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Zschäpes Mutter im NSU-ProzessEin Polizist erinnert sich

Annerose Z. verweigert im NSU-Prozess erneut eine eigene Aussage, lässt aber die Verwertung ihrer Vernehmung durch die Polizei zu. Die ist aufschlussreich.

Hielt sie die Gelder für den NSU zusammen? Beate Zschäpe konnte schon immer gut wirtschaften, sagt ihre Mutter Foto: dpa

München afp/dpa | Im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München ist am Mittwoch erstmals eine Aussage der Mutter der Hauptangeklagten Beate Zschäpe als Beweismittel eingeführt worden. Laut der aus dem November 2011 stammenden polizeilichen Vernehmung gab es in Zschäpes Familie eine eher „linksgerichtete Weltanschauung“. Weder an der Kleidung noch an sonstigen Merkmalen will Zschäpes Mutter bei ihrer Tochter eine rechtsgerichtete Haltung erkannt haben.

Annerose Z. war selbst als Zeugin geladen. Wie bei ihrer ersten Ladung im November 2013 machte sie aber erneut von ihrem Recht Gebrauch, als Mutter die Aussage zu verweigern. Dafür gestattete sie im Gegensatz zu früher nun aber die Verwertung ihrer Vernehmung durch die Polizei. Ein an dieser Vernehmung beteiligter Polizist trug daraufhin seine Erinnerungen vor.

Demnach erkannte Annerose Z. bei den NSU-Mitgliedern Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, mit denen ihre Tochter 1998 in den Untergrund abgetaucht war, durchaus ihre rechtsgerichtete Haltung. Unter anderem erklärte sie diese demnach mit dem Tragen von Springerstiefeln.

Die Mutter beschrieb ihre Tochter in der Vernehmung als gute Schülerin. Sie sei ein „aufgeschlossenes, nettes Mädchen“ gewesen. Die Vernehmung erfolgte kurz nach dem Tod der im November 2011 mutmaßlich durch Suizid ums Leben gekommenen Komplizen Böhnhardt und Mundlos sowie der Festnahme Zschäpes.

Kompliziertes Verhältnis zwischen Mutter und Tochter

Zschäpe habe auch gewusst, was sie wolle und sei „nicht leicht zu beeinflussen gewesen“, hieß es in der Beschreibung der Mutter weiter. Die Tochter war demnach außerdem sparsam und konnte gut mit Geld umgehen. Laut Anklage im NSU-Prozess soll Zschäpe für das NSU-Trio auch das Geld verwaltet und damit dazu beigetragen haben, dass die Gruppe jahrelang im Untergrund leben konnte.

Das Verhältnis zwischen Zschäpe und ihrer Mutter gilt als schwierig. Zschäpe stammt aus einer Liaison von Annerose Z. mit einem Kommilitonen während ihres Studiums in Rumänien – persönlich lernte Zschäpe ihren im Jahr 2000 verstorbenen Vater nie kennen. Da die Mutter nach der Entbindung ihr Studium fortsetzte, wuchs Zschäpe zunächst bei ihrer Großmutter auf.

Die Mutter heiratete in den ersten Lebensjahren Zschäpes zweimal und ließ sich jeweils kurz danach wieder scheiden. Während des 13 Jahre andauernden Lebens im Untergrund will sie keinen Kontakt zu ihrer Tochter gehabt haben.

Die Bundesanwaltschaft macht Zschäpe als Mittäterin für die zehn Morde verantwortlich, die dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) angelastet werden. Außerdem ist sie als Mittäterin an den zwei dem NSU vorgeworfenen Sprengstoffanschlägen sowie mehr als einem Dutzend Überfällen angeklagt. Der seit vier Jahren laufende NSU-Prozess befindet sich in seiner Schlussphase, die Beweisaufnahme soll bald abgeschlossen werden.

Nebenkläger zweifeln an Professionalität des Gutachters

Der Freiburger Psychiater Joachim Bauer, der die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe für vermindert schuldfähig erklärt hat, gerät massiv unter Beschuss: Mehrere Nebenkläger im NSU-Prozess stellten am Mittwoch einen Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen. Bauer habe jede professionelle Distanz verloren, längst eine neutrale Position verlassen, die Befangenheit sei offenkundig, heißt es in dem Antrag, den die Rechtsanwältin Doris Dierbach vor dem Münchner Oberlandesgericht verlas. Bauer betrachte sich offenbar als „eine Art Beschützer“ der Hauptangeklagten, argumentieren die Nebenkläger.

Sie begründen den Befangenheitsantrag in erster Linie mit einer E-Mail Bauers an die Zeitung Die Welt. „Das Stereotyp, dass Frau Zschäpe das nackte Böse in einem weiblichem Körper ist, darf nicht beschädigt werden“, schrieb Bauer über den Umgang mit Zschäpe. Und weiter: „Eine Hexenverbrennung soll ja schließlich Spaß machen.“

Damit diffamiere Bauer alle Prozessbeteiligten, heißt es in dem Befangenheitsantrag. Der Psychiater sehe sich „offensichtlich als Retter“ der Hauptangeklagten vor einer „Hexenverbrennung“ – dabei habe ein Sachverständiger sein Gutachten objektiv zu erstatten.

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5 Kommentare

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  • Natürlich dient die Täterin auch als Ersatz für die Gesellschaft. Insofern handelt es sich doch um eine “Hexenverbrennung“. Auf die Anklagebank gehört die deutsche Kapitalgesellschaft. Wurde doch die Quelle des Faschismus in Deutschland und Europa niemals nachhaltig und aufklärerisch bearbeitet. Die Quelle des Faschismus und NSU ist der Nationalismus und Kapitalismus.

     

    Bei der historischen Herausbildung des Nationalstaates dient der Nationalismus und christlich-protestantische Klerikalismus zur Mobilisierung des Volkes für alle territorialen und regionalen Eroberungskriege. Dabei ging es weniger um religiöse Konflikte, als vielmehr um die gewaltsame Durchsetzung der ökonomischen Interessen des Adels, der ökonomisch herrschenden Klassen. So auch analog in der ökonomischen Weiterentwicklung und bei der Herrausbildung des Kapitalismus und der zunehmenden Eroberung des Feudalstaates durch die aufkommende Bourgeoisie. Dabei erfolgte in deutschen Regionen eine Verschmelzung des Adels mit der Bourgeoisie. Hier kam es zu keinen abschließenden gewaltsamen Bruch mit dem Adel, Klerikalismus und Großgrundbesitz. Wenn wir uns heute mit den großen alten Vermögen und feudal-kapitalistischen Eigentumsverhältnissen in Deutschland beschäftigen, so werden wir eine Reichtumsverschmelzung zwischen alten und neuen Vermögen feststellen.

     

    Kurzum: Der historische Nationalismus, Katholizismus-Protestantismus und Kapitalismus in Deutschland ist die massenwirksame Mobilisierungsquelle für Nationalismus, Rassismus-Antisemitismus und Imperialismus. Die heutigen modifizierten Faschist*innen sind stets auch eine Basis für geopolitische und ökonomische Eroberungskriege [Rohstoff- und Wirtschaftskriege].

     

    Siehe doch nur die heutige “Bundeswehr“ und Polizeiverbände im weltweiten Einsatz. Aber auch die nur an der Oberfläche schwellenden Konflikte bei der Bundeswehr. Alles doch nur Spiegelbilder der bestehenden bundesdeutschen Gesellschaft, über deren Zustand und immer noch verdeckten Wirklichkeit.

    • @Reinhold Schramm:

      Wie ein Pamphlet aus dem Soziologieseminar anno 1968 - geht´s auch eine Nummer kleiner? Und überhaupt:

      Trotz aller rechten Gewalttaten und Morde: Deutschland ist eines der friedlichsten und wohlhabendsten Länder auf der Welt mit einer niedrigen Kriminalitätsrate, guter Krankenversorgung und einem ausgeprägten sozialen Netz. Unser Land ist eine offene Zivilgesellschaft. Wenn Linke den Rechtsterroristen eine irgendwie aufgrund der Umstände nachvollziehbare Motivation bescheinigen und einer angeblich faschistischen Regierung einen Teil der Verantwortung unterstellen, dann ähneln sie nur zu sehr den Rechten, die den NSU strafmildernd z.B. die hohe Zahl an Ausländern zu Gute halten. Es gibt aber keine Rechtfertigung für Mord. Irgendwie hat man ganz links und ganz rechts einen erheblichen Knick in der Optik: für die einen sind Merkel, Steinmeier, Schäuble etc. kapitalistische Imperialisten für andere Volksverräter. Das einfachste ist, die eigene Irrelevanz und das Versagen auf die Gesellschaft zu schieben.

      • @Bulbiker:

        Entschuldigung das Sie mit der Realität in Kontakt kommen aber natürlich handeln Politiker niemals im Interesse der Bevölkerung sondern im Interesse der Banken und Konzerne. Nennt sich Interessengegensatz, vielleicht haben Sie mal davon gehört. Aber allein das Sie von einem ausgeprägten sozialen Netz schreiben zeigt das Sie wohl mit geschlossenen Augen durch die Welt gehen. Von der offenen Zivilgesellschaft ist in der Praxis auch nicht viel zu sehen. Der Knaller kommt dann zum Schluss, astreiner Sozialdarwinismus nach dem Motto wer unten ist in der Gesellschaft ist eben selbst Schuld. Die Analyse des Problems dann mit einem an den Haaren herbeigezogen Vergleich in die Naziecke drängen zu wollen schlägt dem Fass den Boden aus. Selten so viel wirklich ekligen Unfug in so wenig Zeilen gelesen aber offenbar hat in ihrem Kopf wirklich jede Form von Ignoranz und Mesnschenfeindlichkeit Platz gefunden.

         

        Was lässt sich sonst sagen: gute Analyse von Reinhold Schramm der politischen und sozialen Ursachen von Faschismus und der Verquickung von Faschismus und Kapitalismus als sich gegenseitig stützende Elemente. Bisschen weniger Fachwörter wären gut ;)

        NSU und co sind die logische Folge der aktuellen Situation und nur die Spitze des Eisbergs

      • @Bulbiker:

        Der Faschismus ist Teil der bürgerlichen Gesellschaftsordnung. Die Linken, insbesondere die Kommunisten, sie waren die entschiedensten Kämpfer*innen gegen den Kapitalfaschismus: gegen den Imperialismus, Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus! Infolge ihres ungebrochenen Antifaschismus -vor und nach 1945- wurden sie 1956 in der Bundesrepublik auch als Partei verboten und anhaltend mit Berufsverbot belegt, bis heute! Die bürgerliche Mehrheit -aus allen bürgerlichen Parteien- hat sich niemals ernsthaft mit ihren kapitalfaschistischen Wurzeln auseinandergesetzt.

      • @Bulbiker:

        Gut argumentierte Antwort. Meinen Respekt.