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Zuschuss zum KirchentagRechentricks in Gottes Namen

Der Senat fördert den Kirchentag üppig und verweist auf millionenschwere Umsätze für die Berliner Wirtschaft. Leider geht die Rechnung nicht auf.

Legt sich immerhin nicht mit der Kirche ins Bett: Bürgermeister Müller mit Kirchentagspräsidentin Aus der Au, Landesbischof Dröge und Kirchentags-Generalsekretärin Ueberschär (v. r. n. l.) Foto: dpa

Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren: Zum Deutschen Evangelischen Kirchentag, der vom 24. bis zum 28. Mai in Berlin stattfindet, werden 140.000 BesucherInnen erwartet. Der Senat bezuschusst die Großveranstaltung mit 8,4 Millionen Euro und begründet dies unter anderem mit wirtschaftlichen Effekten für die Stadt. Die Zahlen, mit denen er dabei hantiert, entbehren allerdings jeder Grundlage.

Kritik an der Förderung von Kirchen- und Katholikentagen gibt es regelmäßig. Dabei fällt gerade in Berlin das Missverhältnis zwischen den Zuwendungen und der Zahl der Religionsangehörigen auf: Wenig mehr als 16 Prozent der BerlinerInnen gehörten 2016 noch einer evangelischen Kirche an, die KatholikInnen kamen auf unter 9 Prozent. Der Rest gehört einer anderen oder – größtenteils – gar keiner Religion an.

Andererseits übernehmen Berlin, Brandenburg und der Bund zusammen über die Hälfte der mit 23 Millionen Euro veranschlagten Kosten. Die Evangelische Landeskirche schießt nur 3,7 Millionen Euro zu, weniger als die Hälfte des Betrags, den der als Verein eingetragene Deutsche Evangelische Kirchentag (DEKT e. V.) selbst über Eintrittskarten, Spenden und Sponsoring hereinholt.

„Positive Effekte“

Als Rot-Schwarz die 8,4 Millionen Euro in den Doppelhaushalt 2016/2017 einstellte, begründete der Senat das auch damit, dass sich durch die Ausrichtung des Kirchentags „für die Berliner Wirtschaft positive Effekte in nicht zu unterschätzender Größenordnung“ ergäben. Die Berlin Tourismus & Kongress GmbH (visitBerlin) schätze den „touristischen Bruttoumsatz über Ausgaben für Unterkunft, Verpflegung, Einzelhandel, Transport und weitere Dienstleistungen auf rund 63 Millionen Euro“.

Das kriegt die Kirche

Die Mittel für den Kirchentag sind ein Sonderposten im Haushalt 2016/2017. Regulär überweist Berlin der Evangelischen Landeskirche (EKBO) rund 35 Millionen Euro im Jahr. Der Betrag setzt sich vor allem aus dem Zuschuss zum Religionsunterricht und den sogenannten Staatsleistungen zusammen. Letztere betragen knapp 8 Millionen Euro. Sie werden auf Entschädigungszahlungen für die Enteignung kirchlichen Grundbesitzes vor über 200 Jahren zurückgeführt.

Ein erklecklicher Betrag – auch wenn solche Umsätze nur indirekt der Allgemeinheit zugutekommen. Einer genaueren Betrachtung hält diese Zahl aber nicht stand: Sie dürfte weitaus kleiner sein – und der Senat ist mit schuld daran. Wie das?

Die 63 Millionen hat die auf Tourismuseffekte spezialisierte dwif GmbH für visitBerlin errechnet – bloß haben die Münchner Consultants die Kalkulation offenbar nebenbei auf einer Serviette angestellt: Zum einen betrachten sie laut visit­Berlin die gesamte Zahl von 140.000 Teilnehmenden als Übernachtungsgäste – ohne zu berücksichtigen, dass viele aus Berlin oder Brandenburg stammen und somit keine Ausgaben für Beherbergung tätigen. Zum anderen bewahrt das Land einen Großteil der BesucherInnen davor, Geld für die Übernachtung auszugeben, indem es Schulgebäude als Quartiere anbietet.

In 250 Schulen in Berlin und Potsdam werden laut DEKT bis zu 60.000 Teilnehmende ihr Lager aufschlagen. Sie duschen in den Turnhallen und stärken sich mit einem Frühstück, das von benachbarten Kirchengemeinden angerichtet wird. Auf Miete verzichtet Berlin, nur eine Nebenkostenpauschale inklusive Reinigungskosten wird fällig.

Auch BesucherInnen, die etwa altersbedingt nicht in Klassenzimmern nächtigen wollen, müssen kein Geld in der Stadt lassen: Der DEKT organisiert ihnen Schlafplätze in Privathaushalten. So sollen noch einmal bis zu 15.000 Menschen untergebracht werden. Geworben wird dafür mit der Kampagne „Ham’ Se noch wat frei?“, Schirmherr ist der Regierende Bürgermeister. Zum Auftakt ließen sich ein strahlender Michael Müller und KirchenvertreterInnen mit einem Teddybären im Kirchentagsbettchen ablichten.

Bedenkt man, dass BesucherInnen von Kirchen- und Katholikentagen überdurchschnittlich jung und mit bescheidenen Budgets unterwegs sind, entpuppen sich die 63 Millionen Euro als Luftnummer. Auch wenn nicht präzise zu ermitteln sein wird, wie viel Geld sich tatsächlich über die Stadt ergießt: Es dürfte nur ein Bruchteil sein.

Aber lohnt sich die Investition wenigstens auf ideeller Ebene? Der Senat verweist darauf, dass von Kirchentagen „wichtige Impulse für gesellschaftliches und politisches Engagement“ ausgingen. Es würden interreligiöse und interkulturelle Themen diskutiert, „nicht nur evangelische Christen, sondern auch Angehörige anderer Religionsgemeinschaften“ nähmen teil.

Das klingt gut, muss sich aber an der Realität messen lassen. Beim Kirchentag 2013 in Hamburg wurde die Konfessionszugehörigkeit der Teilnehmenden erhoben. Fast 90 Prozent waren evangelische Christen, gut 10 Prozent katholische. Einer anderen oder keiner Religion gehörten nur 1,2 Prozent an.

Zur Kasse gebeten

Der religionskritische Aktivist David Farago geißelt diese Zustände seit Jahren mit der Aktion „Das 11. Gebot“. Er hält es für „nicht einsehbar, warum Andersgläubige und Konfessionsfreie zur Kasse gebeten werden, um kirchliche Großveranstaltungen mitzufinanzieren“. Konfessionsfreie seien oft „Menschen, die ihre Kirche bewusst verlassen haben, weil sie deren Positionen ablehnen“. Sie bezahlten also „PR-Veranstaltungen des politischen Gegners“.

In der Berliner Politik kritisieren nur wenige die Privilegierung der Kirchen. Dazu gehört die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Säkulare Grüne. Sprecher Jürgen Roth verweist darauf, dass der Kirchentagszuschuss nicht wie üblich über die Fachgremien des Abgeordnetenhauses gelaufen sei: „Das wurde über den Hauptausschuss durchgeschoben.“ Die LAG findet, dass die Kirchen „durch Kirchensteuern und Staatsleistungen, Finanzprivilegien sowie weitere Zuwendungen öffentlicher Stellen in der Lage sind, ihre Kirchentage mit eigenen Mitteln zu finanzieren“. Zuschüsse sollte es nur dort geben, wo andere Möglichkeiten der Finanzierung fehlen.

Merkwürdigerweise, so Roth, hätten SPD und Linke kein Interesse an dem Thema: „Die versuchen, solche Diskussionen zu vermeiden.“ Für die Finanzierung des diesjährigen Kirchentags ist es ohnehin zu spät. Dass es künftig anders ginge, beweist im Übrigen das erzkatholische Münster. Ausgerechnet dort hat der Stadtrat die von der Kirche beantragte Förderung des Katholikentags 2018 in Höhe von 1,2 Millionen Euro abgelehnt.

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10 Kommentare

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  • Eben auf Inforadio: Sie rechnen wohl jetzt nur noch mit 100.000, d.h. am Ende sind sie froh wenn 70.000 gekommen sind.

     

    Neuer Cartoon, Du mich auch: https://demystifikation.wordpress.com/2017/05/23/du-mich-auch/

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Dieselbe Diskussion wie in Leipzig.

    Ein Unding, dass der Staat Gläubige für ihre Propagandatätigkeit bezahlt. Trennung von Staat und Religion wäre was feines.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    Religion ist 'Privatsache', also sollten diese Treffen auch von PRIVATLEUTEN finanziert werden.

  • Obwohl ich auch der Meinung bin, dass alle Veranstaltungen, die nur einem Teil der Bevölkerung dienen, sich selbst finanzieren sollen, sollte die Argumentation meiner Meinung nicht nur auf den Besuchern liegen:

     

    Der Kirchentag macht keinen Gewinn, einige Überschüsse werden nur ausbezahlt, wenn es nötig ist ("Fehlbedarfsfinanzierung").

     

    Das Geld bleibt auch nicht beim Kirchentag sondern wird komplett ausgegeben und zwar via Ausschreibungen, die Verfahren sind öffentlich einsehbar (Vergabeverfahren, VOL, wie öffentliche Stellen).

    Aufträge erhalten größtenteils KMU, was sicher auch daran liegt, dass der Kirchentag hohe Standards an die Leistungen hat: Fair Trade, Nachhaltigkeit, wenig Verpackungsmaterial, saisonale Lebensmittel, CO2-sparsame Transportmittel, Arbeitsschutz, fleischarme und bio-Verpflegung, ...

    Klar gehen - schon wegen des Umfangs der Leistungen - viele Aufträge an Unternehmen außerhalb Berlins, viel Geld geht aber aus rein praktischen Gründen auch nach Berlin: Aufträge gehen an Elektriker, Installateure, Caterer, Druckereien, Mietgerät, Hotelzimmer für eingeladene Personen, Werbeflächen, you name it.

     

    Nochmal: Der Kirchentag sollte sich selbst finanzieren. Aber anders als bei anderen Veranstaltungen bleiben Zuschüsse nicht beim Veranstalter sondern werden ausgegeben und Überschüsse gibt es nicht.

     

    Disclaimer: Ich habe selbst mehrere Jahre als Beschaffer bei Kirchen- und Katholikentagen gearbeitet und an der Entwicklung von Richtlinien wie den o. g. mitgearbeitet.

  • Klar, das kann man kritisieren. Andererseits werden meine Steuergelder auch für Sport-Großveranstaltungen oder Kulturtempel wie z.B. Opernhäuser ausgegeben.

     

    Eine Gesellschaft lebt nun einmal davon, dass sich Menschen in Gemeinschaft für unterschiedliche ideelle Ziele engagieren. Das zu fördern, liegt durchaus im Interesse der Allgemeinheit.

    Ansonsten bestimmen nämlich die Leute mit dem meisten Geld, was an Ideen verbreitet wird.

  • Wenn es nur mal diese Penuts wären...

    http://www.taz.de/!5064407/

  • Danke für diesen Artikel!

    All das Geld hätte sinnvoller investiert werden können. Ich bezweifle ebenfalls den wirtschaftlichen, ideellen oder gesellschaftlichen Nutzen eines solchen Events.

    Wenn religiöse Menschen eine Veranstaltung machen wollen, dann bitteschön. Aber doch nicht mithilfe des Staates?! Trennung von Kirche und Staat...das wäre doch was Nettes.

     

    Wo kann ich beantragen, dass die Stadt (die Öffentlichkeit) in Zukunft nicht länger für so eine sinnlose, zweifelhafte religiöse Veranstaltung bezahlen muss?

    • @j_ein:

      und wo können wir beantragen, dass Fußball, Formel1, Olympische Spiele, KRIEGE, und viele, viele andere kapitalistische Großveranstaltungen nicht mehr staatlich bezuschusst werden?

      • @SilenZ:

        danke @Silenz: die Frage habe ich mir auch schon gestellt (so konsequent will ich nämlich sein)!