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Zukünftig „eine Schule für alle“100 Milliarden Euro für die Bildung

Die Linke stellte am Montag ein Eckpunktepapier für eine Reform des Bildungssystems vor. Im Mittelpunkt: keine Noten und mehr individuelle Förderung.

Gemeinsam lernen bis zur 10. Klasse so wie in anderen fortschrittlichen Ländern? Foto: Angelika Warmuth/dpa

Berlin taz | Die Partei Die Linke will das Bildungssystem umkrempeln. Unter anderem sollen Hausaufgaben, Noten und das Sitzenbleiben abgeschafft werden. Am Montagmittag stellten die Parteivorsitzende Janine Wissler und die Sprecherin für Bildung und Wissenschaft der Bundestagsfraktion, Nicole Gohlke, im Rahmen einer Pressekonferenz ein Eckpunktepapier für mehr Bildungsgerechtigkeit vor.

Dafür soll ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Das Sondervermögen solle „die Mangelwirtschaft“ des Bundes beenden und unter anderem zur Sanierung und Modernisierung der Bildungseinrichtungen beitragen.

Zentraler Punkt des Papiers ist, dass Schulen „zu Wohlfühlorten“ werden sollen. Die öffentlichen Schulen seien schlecht ausgestattet und leiden an Überlastungsproblemen. „Unsere Kinder sollten nicht in heruntergekommenen Gebäuden lernen!“, forderte Gohlke.

Gleichzeitig boome der private Sektor, wer es sich leisten kann, schickt die Kinder dorthin. Gohlke mahnte, ein Zweiklassensystem werde verfestigt. „Das Bildungssystem steht vor dem Kollaps.“ Finanzminister Lindner (FDP) warf sie vor, in dieser Situation einen „beispiellosen Kürzungshaushalt“ zu verordnen, und bemängelte leere Versprechen der Ampelkoalition.

Zudem sei das Schulsystem „pädagogisch nicht mehr zeitgemäß“, so Gohlke. Noten und Hausaufgaben in der heutigen Form sollen abgeschafft und „eine Schule für alle“ etabliert werden. Nach den Plänen der Linken sollen Kinder von der 1. bis zur 10. Klasse gemeinsam lernen.

Kein „Sitzenbleiben“ mehr

Gohlke zufolge setzte der Notendruck Kindern schon früh zu, bei schlechten Noten kämen sie sich als „Schulversager“ vor. Stattdessen soll auf mündliches und schriftliches Feedback gesetzt und vor allem die individuelle Förderung verbessert werden. Auch wenn das mehrgliedrige Schulsystem dadurch aufgelöst werden soll, werden „die Vorschläge nichts an der föderalen Struktur ändern“.

Wissler fügte hinzu, man wolle damit den Entscheidungsdruck beim Übertritt auf eine weiterführende Schule beenden. Dieser komme in der vierten Klasse viel zu früh. Außerdem würden Kinder aus ärmeren Familien oder mit Migrationshintergrund seltener eine Gymnasialempfehlung erhalten. Ein „Sitzenbleiben“ soll es ebenfalls nicht mehr geben. „Lernen sollte Spaß machen.“ Pädagogisch sei das Sitzenbleiben nicht sinnvoll, sagte Wissler, Kinder würden „beschämt und aus Freundeskreisen gerissen“.

Um bessere individuelle Förderung zu ermöglichen, müssten mehr Lehrkräfte her, die zusätzlich bürokratisch entlastet werden sollen. Beispielsweise soll der IT-Support verbindlich durch Externe abgesichert werden. Zudem sei eine Ausbildungsoffensive notwendig. Gohlke kritisierte, dass es zu wenige Lehramtsstudienplätze gebe – und Studierwillige durch NC-Beschränkungen ausgeschlossen werden.

Angesichts einer drohenden Gründung einer Partei durch die Ex-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht ist es ein erneuter Versuch der Linkspartei, mit Inhalten zu überzeugen. Auf Wagenknecht angesprochen, erlaubte sich Janine Wissler den Seitenhieb, man sollte „in Opposition zur Ampel sein und nicht zur eigenen Partei“. Bereits im August stellte die Linke ein Klimaschutz-Sofortprogramm vor, ebenfalls mit einem geplanten Volumen von 100 Milliarden Euro.

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10 Kommentare

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  • Die Linke kann in diesem Land die sinnvollsten Vorschläge machen, sie werden abgeschmettert, weil er von der Linken kommt. Leider.

    • @Narrenfell:

      Ein Miteinander ist den Parteien einfach nicht beizubringen. Es könnte ja das eigene Profil beschädigen (auch wenn man selbst kaum eines hat). Und dann wäre da noch die Gier nach alleiniger Macht ...

      Aber möglich ist ja alles, wie man an dem schwarz-braunen Sumpf sieht, der sich in unserem Land entwickelt.

      • @EDL:

        ...ja, es ist so Schade, es geht in unserer Politik so selten um " die Sache " - profilieren um jeden Preis ist angesagt...



        Leider dann aber auch noch so durchschaubar...

  • Total sinnvoll. Schade, dass die keiner wählt. Mal überlegt, einen Artikel darüber zu schreiben, warum das so ist? Warum die Mehrheit, die vom Kapitalismus am Arsch gekniffen ist, trotzdem die einzige Partei, die etwas dagegen unternehmen will, nicht wählt? Die einzige Partei, die noch unangenehme aber wichtige Fragen ins Parlament einbringt?

  • 1. Ich habe längere Zeit in Japan verbracht, wo es ein "Sitzenbleiben" nicht gibt. Man kennt dort das sog. "Achtklässler-Syndrom", was soviel bedeutet, dass (pubertätsbedingt?) in diesem Alter ein Leistungsabfall bei den Schülern zu erkennen ist. Bis zur 12. Klasse haben jedoch nahezu sämtliche Schüler selbstständig, d.h. ohne großen "pädagogischen" Aufwand Seitens der Lehrer wieder in die Spur gefunden. Die Quote von 2% an Schülern, die ohne Abschluss die Schule verlassen, spricht Bände.

    2. Es gibt in Japan auch keine mündlichen Noten. Dies wurde eingeführt, weil man erkannt hat, dass diese das Leistungsbild allein aus der Sicht eines Lehrkörpers manipulieren. Und ich erinnere mich noch sehr gut an meine eigene Schulzeit in Niedersachsen, wo die "netten" Kindern für Platitüden Spitzennoten erhielten, kritische Geister, die die Sichtweise eines Lehrers auch mal anzuzweifeln wagten mit "gerade noch ausreichend" (bei glatt guter Note in der Klausur) abgestraft wurden und SchülerInnen mit Migrationshintergrund - nun ja.... Mal so, mal anders bewertet wurden.

    3. In den meisten Ländern geht die Grundschule bis zur 6. Klasse. Ich habe noch keine Belege dafür gefunden, dass Deutschland mit seinem Sonderweg es besser macht. Besondere Erfolge dieses Systems wären mir zumindest nicht aufgefallen.

    4. Spass an der Schule. Das wird für die Unterrichtsformen der Zukunft ein immer bedeutsamerer Faktor. Wir befinden uns in einem Zeitalter des lebenslangen Lernens - ich denke, darüber bestehen keine Zweifel mehr. Wenn das Interesse am Lernen jedoch schon in der Schulzeit ge- oder gar zerstört wird, erhalten wird Menschen, die lediglich mechanisch Aufgaben so erfüllen, dass gerade noch ein positives Feedback herauskommt. Diese Arbeitnehmer können jedoch mangels Kreativität, Fähigkeit zur Planung, Verantwortungsgefühl und Selbstreflexion entweder durch jeden anderen Arbeitnehmer oder sogar zukünftig durch Roboter oder Automaten ersetzt werden.

    • @Cerberus:

      Volle Zustimmung zu Punkt 2, Gleiches gilt auch für die erstaunlicherweise bei vielen Eltern so beliebten "Kopfnoten", die das Sozialverhalten bewerten sollen.



      Punkt 3 ist so nicht korrekt, aufgrund der Länderzuständigkeit gibt es da verschiedene Modelle, einige Bundesländer treffen die Entscheidung auch später - z.B. nach der 6.Klasse.



      Auch Zustimmung zu Punkt 4, allerdings mit der Einschränkung, dass auch bei noch so viel Spass an der Schule die Bereitschaft zum Lernen immer unterschiedlich ausgeprägt sein wird. Egal, wie stark die Lust am Lernen gefördert wird, die beschriebenen Menschen, die lediglich mechanisch Aufgaben erfüllen, wird es immer geben.

  • ...grundsätzlich ist unserer Schul-/Bildungssystem in vielerlei Hinsicht nicht mehr Zeitgemäß...nicht außer Acht gelassen werden sollte, bei allen Überlegungen- wie erreichen wir es am besten - ein, für unsere Gesellschaft



    & Zukunft, akzeptables Bildungsniveau.



    Liebe Linke, dann sucht euch schonmal " Verbündete " in der Parteienlandschaft - damit euer Vorhaben kein Träumchen bleibt....

  • Vor ca 25 Jahren gabs in allen 4 Klassen meiner Oberstufe einen, der ein 1.3er Abi geschafft hat. Aufgrund dieser herrausragenden Leistung bekam er ein Stipendium.

    Vor ca 10 Jahren gabs bei der Nachbarstochter in der Klasse 9 Abinoten mit Note 1 oder besser.

    Von daher ist der Vorschlag der Linken nur folgerichtig. Bei einer voelligen Entwertung des Notenspiegels reicht auch eine Teilnahmebestaetigung vollkommen aus - dann eruebrigt sich auch ein NC.

  • Ich schlage ein mehrjähriges Unterrichtsmoratorium vor! In dieser Zeit könnten alle Beteiligten, also Schüler*innen, Lehrer*innen, Kultuspoltiker*innen und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft gemeinsam eine neue Zukunft der Schule denken, eine neue Zeit des Lernens und des Lehrens, ein inklusives, ein diverses, ein klimaneutrales Lehren und Lernen ... lasst uns diese Jahre ohne Notendruck, Lernzwang und Unterrichtsstress gemeinsam einen Aufbruch für das Neue Deutschland des Zusammen- und Miteinanderlernen wagen für eine neue Hoffnung und wahre Menschlichkeit!

    • @export:

      ...vorallem sollte auch in staatlichen Schulen endlich auf Englisch unterrichtet werden ...