Zum Tod von Christian Ströbele: Ohne Christian keine taz
Für viele tazzlerinnen und tazzler war Christian Ströbele als Mitgründer der Zeitung Vorbild, für einige Übervater. Wir trauern um ihn.
Mit Christian geht eine stolze Geschichte von Idealismus, Widerstandsgeist und Integrität, er verkörperte die Geschichte von der Gründung der Grünen und der Gründung dieser Zeitung. Ohne Christian keine taz. So einfach ist das. So schien es. Von 1978 bis heute.
Auf dem Tunix-Kongress diskutierte er die Gründung einer undogmatischen, radikalen und linken Tageszeitung. Täglich eine solche Zeitung, das war seine Hoffnung in der bleiernen Zeit. Er war so etwas wie der Urvater der taz. Zuletzt war sie ihm oft nicht mehr radikal genug, seine taz. Wir messen uns an diesem Urteil, auch wenn Christian uns das oft nicht so recht geglaubt hat. Aber so ging es ja auch Generationen vor uns. Noch zur Grundsteinlegung für das neue Haus gab er der taz auf seine Art wieder seinen Segen: „Ich wünsche mir ganz vermessen, dass die taz eine linke – und, ja, auch radikale – Zeitung bleibt.“ Viele tazzler:innen von heute kennen Christian Ströbele nur aus der Ferne. Doch die taz war immer, von Generation zu Generation, stolz auf diesen Paten, für viele Vorbild, für manche Kompass, für einige Übervater.
Jede taz-Generation hat ihn interviewt, er hatte ja auch immer etwas zu sagen. In seinen Themen waren sein Gedächtnis unschlagbar, sein Detailwissen beängstigend, seine juristische Einordnung präzise. Ein tazzler hat die bisher einzige Biografie über ihn geschrieben. Nach dem Erscheinen von Stefan Reineckes Buch nahm Christian sich vor, selbst eine Biografie zu schreiben – er wolle schreiben, „wie es wirklich war“. Es ist nicht dazu gekommen.
Wir führen die Debatte weiter
Im ersten Stock im neuen taz-Haus an der Friedrichstraße hängt ein fast lebensgroßes Porträt von Christian. Auf dem Weg zu den Tischen der Genossenschaft und der Panter Stiftung kommt man an diesem Gemälde vorbei. Das ist der richtige Ort. Ohne ihn hätte es vielleicht gar keine Genossenschaft gegeben. Heute ist sie die Basis der taz. In der Stiftung hat Christian seine politischen Debatten und seinen Einsatz für kritischen, für linken – gerne radikalen – Journalismus fortgeführt.
In den kommenden Tagen und Wochen werden wohl viele von uns immer wieder zu diesem Christian im ersten Stock pilgern und innere Zwiesprache halten. Christians Vermächtnis ist uns Ansporn, dass es die taz und diesen Journalismus, für den er stritt, auch in Zukunft gibt.
Lieber Christian, verlass dich drauf: Wir führen die Debatte weiter.
Katrin Gottschalk, Barbara Junge und Ulrike Winkelmann (Chefredaktion) sowie Aline Lüllmann und Andreas Marggraf (Geschäfsführung)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen