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Zerstrittene Syriza-ParteiDie neuen Realitäten

Im Parlament hat Premier Alexis Tsipras eine satte Mehrheit. Offen ist aber, ob es der zerstrittenen Syriza gelingen wird, zusammenzubleiben.

Charmant – aber bei Syriza nicht mehr so beliebt: Alexis Tsipras. Foto: dpa

BERLIN taz | Es dürfte eine kurze Zeit der Rast für den griechischen Ministerpräsidenten und Syriza-Chef Alexis Tsipras sein. Gemeinsam mit den anderen Vorsitzenden der im Parlament vertretenen nichtfaschistischen Parteien hat ihn Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos für diesen Freitag zum Mittagessen in seinen Palast eingeladen.

Der Anlass ist ausnahmsweise ein freudiger: der Sturz der Obristendiktatur vor 41 Jahren. Die Erinnerung, dass auch dunkelste Zeiten überwunden werden können, hilft Tsipras ja vielleicht bei den Verhandlungen über ein drittes Kreditprogramm, die ebenfalls am Freitag beginnen sollen.

Um kurz nach drei Uhr hatte das griechische Parlament am Donnerstagmorgen den Weg frei für die Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern gemacht. 230 von 298 anwesenden Abgeordneten stimmten für das von der EU verlangte zweite Reformpaket. Es beinhaltet zum einen eine Überarbeitung der Zivilprozessordnung.

Das Ziel ist die deutliche Beschleunigung von Gerichtsverfahren. So sollen Immobilienbesitzer, die ihre Kredite an Banken nicht mehr zurückzahlen können, schneller ihre Häuser oder Wohnungen an die Banken verlieren. Zum anderen ging es um die Überführung einer EU-Bankenrichtlinie in griechisches Recht. Danach müssen sich künftig Sparer mit Einlagen über 100.000 Euro und die Aktionäre an der Rekapitalisierung maroder Banken beteiligen.

„Schlimme Alternativen“

Vor der Abstimmung hatte Tsipras eindringlich für Zustimmung geworben. Die Abgeordneten seiner Partei rief er auf, „sich an die neuen Realitäten anzupassen“. Seine Regierung sei zu einem „schwierigen Kompromiss“ genötigt worden, „der uns zwingt, ein Programm umzusetzen, an das wir nicht glauben“. Doch es bliebe ihr nichts anderes übrig, „als es umzusetzen, weil die Alternativen schlimm wären“, sagte der linke Ministerpräsident. „Wir sind heute aufgerufen, in einem Ausnahmezustand Gesetze zu verabschieden.

Doch seine Überzeugungskraft hielt sich in den eigenen Reihen in Grenzen. Wie schon bei der Beschlussfassung über das erste Auflagenpaket vergangene Woche kam die Tsipras-Regierung auch diesmal auf keine eigene Mehrheit.

Nur dank der Zustimmung der Opposition aus konservativer Nea Dimokratia, liberaler To Potami und sozialdemokratischer Pasok passierte das Gesetzespaket das Parlament. Zwar stimmte der rechtspopulistische Syriza-Koalitionspartner Anel ebenfalls dafür. Aber neben der faschistischen Goldenen Morgenröte und der linksdogmatischen KKE votierten 31 Syriza-Abgeordnete gegen die Regierungsvorlage, fünf enthielten sich.

Einheit schützen

Immerhin gab es diesmal jedoch drei Abweichler weniger. So stimmte Exfinanzminister Yanis Varoufakis mit „Ja“. Zwar sei er weiterhin überzeugt davon, dass das mit der Eurogruppe vereinbarte dritte Memorandum „zum Scheitern verurteilt“ sei, erklärte Varoufakis sein verändertes Abstimmungsverhalten in dem griechischen The Press Project. Aber sein „Hauptziel“ sei es, Tsipras zu unterstützen, hinter dem jetzigen Finanzminister Euklides Tsakalotos zu stehen und „die Einheit der Syriza zu schützen“ .

Ob die zerstrittenen Lager innerhalb von Syriza trotz ihrer Differenzen zusammenbleiben werden, ist offen. Noch bekunden die „Drachmisten“ um Exumwelt- und Energieminister Panagiotis Lafazanis, in der Partei bleiben zu wollen – was aber daran liegen kann, dass der linke Anti-EU-Flügel noch auf innerparteiliche Mehrheiten gegen Tsipras hofft. Die Parteijugend, die von den „Drachmisten“ dominiert wird, hat bereits einen Sonderparteitag gefordert.

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1 Kommentar

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  • Meiner Meinung nach sollten die "Drachmisten" überlegen, dass sie gerade in dieser Zeit, in der es noch immer möglich erscheint, die Austeritätspolitik wenigstens in Grenzen zu weisen, nicht nur für Griechenland Verantwortung tragen, sondern darüber hinaus eben auch für die weitere Entwicklung in EU- und EURO-Europa.

     

    Sich nun abzuspalten hiesse doch, SYRIZA zu schwächen, was PODEMOS in Spanien sicher nicht unterstützen, nicht stärken würde.

     

    Die real existierende Wirklichkeit ist oft nicht so, wie man sie sich - wenn man "unter sich" ist und heiss diskutiert sowie sich auch gegenseitig verstärkt und anspornt - gerne vorstellt. Lassalle, der SPD-Gründer, sagte, dass jede politische Aktion damit beginne, zu erkennen und auszusprechen, was ist - das bedeutet keineswegs, dass die Gedanken und Vorstellungen, die Ideen und Wünsche konservativ werden müssen, es bedeutet nur, dass die Analyse bzw. Diagnose an der wirklichen tatsächlichen Realität, nicht an Wunschvorstellungen, ansetzen muss, denn ohne zutreffende Diagnose gibt's auch keine

    wirksame Therapie.

     

    "Gemeinsam sind wir stark", sollte der Leitfaden und die Orientierung sein - auch in der notwendigen Diskussion in Griechenland und ganz besonders in der SYRIZA.