanjahu zum ersten Mal Ministerpräsident geworden war, wurde das Vorhaben wiederbelebt, wie Berman sagt. Amana sei in den Besitz der benötigten Genehmigungen gekommen, indem es kommunalen und nationalen Beamten vorgespiegelt habe, das Land befinde sich bereits in Regierungsbesitz. Weder Amana noch die Behörden wollten sich zu den Vorwürfen äußern.
Als 2005 herauskam, dass sich das Land immer noch nicht in Regierungsbesitz befand, schien das Projekt zu scheitern. Doch die Landbehörde habe eine „brillante Idee“ gehabt, um sich die letzte Genehmigung vom israelischen Finanzminister zu holen, sagt Berman. Sie habe die Karten einfach neu eingeteilt, dass es so aussah, als würde das palästinensische Land direkt an die Regierungsgebäude angrenzen. Damit habe man ein öffentliches Interesse an der Enteignung untermauert, sagt Berman. Die Genehmigung wurde schließlich erteilt.
Die Familie von Abu Ta'a lehnte ein Entschädigungsangebot ab. Nach einem fünfmonatigen Rechtsstreit entschied ein Bezirksgericht in Jerusalem im März, dass der Bebauungsplan nicht korrekt zustande gekommen sei. Allerdings kam der Richter zu dem Schluss, dass dies das Ergebnis einer Reihe von Fehlern gewesen sei. Von Betrug war keine Rede. Deswegen erlaubte er Amana auch, die Zentrale dort weiterzubauen.
Berman hat diese Entscheidung vor dem Obersten Gerichtshof des Landes angefochten. „Enteignung ist manchmal eine notwendige und legitime Maßnahme“, sagt er. „Doch in diesem Fall haben wir eine Ausgangslage, die irregulär war.“
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