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Zoff in Duisburg um Armenien-ResolutionIntegrationsrat leugnet Völkermord

In Duisburg ist die Stimmung mies: Der Integrationsrat greift in einem Beschluss die Armenien-Resolution des Bundestags an. Der OB findet das inakzeptabel.

Im Rathaus (im Vordergrund) ist man über die Entscheidung des Integrationsrates wenig erbaut Foto: imago/Blickwinkel

Duisburg dpa | Mit einem Beschluss zur Armenien-Resolution hat der Duisburger Integrationsrat viel Kritik auf sich gezogen. Darin leugnet das kommunale Gremium den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich vor gut 100 Jahren. Oberbürgermeister Sören Link (SPD) forderte den Integrationsrat daraufhin auf, den Beschluss bei einer Sondersitzung am kommenden Montag zurückzunehmen.

In dem Beschluss wird Bundestagsabgeordneten mit türkischen Wurzeln „Verrat am Herkunftsland“ vorgeworfen. Einigen wird Nähe zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK unterstellt. Die Abgeordneten hätten Interessen türkischstämmiger Bürger nicht berücksichtigt. „Dies werden wir nicht vergessen, und dies wird auch Folgen haben“, heißt es wörtlich.

Anfang Juni hatte der Bundestag in einer Resolution die Verbrechen an den Armeniern durch das Osmanische Reich vor rund 100 Jahren als Völkermord klassifiziert. Die Türkei zog daraufhin ihren Botschafter aus Berlin ab, türkischstämmige Abgeordnete wurden beleidigt und bedroht.

Das Vorgehen des Duisburger Integrationsrates sei inakzeptabel, erklärte Link. Das Gremium habe keine Befugnis, solche Beschlüsse zu fassen. „Die teilweise martialische Wortwahl, die Beschimpfung und Bedrohung einzelner Mandatsträger haben in einem Gremium der Stadt Duisburg nichts zu suchen“, heißt es in einem Schreiben.

Stadtrat wird den Beschluss kassieren

Ob der Integrationsrat den Beschluss am Montag freiwillig zurückzieht, ist noch offen. Ratsmitglied Erdogan Aydin sagte etwa, dass er nicht vorhabe, einzulenken. Lediglich die Namen der genannten Bundestagsabgeordnete wolle er aus dem Beschluss streichen.

Sicher ist, dass spätestens der Stadtrat bei seiner Sitzung am Montag den Beschluss kassieren wird. Die Stadtverwaltung hatte die Entscheidung des Integrationsrats bereits rechtlich beanstandet.

Der Vorsitzende des Integrationsrats, Erkan Üstünay (SPD), fürchtet inzwischen um den Ruf des Gremiums. Dabei hätten sich viele Mitglieder bei der Abstimmung enthalten. Sie hielten den Beschluss von Anfang an für unzulässig, berichtete Üstünay.

„Diese Entwicklung ist absolut besorgniserregend“, sagte die Bochumer Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen. Die Linken-Politikerin ist in Duisburg aufgewachsen. Das Geschehen dort zeige, wie groß der Einfluss des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in der deutsch-türkischen Gemeinde in Deutschland sei, so Dagdelen.

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7 Kommentare

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  • "Darin leugnet das kommunale Gremium den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich vor gut 100 Jahren."

     

    Da hat der Bundestag aber schlampig gearbeitet! Wenn die Resolution beschlossen wurde, müsste doch zwangsläufig auch die Leugnung dieses Genozids strafbar sein - ist die Leugnung des Holocaustes schließlich auch!

  • Als ob immer alles mit Erdogan zu tun hätte (Dagdelen). Was den sog. Armeniengenozid anbelangt sind sich Türken über Parteigrenzen hinweg weitestgehend einig. Ob nun AKPler, MHPler oder CHPler oder Hardcorekemalisten (Vatan Partisi) spielt keine Rolle. Aus der Sicht betrachtet stärkt die Resolution eher Erdogan, weil selbst Erdoganhasser diesbezüglich mit ihm einer Meinung sind. Kein türkischer Präsident könnte sich hinstellen und die Resolution einfach hinnehmen. Und das, meiner Meinung nach, zu recht. Was die Nichtanerkennung (ich spreche nicht von Leugnung) anbelangt, gab der EGMR (Schweiz) Dogu Perincek recht, insofern wüsste ich nicht wie man das in Duisburg verbieten will. Abgeordnete wegen ihres Abstimmungsverhaltens zu drangsalieren ist natürlich falsch. Mich hätte vielmehr interessiert, ob sich die Abgeordneten vor der Abstimmung überhaupt je mit der Sache auseinandersetzten und fair und vorurteilsfrei beide Versionen auf Stichhaltigkeit prüften, oder einfach nur dem Zeitgeist geschuldet und dem Druck gewisser Medien entsprechend, bevor sie abstimmten. Ich denke nicht, denn mit dem Thema kann man sich Jahre beschäftigen und zuerst muss das Propagandamaterial (sowohl von Armenien als auch der Türkei) von Stichhaltigem getrennt werden. Wie auch immer, eine echte Wahrheitssuche ist, meiner Meinung nach, nicht gewollt. Ein großer Teil der Linken ist happy, als habe man ein Unrecht gebrandmarkt und damit angeblich Gerechtigkeit hergestellt, die Rechten sind happy, es den Türken gezeigt zu haben (ellibätsch). Insofern sind sich die Deutschen über Parteigrenzen hinweg auch einig. Und ja klar, alle Türken haben sich verschworen und wollen das nicht zugeben. Das könnt Ihr auch ganz gewiss beurteilen :-)

  • Unglaublich! Was sind denn das für Drohungen! Da tut der Duisburger Integrationsrat seiner und der weiteren Integration der türkischstämmigen Gemeinde absolut keinen Gefallen. Denn wenn deren Mitgliedern solches ferngesteuert martialisches Verhalten gefällt, beweisen sie damit der Öffentlichkeit nur, dass sie den Gedanken von Integration, Meinungsvielfalt, Respekt vor beweiskräftigem historischem Material und Demokratie nicht verstanden haben.

     

    Wir sind wahrhaftig nicht stolz auf unsere eigene deutsche Vergangenheit (und teilweise Gegenwart). Aber ich sehe, dass wir sie, besonders die Jungen und jungen Erwachsenen mit Würde zu tragen und zu verstehen gelernt haben. Vor allem verfügen die meisten von ihnen über gute Bildung und die Fähigkeit kritisch zu hinterfragen und nachzudenken.

     

    Es wird höchste Zeit für die ungezügelten desinformierten Schreihälse, hier ebenfalls ihre Lektion in Geschichte zu lernen, wenn auch ganz sicher nicht von denjenigen unter uns, die es ebenfalls noch nicht können, weil es ihnen nicht in ihr zu klein geratenes rechtsgestricktes Weltbild passt.

    • @noevil:

      ", Respekt vor beweiskräftigem historischem Material"

       

      Wäre es beweiskräftig, müssten Sie es nicht als beweiskräftig deklarieren. Nichts daran ist beweiskräftig. Nicht einmal die Opferzahlen. Und das ist vielfach bewiesen. Abgesehen davon wird die Sache einseitig dargestellt, das Zustandekommen dieser Eskalation im Krieg auf beiden Seiten von der Proarmenienfraktion nicht im Entferntesten nur im Ansatz fair dargestellt. Für die Türkei gibt es keinen Grund hier irgendwas in der Art "Genozid" anzuerkennen. Die Reaktionen vieler Türken ist heftig, vielfach zu heftig. Drohungen usw. sind zu verurteilen. Nur fragt sich der Türkei gemeinhin was die Deutschen überhaupt von ihnen wollen. Der Verweis auf die eigene Geschichte wie von Ihnen, ist hier fehl am Platze. Es sind zwei grundlegend verschiedene Dinge. Das geht schon damit los, dass es in der Türkei im Vorfeld keine antiarmenische Propaganda gab wie etwa in D die antisemitische. Und auch das Zustandekommen ist ein anderes, schließlich standen sich 2 Kriegsparteien gegenüber. Und Teile der Armenier waren eben Kriegspartei (Milizen). Was erwarten Sie außerdem, dass Türken sich an Ihnen ein Beispiel nehmen? Weil Sie sich als anständiger Deutscher vorkommen der sein Geschichtsschicksal trägt? Das ist zum einen albern, zum anderen hochnäßig. Mitunter würde mich interessieren, was Sie überhaupt die Türkei und Türken angehen?

    • @noevil:

      So unglaublich ist das gar nicht. Selbstkritik wird in der muslimisch-arabischen, patriarchal geprägten Kultur eben vor allem als Eingeständnis von Schwäche empfunden. In der europäischen Kultur, und besonders in Deutschland, versteht man es hingegen als Reife und Stärke. Dass da Welten aufeinander prallen und alle überrascht sind zeigt nur, dass wir von gegenseitigem Verständnis füreinander noch weit entfernt sind.

      Ich habe meine Lehren daraus gezogen. Nachdem ich für meine Kritik an der ausgeprägten Homophobie in diesen Kreisen immer wieder der Diskriminierung und Islamophobie beschuldigt wurde halte ich mich lieber zurück.

      • @karlei:

        Sie sollten sich - als Stimme der Vernunft - eben nicht zurückhalten. Wenn Türken, in der drtitten Gerneration in Deutschland sich immer noch nationalistisch als Türken sehen, dann sind es eben Türken. Interessant ist jedoch, dass der Beschluß des "Integrationsrates" ein Türken-Beschluß ist. Gibt es nur Türken in diesem "Rat"? Hat Duisburg keine anderen Migranten?