Zukunft der Bremer Jacobs University: Abwicklung im Geheimen
Von der geplanten Übergabe an ein deutsch-chinesisches Konsortium erfuhren die Lehrenden der Bremer Jacobs-Uni aus der Presse. Sie fordern Mitsprache.
„Wir wussten davon überhaupt nichts“, sagt der Mathematik-Professor Marcel Oliver der taz. Er erfuhr nach eigenem Bekunden aus den Medien von der Übernahme: „Da ist vorher überhaupt nichts durchgesickert.“ Manche an der JUB vermuten gar, dass auch die Uni-Leitung um den Präsidenten Antonio Loprieno von der Entwicklung überrascht wurde. Sie hat sich zunächst auch gar nicht öffentlich zum Ende der JUB geäußert.
Bislang sind die Pläne auch lediglich eine Absichtserklärung – doch spätestens im Sommer soll alles unter Dach und Fach sein. Was den rot-grün-roten Senat an den Plänen besonders begeistert, ist die Aussicht, dass die Einrichtung in Zukunft ohne staatliches Geld auskommen könnte. „Alles ist besser als eine Insolvenz in drei Jahren“, heißt es derweil in Uni-Kreisen. Dabei hatten die Wirtschaftssenatorin von der Linken und auch der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft in der Vergangenheit auch über eine Fusion der JUB mit der staatlichen Bremer Uni nachgedacht.
Seit ihrer Gründung vor fast 20 Jahren hat die privatwirtschaftlich organisierte JUB immer wieder Zuschüsse und Bürgschaften erhalten – insgesamt bekam sie rund 200 Millionen Euro aus der öffentlichen Hand, um weiter existieren zu können. Zuletzt kündigte die namensgebende Jacobs Stiftung an, ihre Anteile an der JUB bis Jahresende abzugeben. Künftig sollen sich Lehre und Forschung ausschließlich der Künstlichen Intelligenz widmen, die Zahl der Plätze für Studierende soll auf 3.000 verdoppelt werden.
Ende der Träume der privaten „Voll-Uni“
Auf Kritik bei den Professor*innen und Dozent*innen stößt vor allem die Beteiligung von Neusoft an dem neuen Betreiberkonsortium der Hochschule: „Da sind Konflikte vorprogrammiert“, sagt Marcel Oliver, der von der JUB fordert, diese nun auch zu thematisieren und auszutragen. Auch andere fürchten den Einfluss des chinesischen Staatsapparates auf Forschung und Lehre, von „relativ großen Vorbehalten“ ist in Gesprächen hinter den Kulissen die Rede, von einem „schillernden Ruf“ der Firma Neusoft.
Präsident Antonio Loprieno war 2019 angetreten, um zu beweisen, dass es in Deutschland eine “Mini-Volluniversität“ auch in privater Trägerschaft geben kann. Das ist nun misslungen. Wie viel davon in ein Zentrum für Künstliche Intelligenz gerettet werden kann, ist unklar. Sicher ist, dass nicht alle Wissenschaftler*innen in dem neuen Konzept Platz haben, zahlreiche Studiengänge sind hinfällig; alle Studierenden sollen ihre Ausbildung aber noch hier beenden können.
Die JUB habe „eine exzellente Reputation“, heißt es in dem Entwurf des offenen Briefes der Wissenschaftler*innen, der der taz vorliegt. „Es ist keine gute Idee“, den Gedanken an eine private Voll-Uni „ganz aufzugeben“, sagt Marcel Oliver, der einerseits auf den allgemeinen Bildungsauftrag pocht, andererseits aber auch darauf, dass die Forschung zur KI fachlich zumindest möglichst breit aufgestellt wird.
Die Wissenschaftler*innen der JUB fordern nun, dass ihre Gremien in die Neuausrichtung der Uni maßgeblich eingebunden werden. „Das ist im Grunde eine Selbstverständlichkeit“, findet Oliver. Die Rechtslage ist da aber uneindeutig – bei allen Angelegenheiten, die Forschung und Lehre berühren, müssten die Hochschullehrer*innen an einer staatlichen Uni über die absolute Stimmenmehrheit in den entsprechenden Gremien verfügen, eine ähnliche Regelung gibt es auch bei der JUB. Andererseits geht es hier ja vorrangig um geschäftliche Fragen, und die Uni ist als gemeinnützige GmbH organisiert.
An der Spitze der Jacobs-Uni zeigt man derweil nicht allzu viel Interesse an Mitsprache der Wissenschaftler*innen. Zwar würden die relevanten Gremien „selbstverständlich“ und „nach bestem Stand des Wissens über die jeweiligen Entwicklungen“ informiert, sagt der JUB-Pressesprecher eilfertig. Zu konkreten Ergebnissen werde man aber erst dann sprechen können, „wenn es seitens der verantwortlichen Gremien entsprechende Beschlüsse gibt“.
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