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Zukunft für die junge GenerationWas wäre, wenn Odysseus ein Smartphone gehabt hätte?

Zurück nach Ithaka wäre mit Google Maps schneller gegangen. Aber um nach Hause zu kommen, müssen wir uns auf das Ungewisse einlassen, gerade jetzt.

„Ich bin ja eher der Typ, der auf Sicherheit und Planbarkeit steht: morgens einen Kaffee, abends Netflix.“ Foto: Andrea Schönrock/plainpicture

W enn Odysseus ein Smartphone gehabt hätte, dann wäre er nach seinem zehnjährigen Arbeitsaufenthalt vor Troja nicht noch zehn Jahre durch die Gegend geirrt, bevor er endlich wieder in Ithaka bei seiner wunderbaren Penelope war. Mit Auto und Fähre hätte er das laut Google Maps sogar in 14 Stunden, 3 Minuten schaffen können.

Aber wo ein Vorteil ist, ist auch ein Nachteil, wie Fußballlegende Johan Cruijff zu sagen pflegte. Hätte Odysseus ein Smartphone gehabt, dann wäre er ausspioniert und monetarisiert worden von den Silicon-Valley-Milliardären, und ständig hätte man ihm personalisierte Werbung reingespielt.

wochentaz

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Auf Twitter hätten ihn Priamos’ Bots so kirre gemacht, dass er auf die Idee mit dem trojanischen Pferd womöglich gar nicht gekommen wäre – auch weil er mit Paris’ Angeber-Tweets so beschäftigt gewesen wäre und mit Filmchen der tanzenden und kochenden sexy Tradwife Helena. Dann hätte er auch noch täglich Selfievideos drehen müssen, garniert mit seinen schlauen Sprüchen, was heute im Krieg so los war und wen er gerade ertränkt oder wessen Pferde er erbeutet hatte. Zwischendurch hätte er bei Insta zusehen müssen, wie sich zuhause in seinem Palast immer mehr Freier an Penelope ranmachen, was sicher auch nicht schön gewesen wäre.

Wir müssen uns ins Ungewisse wagen, es geht nicht anders

Vor allem aber hätte Odysseus, so las ich gerade bei dem populären Philosophen Arno Frank, durch eine schnelle Rückkehr eben auch eine ganze Menge verpasst. Das Jahr mit der sexuell sehr aktiven Circe selbstverständlich, die lebensgefährliche Blendung des Kyklopen Polyphem, das Jahrhundertkonzert der Sirenen, die geile Abenteuerfahrt zwischen Skylla und Charybdis und noch vieles mehr. Bestimmte und für ein gelingendes menschliches Leben auch essentielle Dinge, so verstehe ich Frank, gibt es nur im Offenen und Ungewissen.

Leben bis weit ins 21. Jahrhundert und darüber hinaus

Und damit zur Moral meiner Geschichte: Ich bin ja eher der Typ, der auf Sicherheit und Planbarkeit steht, auf ein festes Zuhause und dass alle am Ende des Tages wieder da sind. Morgens einen Kaffee, abends Netflix. Einem Kyklopen würde ich nur sehr ungern eine glühende Pfahlspitze in sein einziges Auge reinrammen. Erstens aus einer pazifistischen Ethik heraus, zweitens wegen technischer Unbeholfenheit. Aber wenn der Typ sechs meiner Leute aufgefressen hätte, wie es Polyphem tat, dann würde ich das halt machen, bevor er die anderen auch noch auffrisst – oder gar mich. Zumindest würde ich die Bundeswehr so ausrüsten, dass die das im Notfall übernehmen könnte.

Was ich eigentlich sagen will: Ich fürchte, wir sind in der Bundesrepublik und in Europa in einer Lage, in der wir uns – selbstverständlich ohne die soziale Frage zu vergessen – auf das Offene und Ungewisse einlassen müssen, um wieder nach Hause zu kommen. Das kann nicht das alte Zuhause sein, weil es das schon jetzt nicht mehr gibt.

In Deutschland scheint das noch abstrakt, aber in Los Angeles gilt das furchtbarerweise sehr konkret. Es wird also ein renoviertes Zuhause sein, in einer Wissensgesellschaft, mit einer renovierten Wirtschaft, einer renovierten Politik und Alltagskultur, mit Balkonkraftwerken, autofreien Lebensräumen und allem Pipapo. Es wird auch Ungewissheit geben müssen, die wir nicht gewohnt sind und zu deren Abwehr wir das furchtbare Wort „Zumutung“ erfunden haben.

Die größte Zumutung scheint die Zukunft zu sein. Dabei ist der abstrakte Begriff Zukunft – ich folge hier dem Soziologen Aladin El-Mafaalani – nur ein anderes Wort für die am meisten vernachlässigte Minderheit dieser Gesellschaft: alle, die bis weit ins 21. Jahrhundert und darüber hinaus leben werden, also Kinder, Jugendliche, Gen Z. Im Moment ist vor allem deren Zukunft geschlossen. Sie brauchen jetzt unsere Offenheit.

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Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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8 Kommentare

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  • Der Odysseus war ein Blender (polyphem)



    --



    Reiste gern in ferne Länder



    Um Ungeheuer zu „besiegen“.



    Doch etwas wurde hier verschwiegen:



    Er hat sich schön die Zeit vertrieben.



    Bei Kalypso war er sieben



    Jahre lang als Liebesknecht.



    Dort ging es ihm nicht wirklich schlecht.



    --



    Hätt‘ ein Smartphone er besessen,



    Hätte er wohl unterdessen



    Geprotzt auf den SM-Kanälen



    Um seine Lügen zu erzählen



    Über Paris, Hektor, Helena,



    Priamos und Hekuba. -



    So war der Typ aus Ithaka.

    • @starsheep:

      …anschließe mich

      “Unglücklich - a 🥱 and - a - 🥱



      Schreiberlinge - die Helden nötig haben!“



      & gewiß beides dicke Schinken -



      Lesen hilft - Durchblick tut dir winken!



      Doch dann - fängt Denke & Schreibe ja erst an



      “„An einer Seite Prosa wie an einer Bildsäule arbeiten …“, schrieb Nietzsche. So siehst du aus.“

      unterm——aus Tucho



      “Lerne lachen ohne zu weinen“



      de.wikisource.org/..._zu_weinen_201.jpg



      Aber schon Hägar der Schreckliche -



      “Ha - Prosa kann ich auch!“



      Als Helga? anmerkte wie gern Volkers 👄



      “Die reine Prosa“



      & Inhaltsangabe/Auszug Lit-Lexikon reicht meist nicht! Woll - quod erat demonstrandum

      unterm—- aus dem Skat - gestehe- 🙀🥳 -



      🐈‍⬛ 🐈‍⬛🐈‍⬛🐈‍⬛🐈‍⬛Gymnasium Oberstufe



      Emilia Galotti - der olle Lessing - Referat



      & Däh “Ich heiße Jop & ich - nennen Sie mich Joppich - verhinderter 🎭 Elvis Tolle ◾️Shawl erzkatolsch weißer Staubmantel -



      Roch den Braten - klopfe an (gibt’s die immer noch die schmalen kleinen roten ✏️?)



      “K…haben Sie das Stück überhaupt gelesen?“



      Ich strechte tapfer!;) 🤥



      Recht hatte er - ich hatte nicht el classico



      Gemerkt Erkannt Geschnallt -



      Ein Tag ein Ort (das dritte fällt mir grad nicht ein;)



      So kann’s gehn

  • Abgesehen von dem einen Held, Odysseus, der eben auch namentlich erwähnt ist, welche Zukunft hatten die anderen jungen Männer, seine Begleiter? Arbeiten, Rudern, verheizt werden. Soviel hat sich an den Zukunftsaussichten der Jugend nicht geändert.



    Nur zwischendurch, also in der zweiten Hälfte des 20 Jhrh wurden bunte Bilder einer sorgenfreien, güldenen Zukunft am Himmel gemalt. Ob es jetzt schlimmer denn je ist? Only time will tell.

    • @fly:

      Yes …anschließe mich



      &



      least but not at last



      “…& sicher nicht PU“

      unterm— btw but not only



      Einer meiner sidekicks & Mitfloristen hat ja - wohl ganz in Übereinstimmung zu PU sei Perle zu der Trefferquote seiner Voraussagen treffendes gepostet! Gellewelle



      Wobei Wobei frauman zu seiner nunja Ausdauer - einen gewissen Respekt nicht vehehrlen zu mögen geneigt sein könnte



      Lesens zB seinen - aber eben leicht vorhersehbaren Abgesang auf sei Prox&Dreams! Woll



      “Abschied von einem liberalen Traum



      California Albdreaming



      Kalifornien, das war lange ein großes Versprechen – von der Kraft der Gegenkultur und einem freien Leben. Die soziale Spaltung hat den Traum zerstört.“ n s vergessen - wa!



      taz.de/Abschied-vo...en-Traum/!5556296/



      & wie passend zu Silicon - Woll!



      “Kolumne Die eine Frage



      Es gibt ein richtiges Leben: deines



      Was macht Kim Kardashian, den US-Reality-Star, so großartig, was können Adorno-Leser von ihr lernen? Kleiner Tipp: Es ist kein Körperteil.“ …mit letzterem - too •



      taz.de/Kolumne-Die-eine-Frage/!5242762/

      kurz - “Sei vorsichtig, was du vorgibst zu sein, denn du bist, was du vorgibst zu sein.“



      ©️ Kurt Vonnegut

      Scheunen Sündach ook - in die Runde

  • Angesichts hybrider Kriegsführung ist es nicht sehr zukunftsweisend, sich auf dem Meer nur auf die Technik zu verlassen.



    Vergleichen wir die Stürme, denen Odysseus ausgesetzt war, mit der Flut im Ahrtal, so wäre mit monatelangen gestörten Handy- und Navigationsnetzen zu rechnen.



    Folgerichtig wurde der Katastrophenschutz in den letzten Jahren ausgebaut und das nicht nur digital, sondern auch analog.



    Technikglaube allein wird nicht ausreichen, um die Zukunft Menschen - und Umweltgerecht zu gestalten.



    Der Kommentar ist ja sehr wolkig bzgl. der deutschen Politik, aber der Autor lässt vermuten, dass die "Zumutung" als verstecktes Zitat des Möchtegernkanzlers Merz genannt wird.



    Selbst das ist keine eigene Idee, der Bundespräsident formulierte das bereits vor Jahren ähnlich.



    Es gibt ja Teile der " Linken"



    ( nicht parteipolitisch), die sich als Grüne der CDU anbiedern.



    Das ist natürlich möglich, aber hat so gar Nichts mehr mit sozial und ökologisch zu tun.



    Baerbocks Ausbruch zielt in diese Richtung.



    Plötzlich scheinen für die Grünen nur noch Waffen zu gelten.



    So macht Baerbock das, was sie Scholz vorwirft: die Ukraine zum Wahlkampfthema .



    Wenig diplomatisch für eine Außenministerin.

  • Erste Maßnahme :



    Alle älteren Männer ( und Frauen ) um die 65 lassen sich nicht mehr zur Wahl aufstellen und verlassen den Bundestag.



    Es muss aufhören, daß die alles so weiter machen.

  • Ach was! Loriot - keine eine eine Frage

    kurz - Hätte Hätte - Fahrradkette -



    Rad ab im Neuen Jahr. Gellewelle



    Wunderbra.



    Den ollen Homer (plattdütsch 🔨) metülisieren!



    Und mit sojet unter die Milchreisbubis digi sich verlieren.



    Das ist mental so flächköpperflächmäßig fatal.



    Da bleibt wie einst am Strand die Damen.



    Ob solcher wrankpubitärer Knödeldramen:



    Handtuch zusammenlegen oder falten.



    Und schüttloppen nach anderwo -



    Ausschau halten.

    Wilhelm Busch - der Alte aus Wiedensahl



    Der ja Werner Btösels Vorbild war.



    Gibt obso Stuß & von uns glatt nen Tusch 🪅🎊



    In aller Bescheiden ob solcher Magerkost



    Und dess gleich zum Start ins neue Jahr! Woll



    Solches kund der entnervten Leserschar:

    Es wohnen die hohen Gedanken



    In einem hohen Haus.



    Ich klopfte, doch immer hieß es:



    Die Herrschaft fuhr eben aus!

    Nun klopf ich ganz bescheiden



    Bei kleineren Leuten an.



    Ein Stückel Brot, ein Groschen



    Ernähren auch ihren Mann.



    Wilhelm Busch (1832 - 1908), deutscher Zeichner, Maler und Schriftsteller



    Busch, W., Gedichte. Kritik des Herzens, 1874

    Wir aber ziehen fröhlich singend van dannen



    Und dachten: Homer - Odysseus & Ilias



    Der machte drin Anna & log das: - auf ein Faß!

    Und 🧹🧹🧹 - nu das!

  • Odysseus war ein kluger Mann. Der sein Smartphone längst ins Meer geworfen oder zumindest den ganzen Social-Media-Mist abgeschaltet hätte.

    Die Social-Media-Milliardäre hätten ihn dafür vermutlich der Disruption oder Revolution angeklagt.

    Die Schüler von heute tun mir sicherlich leid. Diese leben im Krieg, der aber auch in seinen Auswirkungen für Menschen mittleren oder fortgeschrittenen Alters immer furchterregender wird.

    Es ist davon auszugehen, dass die Zukunft ziemlich schrecklich wird.

    www.tagesspiegel.d...ehen-13026751.html