Zukunftszentrum Deutsche Einheit: Ein Haus als Trostpflaster

Glückwunsch, das Zukunftszentrum Deutsche Einheit geht nach Halle. Doch statt dieses Placebos bräuchte es für die ostdeutsche Seele endlich Zählbares.

Eine Statue von Händel, dahinter ist ein Rathaus zu sehen

Das Zukunftszentrum deutsche Einheit kommt, das Händel-Denkmal vor dem Rathaus in Halle ist schon da Foto: Heiko Rebsch/dpa

Für Halle ist es nach der Nationalen Akademie Leopoldina der zweite Trost ob der Niederlage gegen Magdeburg als Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts 1990. Im Standortwettbewerb um das Zukunftszentrum Deutsche Einheit spielte ohnehin der lokale Förderaspekt die maßgebliche Rolle. Dieser Klartext blieb übrig, wenn man das Pathos vorgeblendeter großer Einheitsworte abklopfte. Eine 200-Millionen-Investition des Bundes mit 200 Arbeitsplätzen kann Halle nicht schaden.

Aber welcher Nutzen wäre darüber hinaus zu erwarten? Es ist nicht bekannt, dass irgendein auf dem früheren DDR-Territorium lebender Bürger auf der Straße oder in Diskussionen ein solch bombastisches Gebäude zur Hebung seiner Befindlichkeit gefordert hätte. Woher soll die Million prognostizierter Besucher jährlich kommen? Die Geschichte des „Einheitsdenkmals“ in Berlin oder des ähnlichen Leipziger Projekts ist schon unrühmlich genug.

Mag sein, dass die ostdeutsche Seele immer noch trostbedürftig ist. Die Ernüchterung nach dem Einheitsrausch ist weiterhin nicht verarbeitet und schon gar nicht mit einer Selbstüberprüfung der überzogenen Erwartungen von 1989 verbunden. Laut jüngstem Sachsen-Monitor ist der Anteil der Sachsen, die sich als zweitklassige Deutsche fühlen, auf 55 Prozent gestiegen.

Daran haben respektable West-Ost-Transfers nichts geändert und daran wird auch das Placebo eines „Zukunftszentrums“ nichts ändern. Um der viel beschworenen inneren Einheit mental näher zu kommen, startet es 33 Jahre zu spät. Das Gleiche versuchten in den frühen 1990er Jahren schon Erzählwerkstätten und andere organisierte Begegnungsversuche, die letztlich kaum über eine freundliche Ost-West-Kenntnisnahme hinauskamen.

Es geht letztlich um Zählbares. Die nach sechs Jahren endlich beschlossene magere Ausstattung des Härtefallfonds für vergessene Opfer des Rentenüberleitungsgesetzes 1990 ist ein zynischer Kontrapunkt zu Halle. Die Aufarbeitung solcher Fehler wäre eine echte Aufgabe für das kommende Zentrum politischer Schönheit Deutschlands.

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Seit 2001 Korrespondent in Dresden für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Geboren 1953 in Meiningen, Schulzeit in Erfurt, Studium Informationstechnik in Dresden. 1990 über die DDR-Bürgerbewegung Wechsel in den Journalismus, ab 1993 Freiberufler. Tätig für zahlreiche Printmedien und den Hörfunk, Moderationen, Broschüren, Bücher (Belletristik, Lyrik, politisches Buch „System Biedenkopf“). Im Nebenberuf Musiker.

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