Zugespitzte Coronalage in Indien: Viele offene Wunden

In Indien breitet sich das Virus weiter ungebremst aus – mit täglich globalen Höchstwerten. Probleme bereitet vor allem der Sauerstoffmangel.

EIne Hand am Ventil einer Sauerstoffflasche im indischen New Delhi

Sauerstoff – In vielen indischen Kliniken fehlt das begehrte Gut Foto: AP Photo

MUMBAI taz | Im Krematorium Bandra Ost raucht der Schornstein, heller Nebel steigt in die Luft. Die Anlage befindet sich etwas abseits in der Nähe einer der großen Stadtautobahnen Mumbais. Am Tag kommen hier im Schnitt etwa 18 bis 20 Leichname an, für die rituelle Verbrennung auf dem Scheiterhaufen. Für gläubige Hindus ist das ein wichtiges Ritual, damit ihre Liebsten später Erlösung finden.

Für den Beamten Bhaskar Gurav sind es erneut angespannte Zeiten. Die Toten, die täglich ankommen, werden immer mehr. Das Krematorium liegt unweit eines großen Corona-Feldkrankenhauses, weshalb unter den Verstorbenen viele Coronafälle sind. Die Situation im vergangenen Jahr war schlimmer, sagt Gurav, aber dieser Monat sei kein guter. Angehörigen falle es sehr schwer, die Coronaregeln einzuhalten – nur im kleinsten Kreis mit Schutzanzügen dürfen sie Abschied nehmen.

Rund 220 Leichen kamen in den letzten 30 Tagen, sagt der Friedhofsarbeiter Rajesh Makwana. Angehörige müssen derzeit mehrere Stunden für die Bestattung warten. Und schon rollt ein neuer Krankenwagen mit Covid-19-Toten an. Seitdem in Mumbai und im übrigen Bundesstaat ein Lockdown gilt, sind die Infektionen leicht gesunken, die Todesfälle aber noch nicht.

Landesweit meldeten die Behörden am Samstag einen neuen Rekordwert von mehr als 2.600 Toten binnen 24 Stunden. Auch die Zahl der Neuinfektionen erreichte mit 346.786 Fällen eine neuen globalen Höchstwert.

Besonders im Bundesstaat Maharashtra breitet sich die Virusvariante B.1.617 aus. Sie weist zwei Veränderungen auf, die sie wohl sehr viel ansteckender macht. Aber auch die Mutation aus Großbritannien B.1.1.7 hat sich in Indien verbreitet. Deutschland hat derweil angekündigt, Indien ab Sonntag als Hochinzidenz- und Virusvariantengebiet zu führen – was Ein- und Ausreisen vom Subkontinent deutlich erschwert.

Mobile Sauerstoffanlagen aus Deutschland

Indien hat gerade viele offene Wunden zu verarzten. Eine neue Sauerstoffkrise hat das Land eingeholt. Zahlreiche Krankenhäuser schlagen Alarm, da es am lebensnotwendigen Gut vielerorts mangelt. Es häufen sich Berichte, wonach Pa­ti­en­t:in­nen sterben, weil die Versorgung unterbrochen wurde oder zu niedrig war. So wie jüngst in Delhis Jaipur Golden Hospital, wo 20 Corona-Infizierte an Sauerstoffmangel starben. In Regionen wie der Hauptstadt werden Angehörige deshalb angehalten, ihren eigenen Sauerstoff zu beschaffen.

Unterdessen sollen demnächst 23 mobile Anlagen zur Sauerstoffproduktion aus Deutschland ankommen. Das indische Verteidigungsministerium verlängerte angesichts der sich zuspitzenden Lage den Einsatz von Ärz­t:in­nen aus ihrem militärischen Spezialteam AFMS, in deren Krankenhäusern COVID-19-Patienten der Sauerstoff zugutekommen soll. Auch die Stadt Mumbai versucht, in weiteren Gesundheitseinrichtungen Sauerstoffanlagen zu installieren.

Jüngst eingeführte regionale Lockdowns und Wochenendbeschränkungen ließen die Zahl der Neuinfektionen bisher nicht sinken. Bis zuletzt wurde im Bundesstaat West-Bengalen Wahlveranstaltungen abgehalten. Auch im Nachbarland Nepal ist die zweite Coronawelle angekommen. Nach den Feierlichkeiten zum nepalesischen Neujahr kommt von dort der Ruf nach Unterstützung aus Indien. Auch Kathmandu plagt die Sorge, dass bald der Sauerstoff ausgehen könnte.

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