Zu Besuch im Hörspielstudio: Ein halbes Auto wäre gut

In „Deadwood“ gibt es keine Gesetze, nur das Recht des Stärkeren. Auch Hörspiele haben keine Richtlinien, solange der Zuhörer mitkommt.

Cowboyklischees? „Deadwood“ benutzt Klischees der Geräusche. Bild: Imago/Xinhua

Wild Bill Hickoks ist Frauenschwarm, Revolverheld und hat Probleme beim Pinkeln. Im Hörspiel „Deadwood“, nach dem Roman von Pete Dexter, zieht er mit seinem besten Freund Charley Utter in das Städtchen „Deadwood“, um nach Gold zu schürfen.

Leonhard Koppelmann sitzt im Studio des Deutschlandfunks. Rund 200 Hörspiele produzierte der Regisseur mit der gelbgläsernen Brille bereits. „Töne neu zu montieren ist der große Spaß“, sagt Koppelmann. Pete Dexters Roman habe er jedoch nur verdichtet, die Dialoge bleiben erhalten, so Koppelmann, der die rund 600 Seiten des Deadwood-Romans zu zwei Hörspielen mit je 89 Minuten geformt hat.

Im Aufnahmeraum des Studios stehen ein Tisch, Stühle – und eine Treppe ist aufgebaut. Den Raum nutzt er für Saloonszenen, die Requisiten verwendet Koppelmann für „Deadwood“ jedoch kaum. „Oft ist es das Klischee des Geräusches, was der Zuhörer erkennt, nicht der reale Ton“, so Koppelmann.

„Deadwood“ Teil 1, Donnerstag, 3. Oktober, 18.30 Uhr und Teil 2, Sonntag 06. Oktober, 18:30 Uhr, Deutschlandradio Kultur.

Viele Szenen der Geschichte spielen in der Natur. Koppelmann hat deshalb allein 14 verschiedene Versionen von Zikaden- und Hauschreckenzirpen für unterschiedliche Tageszeiten und Landschaften aus Filmbibliotheken, die er den Dialogen untermischt.

Sand, Holz und Kiesel unter Filz

Im „reflexionsarmen Raum“ nebenan verschwinden alle Schallwellen in den dicken Filzwänden des Studios. Das Mirko nimmt nur den Klang der Stimme auf. Der Filzfußboden lässt sich zusammenlegen. Darunter liegen Sand, Holz oder Kiesel. „Ein halbes Auto würde ich mir wünschen“, sagt Koppelmann. Nicht für „Deadwood“, aber für andere Produktionen wäre das sehr sinnvoll, sagt auch der Tontechniker.

Koppelmann produziert keinen typischen Western. Ähnlich wie die Filme „Broke Back Mountain“ oder Tarantinos „Django Unchained“ bricht Koppelmann den Roman auf. Auch wenn die Geschichte im Jahr 1876 spielt, beschreibe sie die aktuelle Welt, sagt der Regisseur.

„Wir setzten die Handlung in ein exotisches Setting, um gesellschaftliche Funktionen genauer zu betrachten.“ „Deadwood“ zeigt eine frühkapitalistische Gesellschaft, die extrem ungeregelt ist. „Ich glaube, tatsächlich hat sich da wenig geändert“, so Koppelmann.

Die Frauen in „Deadwood“ verehren Wild Bill, die Männer beneiden den 39-Jährigen. Wild Bill jedoch fühlt sich alt und krank. Der Held stellt fest, wie schnell sich die Welt um ihn herum ändert, hat aber keine Möglichkeit darauf zu reagieren. „Bald gibt es Eisenbahnen, klassische Städte und die Gesellschaft wird auf der Basis der Verfassung stehen,“ analysiert Koppelmann. Die heimliche Hauptfigur sei deshalb sein Begleiter Charley Utter. Zivilisiert und feinfühlig führt er durch die Handlung, auch nach dem Tod seines Freundes Wild Bill.

20 Schauspieler sprechen

Die vielen Erzählstränge dominieren das Stück. 20 Schauspieler sprechen in „Deadwood“. Dabei wurden in der Hörspielversion schon einige Nebenfiguren ausgelassen. Schon „in dem Moment, wo drei Personen miteinander reden, müssen sie sich mit Namen ansprechen“, so Koppelmann, „damit der Zuhörer versteht, wer mit wem spricht“.

Schwierig in der Umsetzung sind zudem Actionszenen und Prügelein. Denn der Erzähler beschreibt den Vorgang oft langsamer, als die Aktion in Echtzeit passieren würde. „Das Hörspiel zeigt nicht Menschen in Bewegung, sondern Bewegung im Menschen“, sagt Koppelmann.

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