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Zu hohe AusgabenKrankenkassen im Notfallmodus

Da muss die neue Bundesgesundheitsministerin gleich ran: Die Lage der gesetzlichen Krankenkassen spitzt sich weiter zu. Drohen noch höhere Beiträge?

Nina Warken (CDU), neue Bundesministerin für Gesundheit, sieht die gesetzliche Krankenversicherung in einer dramatischen Lage Foto: Ebrahim Noroozi/ap/dpa

Kaum im Amt, muss sich die neue Bundesgesundheitsministerin mit einem Notfall bei einer chronisch kranken Patientin beschäftigen: der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Deren finanzielle Lage verschärft sich seit Jahren, zu Jahresbeginn wurden die Krankenkassenbeiträge deutlich erhöht, um die stetig steigenden Ausgaben zu decken. Nun muss der Bund 800 Millionen Euro Bundeszuschuss vorziehen, um die Kassen vor Liquiditätsengpässen zu bewahren. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) sprach den Medien gegenüber von einer Lage, die noch dramatischer sei als angenommen.

90 Prozent der in Deutschland Krankenversicherten sind gesetzlich versichert – insgesamt rund 75 Millionen Menschen. Weil der allgemeine Beitragssatz der gesetzlichen Krankenkassen von 14,6 Prozent nicht kostendeckend ist, müssen die Kassen Zusatzbeträge erheben. Diese sind aktuell so stark angestiegen wie noch nie, rund 0,8 Prozent mehr vom Gehalt müssen Versicherte und Arbeitgeber nun für die Krankenversicherung berappen.

Hintergrund sind vor allem der (politisch und gesellschaftlich gewollte) Anstieg von Kosten bei Löhnen und Gehältern im Gesundheitsbereich sowie bei Medikamenten und anderen Sachkosten. Die Kosten für die medizinische Versorgung der Versicherten steigen entsprechend, die Einnahmen aus den Beiträgen der Versicherten halten damit nicht Schritt. Im vergangenen Jahr sind laut GKV-Spitzenverband die Ausgaben der Krankenkassen um 7,8 Prozent gestiegen, die Einnahmen jedoch nur um 5,3 Prozent. Auch die Transformationskosten für die im vergangenen Jahr beschlossene Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft soll zum Teil aus den Krankenkassenbeiträgen finanziert werden. Der GKV-Spitzenverband warnt seit Monaten davor, dass noch drastischere Beitragserhöhungen drohen könnten.

Der Koalitionsvertrag der neuen Regierung widmet sich ebenfalls der finanziellen Situation der gesetzlichen Krankenversicherung. Angekündigt ist die Einrichtung einer Kommission, die bis zum Frühjahr 2027 konkrete Maßnahmen zur Stabilisierung vorschlägt.

„Die Lösung der Finanzprobleme auf die Ergebnisse einer Reformkommission im Jahr 2027 zu schieben, verkennt den Ernst der Lage“, heißt es dazu von Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbands. Die bundesweite Vertretung der gesetzlichen Krankenkassen fordert schnellstmöglich ein Ausgabenmoratorium – also ein Aussetzen jeglicher weiterer Kostensteigerungen – „bis durch geeignete Strukturreformen Einnahmen und Ausgaben wieder in ein Gleichgewicht gebracht worden sind“.

Gesundheitsministerin Nina Warken kündigte immerhin an, schnell zu handeln, um Beitragssatzsteigerungen zum Jahresende zu vermeiden.

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7 Kommentare

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  • Bleibt die Frage, ob man neben Krankenhäusern nicht auch Kassen schließen (lassen) müsste. Vielleicht würde es ja auch Kosten sparen, wenn nicht jede Kasse alles für nahezu jeden Patienten anbieten würde.. Hier könnte der Staat ggf. auch durch differenzierte Zuschüsse gleichzeitig qualitätssteigernd und kostensenkend lenken. Ist ja bei den Klinken auch das Konzept.

  • Ein erster richtiger und gewichter Schritt wäre die Übernahme der Kosten für Grundsicherungsempfänger. Wieso sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für fremde Dritte die Kosten tragen?

    Ein weiterer Schritt wäre die Zwangsfusion der Kassen und eine Verschlankung der Bürokratie. Bei den Kassen handelt es sich doch im Wesentlichen um eine Selbst- und Eigenverwaltung und den echten Kundenservice kann zu mindestens 50 Prozent die KI übernehmen. Von 94 gesetzlichen Krankenkassen sind 93 überflüssig. Österreich kommt auch mit einer einzigen ganz gut klar.

  • Es gibt keinen einzigen Grund dafür, dass wir fast 100 KK benötigen! Wir benötigen darüber hinaus im Gesundheits- und Pflegesystem nicht mehrere Anbieter! 1 Anbieter ist vollkommen ausreichend! Auch ökologisch ist das viel sinnvoller! Das gilt ebenfalls für das Krankentransportsystem!

    Es wäre darüber hinaus sinnvoll, wenn gesunde Nahrungsmittel preisgünstiger werden als Lebensmittel mit viel Zucker, Salz, Zusatzstoffe usw.! Sportlehrer würden unser Gesundheitssystem ebenfalls entlasten! Warum wird das alles kaum bis gar nicht von Journalisten thematisiert?

  • Kann mir irgendwer mal erklären, wozu es in Deutschland 95 Gesetzliche Krankenkassen gibt, die jede Millionen teure Immobilien (Verwaltungs-und Bürohauser) besitzen und zig tausend Beschäftigte „beschäftigen".

  • Ein Schritt wäre schon einmal, dass Gesundheitsleistungen an Personen, die keine Beitragszahler sind, aus Steuern finanziert werden. Ebenso natürlich, dass solche Kosten wie die Krankenhausreform, die auch den Privatversicherten zu gute kommen, auch von denen mitfinanziert werden.

  • Die Einführung des Zusatzbeitragssatzes fand ich sehr bedauerlich, zumal vom Gesetzgeber keine Obergrenze festgelegt wurde. Als die Krankenkassenbeiträge noch von Arbeitnehmern und Arbeitgebern paritätisch getragen wurden, konnten die Arbeitgeber mit ihrer Lobby in auch ihrem eigenen Interesse dafür sorgen, dass die Krankenkassenbeiträge nicht "unangemessen" gestiegen sind. Diese Lobby haben haben gesetzlich versicherte Arbeitnehmer leider nicht.

    Vielleicht könnte auch bei den Krankenkassen/Pflegekassen, ähnlich wie bei der Rentenversicherung, geprüft werden, welche Versorgungsleistungen "eigentlich" fairerweise gesamtgesellschaftlich getragen werden sollten.

  • Zumindest die Richtung ist sehr einfach absehbar: Es wird immer mehr ältere und dafür weniger junge Menschen geben, deshalb höhere Gesundheitskosten und weniger Beitragszahler.

    Ich vermute mal, auf Dauer wird es ab der Rente nur noch Palliativmedizin auf Kasse geben... Denn sonst braucht man immer mehr Zuschüsse aus Steuern und wo soll das herkommen, wenn man auch noch die Verteidigungsausgaben verdoppeln und verdreifachen will?

    Es bleibt spannend!