Zukunft der Landwirte: Weniger Acker, mehr Geld
Durch eine Landreform wird Arbeit auf dem Acker zum Traumjob. Dann gibt es 16 Hektar verstaatlichten Boden für alle Bauern und ein neues Schulfach.
W enn ich „Bauernproteste“ höre, denke ich an mittelalterliche Bauernaufstände, bei denen die verarmte Landbevölkerung den Fürsten mit Knüppeln und Mistgabeln zu Leibe rückte. Heute ist die Situation komplexer: Im Spannungsfeld zwischen Strukturwandel, Investoren-Interessen, Lebensmittelketten, Agrarsubventionen und Umweltschutzauflagen scheint eine Lösung unmöglich. Deshalb frage ich Felix, meinen Freund aus dem Jahr 2124, um Rat. Er kommt immer mal aus der Zukunft zu Besuch und hat mich schon oft aufgebaut, wenn ich an den Problemen der Gegenwart zu verzweifeln drohte. Als ich ihn mit der Bauernfrage konfrontiere, winkt er ab.
„Ach, das klärt sich alles bei der nächsten Landreform.“
„Gibt es eine Revolution? Einen Bürgerkrieg?“
„Nein, eine Tabula rasa. Eine komplette Neuaufstellung der Landwirtschaft. Die 16,6 Millionen Hektar, die in Deutschland als landwirtschaftliche Fläche zur Verfügung stehen, wurden auf 1 Million Bauernhöfe neu verteilt, sodass jeder Betrieb nur gut 16 Hektar bewirtschaftet – etwa ein Viertel des heutigen Durchschnitts.“
„Aber warum brauchen wir das überhaupt?“
„Weil die Landwirtschaft die Basis und die wichtigste Infrastruktur des Landes ist. Oder hast du das letzte Mal, als du hungrig warst, an den Ledersitzen deines Autos gelutscht? Lange wurde versucht, die Marktverzerrungen, die durch Finanzspekulationen, Lebensmittelketten und strategische Käufer internationaler Konzerne verursacht wurden, durch Subventionen abzuschwächen. Aber das hat alles nur verschlimmert und wurde zum bürokratischen Monster. Also haben wir uns dazu durchgerungen, die Landwirtschaft zu verstaatlichen. Landwirte sind bei uns Beamte mit der höchsten Besoldungsstufe! Ein Traumberuf, bei dem sich über 100 Anwärter auf einen freien Platz bewerben. Denn die Staatsbauernhöfe sind top ausgestattet, bestens gepflegt und liefern Lebensmittel von höchster Qualität.“
„Aber wie kann das funktionieren?“, frage ich. „Verbraucher*innen sind es gewohnt, regalmeterweise billiges Fleisch zu kaufen. Wenn in Deutschland nur noch Kleinbetriebe arbeiten, werden wir das Fleisch importieren müssen und damit unsere heimischen Preise kaputt machen.“
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
„Deswegen ging mit der Landreform auch eine Bildungsoffensive einher“, sagt Felix. „Der Großteil der Bevölkerung lebt in Städten und hat den Bezug zur Herkunft der Nahrungsmittel verloren. Um wieder ein Gefühl dafür zu bekommen, was es heißt, von der Natur abhängig zu sein, wurde das Schulfach Agrares Leben eingeführt. Dort lernen Kinder Lebensmittelkunde, nachhaltige Bodenpflege, den Anbau von Getreide und Gemüse und das Kompostieren nach Annie Francé-Harrar.“
„Ach wie schön, einen Schulgarten hatten wir in der Grundschule auch.“
„Ja, aber schön alleine reicht nicht. Besonders wichtig ist der Realitycheck für alle, die glauben, die Chicken-Nuggets würden auf magische Weise im Kühlregal landen. Am Ende des Schuljahres kommt das Schlachten dran. In der 4. Klasse ein Huhn, in der 5. ein Schwein und in der 6. ein Kalb. Seitdem ist der Fleischkonsum in Deutschland drastisch zurückgegangen und die heimische Landwirtschaft kann die Bevölkerung wieder versorgen. Du siehst also: Alles kein Problem, wenn man der Realität ins Auge sieht und nicht chronisch versucht, sie zu verdrängen.“
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