Zusammenarbeit von FDP und Grünen: Grün-gelbe Anbandelungsversuche
Grüne und FDP trennt weltanschaulich viel. Aber in informellen Gesprächszirkeln versuchen Abgeordnete zaghaft Vertrauen aufzubauen.
Eine Farbkombination fristet dagegen eher ein Nischendasein: Grün-Gelb, ein Bündnis von Grünen und der FDP also. Was insofern wenig verwundert, als eine Bundesregierung allein aus diesen beiden Parteien ab 2021 demoskopisch so wahrscheinlich ist wie eine absolute Mehrheit der SPD. Zumal sich die Liberalen derzeit in der Fünf-Prozent-Todeszone bewegen.
Dennoch gibt es zwischen Grünen und Liberalen Annäherungsversuche − wenn auch eher im Verborgenen. Zwei informelle Gesprächskreise haben sich seit dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen Ende 2017 gebildet. Der Etablierte davon ist das Format „Lebensstern“: Jeweils um die zehn Bundestagsabgeordnete beider Seiten treffen sich regelmäßig in der gleichnamigen Bar in Berlin-Schöneberg, um sich gegenseitig besser kennenzulernen.
Bekannte Teilnehmer dieses diskreten Kreises sind auf FDP-Seite der Innenpolitiker Konstantin Kuhle und der stellvertretende Fraktionschef Stephan Thomae, aufseiten der Grünen ist neben Fraktionsvize Konstantin von Notz auch die Europapolitikerin Franziska Brantner dabei. Pandemiebedingt waren die Treffen zuletzt seltener, aber kurz vor der parlamentarischen Sommerpause trafen sie sich mal wieder − wenigstens digital.
„Pasta Connection“
Ziel dieser informellen Treffen ist dabei weniger, die mitunter großen inhaltlichen Gräben zuzuschütten. „Es geht vor allem darum, ein tieferes Verständnis darüber zu bekommen, warum die anderen so denken“, sagt die stellvertretende FDP-Parteichefin Katja Suding, die ebenfalls dem „Lebensstern“ angehört. So komme man sich menschlich näher und baue Vertrauen zueinander auf, meint die Bundestagsabgeordnete aus Hamburg.
Die grün-gelbe Farbkombination dürfte auch in Zukunft relevanter werden. Denn wo sich das Parteiensystem immer weiter ausdifferenziert, werden klassische Zweierbündnisse schwieriger. Die lange Regierungsbildung 2017 zeigte das exemplarisch. Dreierkonstellationen werden umso wahrscheinlicher. Und hier spielen Grüne und FDP eine tragende Rolle: Entweder in einem Jamaika-Bündnis mit der Union oder als Ampel mit der SPD. Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz zeigen auf Landesebene, dass beides geht.
Der grün-liberale Austausch ist denn auch eine Reaktion auf das gescheiterte Jamaika-Projekt 2017. Damals waren sich Grüne und FDP in vielen Bereichen bereits einig. Doch viele Seiten beklagten das mangelnde Vertrauen untereinander. „An Inhalten kann so was immer scheitern, Misstrauen sollte jedoch kein Grund sein“, sagt auch Danyal Bayaz.
Der Grünen-Finanzexperte hat deshalb gemeinsam mit dem FDP-Klimapolitiker Lukas Köhler vor anderthalb Jahren einen weiteren Gesprächskreis gegründet. „Pasta-Connection“ wird er genannt, in Anlehnung an die schwarz-grüne „Pizza-Connection“. Die Runde, viele junge Abgeordnete darunter, traf sich im März 2019 zum bislang einzigen Mal bei einem Berliner Italiener. Gastredner war Joschka Fischer, der frühere grüne Außenminister. Ein Mann, an dem sich beide Seiten gut reiben konnten, wie einer der Teilnehmer sagt.
„Viel Staat“ versus „wenig Staat“
Auch bei der „Pasta-Connection“ steht das Atmosphärische im Vordergrund. Seit dem Treffen seien bereits viele kleine Gesprächskanäle entstanden, sagt Bayaz. Bei ihm etwa mit dem FDP-Arbeitsmarktpolitiker Johannes Vogel. Beide Seiten legen Wert darauf, dass in den Zirkeln alle Strömungen der Partei vertreten sind, also auch Parteilinke bei den Grünen und Konservative bei der FDP.
So will auch keiner der Beteiligten kleinreden, dass Grüne und Liberale in manchen Themen Welten trennen – allein beim grundsätzlichen Gegensatz „viel Staat“ (Grüne) versus „wenig Staat“ (FDP). Die Wirtschafts- und Klimaschutzpolitik gilt als größter Knackpunkt. „Ich glaube, dass viele Unternehmen in Sachen ökologischer Transformation viel weiter sind als die FDP“, sagt Bayaz.
Die Liberalen tun sich dagegen mit der grünen Europapolitik schwer, etwa wenn es um eine mögliche Schuldenunion geht. Überhaupt steckt in Umverteilungsfragen viel Konfliktstoff. Hinzu kommt die Abgrenzung nach rechts, die infolge der Causa Kemmerich in Thüringen häufiger Thema gewesen sei, sagt Suding.
Andererseits sind da aber auch einige Überschneidungen. Allen voran in der Gesellschaftspolitik, etwa wenn es um mehr Rechte für Regenbogenfamilien oder die Legalisierung von Cannabis geht. Auch Suding sagt, dass sie als Bildungspolitikerin die Erfahrung gemacht habe, dass Grüne und FDP in diesem Feld „eine ganze Menge Gemeinsamkeiten“ hätten. Auch in anderen Bereichen sieht Suding Anknüpfungspunkte. In der Flüchtlingspolitik etwa habe sie das Gefühl, dass „die Kluft von beiden Seiten größer dargestellt wird, als sie in Wirklichkeit ist“.
Als Opposition im Bundestag ist die grün-liberale Zusammenarbeit längst die Regel. Ob beim gemeinsamen Agieren in den Untersuchungsausschüssen, bei der Wahlrechtsreform, wo sie mit den Linken zusammen einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht haben. Oder in der Rechts- und Innenpolitik, wo etwa die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic von „vielen Schnittmengen“ und einem „gemeinsamen Verständnis von Rechtsstaatlichkeit“ spricht.
Zwar legen beide Seiten Wert darauf, dass es sich bei den Annäherungsversuchen keineswegs um vorgegriffene Koalitionsgespräche handele. Dennoch glaubt die Liberale Suding, dass bei neuerlichen Jamaika-Verhandlungen vieles anders laufen würde als 2017: „Die Lage ist eine andere und auch die handelnden Personen sind dann andere“ – neue Parteichefs bei den Grünen und der CDU etwa.
So oder so wird eine mögliche Jamaika-Neuauflage vor allem vom Wahlergebnis abhängen. Die Umfragen lassen solch ein Projekt aktuell arg unwahrscheinlich erscheinen: Die FDP ringt um den Wiedereinzug, und selbst wenn der gelingt, hätten Schwarze und Grüne allein bereits eine komfortable Mehrheit. Das koalitionäre Kunstwerk käme dann ohne einen gelben Farbtupfer aus.
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