Zukunft der Containerhäfen im Norden: Das wars mit Bremerhaven
Mit einem Verteilerhafen in Marokko will das Unternehmen Eurogate, die Warenströme neu ordnen. Verlierer dürften Hamburg und Bremerhaven sein.
Mittelfristig wird das für die beiden größten deutschen Häfen an Elbe und Weser zu einem dramatischem Bedeutungsverlust führen. Der Abstieg von Hamburg und Bremerhaven von Welt- zu Regionalhäfen wird sich beschleunigen.
In Tanger an der Straße von Gibraltar baut Eurogate an einer Drehscheibe für den Güterumschlag zwischen Europa und Ostasien. „Marokko ist unser Star“, freute sich am Mittwoch Thomas Eckelmann, Vorstandschef von Eurogate, bei der Bilanzpressekonferenz für das Jahr 2018 in Bremen. „Wir haben da eine ganz tolle Entwicklung.“ Das erste Terminal dort sei „voll ausgelastet“, sagt Eckelmann. Knapp 1,4 Millionen Standardcontainer (TEU) sind dort im vorigen Jahr wie auch schon 2017 umgeschlagen worden.
Und Eurogate investiert weiter in den Ausbau von Tanger, das direkt an der Fahrtroute nach China, Japan und Korea liegt. Ein zweites und genau so großes Terminal wird derzeit errichtet, das mit einer Wassertiefe von 18 Metern und einem Wendekreis von 900 Metern auch die allergrößten Containerriesen abfertigen kann – mehr als 400 Meter lang, mit 16 Meter Tiefgang und 23.000 Containern an Bord.
Riesenfrachter nicht mehr in Hamburg
Im Juli nächsten Jahres soll es den Betrieb aufnehmen. Dann werden die Bremer in Marokko mindestens 3,5 Millionen TEU umschlagen können – zu Lasten der großen deutschen Häfen. Denn mehr Reedereien spielten mit dem Gedanken, so Eckelmann, im Mittelmeer nur noch zwei Verteilerhäfen anzulaufen: das spanische Algeciras und vis-à-vis eben Tanger. „Das würden Transshipmenthäfen“, sagt Eckelmann.
Die drei größten deutschen Häfen sind Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven.
Der Containerumschlag sank 2018 in Hamburg um ein Prozent auf 8,7 Millionen Standardcontainer (TEU), in Bremerhaven um 1,3 Prozent auf 5,4 Millionen. In Wilhelmshaven wuchs der Umschlag um 18,3 Prozent auf 656.000.
Eurogate ist mit 14,1 Millionen TEU Europas größter Terminalbetreiber. Das Unternehmen betreibt 14 Terminals in Deutschland, Russland, Italien, Portugal, Marokko und Zypern.
2017 schlug Eurogate in Bremerhaven, Wilhelmshaven und auf ihrem Terminal in Hamburg zusammen 7,76 Millionen TEU um. Nummer zwei in Deutschland ist die Hamburger HHLA mit 7,34 Millionen TEU
Diese Entwicklung würde es ermöglichen, die Riesenfrachter nur noch zwischen Fernost und dem westlichen Ende des Mittelmeers verkehren zu lassen. Die mittelgroßen Schiffe für den Weitervertrieb in Nord- und Ostsee wären in allen Häfen Nordeuropas problemlos abzufertigen; die Megafrachter wären mindestens eine Woche früher wieder in Shanghai, Hongkong oder Singapur und könnten ihre Rentabilität steigern. Er verstehe gar nicht, hatte Eckelmann bereits vor zwei Jahren verlauten lassen, „warum die überhaupt noch den Atlantik hoch bis in die Nordsee pütschern“.
Für die bislang führenden Containerhäfen Europas in der sogenannten Nordrange brächte das neue Herausforderungen mit sich. Vor allem Hamburg und Bremerhaven dürften dann Rang, Umsatz, Wertschöpfung und Arbeitsplätze einbüßen. Profitieren könnte von dieser Entwicklung hingegen Wilhelmshaven: Der Jade-Weser-Port mit einer Wassertiefe von 18 Metern und unbegrenztem Wendekreis könnte sogar die Megacarrier der übernächsten Generation abfertigen.
Eurogate ist in der Krise stabil
Eine neue Studie der chinesischen Staatsreederei Cosco skizziert Frachter von 435 Metern Länge, mehr als 60 Metern Breite, 17 Metern Tiefgang und einer Ladekapazität von 25.000 Containern. Zu Beginn des Jahrtausends hatten Standardfrachter noch eine Kapazität von einem Drittel davon: 8.500 TEU war vor 15 Jahren das Maß der Dinge.
Eurogate sei solide, sagte Eckelmanns Co-Geschäftsführer Michael Blach bei der Vorstellung der Bilanz. Der Umschlag sei mit mehr als 14 Millionen TEU stabil, der Umsatzrückgang um 0,6 Prozent minimal, der Überschuss mit 67 Millionen Euro auskömmlich. Bei 14 Terminals in sechs europäischen Ländern an vier Meeren lassen sich Einbußen in einem Hafen durch Zuwächse in anderen kompensieren. Und deshalb kommt Eurogate viel stabiler als andere durch die seit über einem Jahrzehnt andauernde Krise der Frachtschifffahrt.
Und so werde es auch im laufenden Jahr weitergehen, prophezeit Blach, Eckelmanns Co-Vorsitzender. Die Belegschaft mit gut 8.000 Beschäftigten international, davon 4.400 an den drei norddeutschen Standorten, wachse sogar leicht.
Allerdings geht Eurogate von Umschichtungen zu Gunsten von Wilhelmshaven aus. Hamburg und Bremerhaven machten 2018 leichte Verluste, Wilhelmshaven hingegen legte im dritten Jahr in Folge zweistellig zu: um 18,3 Prozent auf 656.000 TEU. Allerdings ist die Kapazität von 2,7 Millionen TEU noch lange nicht erreicht. Aber bei einer Million Standardcontainer sei die Rentabilitätsschwelle erreicht, sagt Blach, „und dann fangen wir an, über eine Erweiterung nachzudenken“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“