Zentrum für Solarmarktforschung: Ein Hochstapler fliegt auf
Einer der führenden Solarmarktexperten Deutschlands ist unter Druck. Medien wollen zukünftig auf die Analysen von Wolfgang Hummel verzichten.
BERLIN taz | Einer der führenden deutschen Solarmarktexperten, Wolfgang Hummel vom Berliner Zentrum für Solarmarktforschung (ZSF), gerät aufgrund von taz-Recherchen unter Druck. „Bis zur weiteren Klärung der Interessenkonflikte“ werde man „auf Einschätzungen der Mitarbeiter des Zentrums verzichten“, schrieb der Leiter der ARD-Börsenredaktion, Burghard Schnödewind, der taz. Die Zeitschrift Der Aktionär will auf Zentrums-Mitarbeiter grundsätzlich nicht mehr zurückgreifen, teilte Chefredakteur Markus Horntrich mit.
Die taz hatte im März über das ZSF und seinen Gründer Hummel berichtet. Der Inhalt: Am angeblichen ZSF-Sitz in Berlin-Charlottenburg befindet sich Hummels Privatadresse statt eines Forschungszentrums, der angebliche Direktor Leonard Herbig ist ein junger Masterstudent, der sich nebenbei in einer Internetfirma ein paar Euro dazuverdient.
Hummel selbst arbeitet als kommissarischer Referatsleiter bei der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen. Dort war er auch für die Rettung der Solarfirma Solon zuständig, die schließlich scheiterte. Während Solon in der Krise steckte, redete Hummel als Zentrums-Analyst das Unternehmen schlecht, als Referatsleiter sprach er von der Hoffnung auf einen Investor.
Auch weitere Interessenkonflikte sind nicht auszuschließen: Das Zentrum arbeitet zu großen Teilen als Unternehmensberatung. Auf der ZSF-Homepage sind unter „Referenzen“ Analysen für asiatische Firmen oder Investments in Asien aufgeführt. Die Auftraggeber bleiben im Unklaren. Nachfragen nach Interessenkonflikten beantwortet das Zentrum ebenso wie alle anderen Anfragen der taz nicht.
In der Öffentlichkeit treten die ZSF-Mitarbeiter fast ausschließlich mit einer proasiatischen Position auf: Der Standort Deutschland sei zu teuer, die deutsche Solarindustrie habe besonders gegen China keine Chance. Das war auch der Tenor, als das ZSF wenige Tage nach dem taz-Bericht vom März seinen dritten Mann, Joachim Zwicky, ins Rennen schickte.
Für die Börsenredaktion der ARD und den Aktionär analysierte er am 27. März die Situation bei dem Wechselrichterhersteller SMA. Chinesische Firmen hätten inzwischen ihren Rückstand aufgeholt und seien „SMA technologisch dicht auf den Fersen“, so Zwicky. „Die Erosion der führenden Stellung von SMA wird sich fortsetzen“, sagte er der ARD-Börsenredaktion.
Auch Zwicky ist in China-Geschäfte involviert. Er ist Geschäftsführer von Zwicky Private Equity in München, die auf ihrer Homepage so wirbt: „Um die Möglichkeiten des chinesischen Marktes voll auszuschöpfen, sind strategische Partnerschaften mit chinesischen Unternehmen oder Akquisitionen zielführender als organisches Wachstum. Der Mittelstand in Deutschland nützt noch zu wenig diese Möglichkeiten.“
Die taz hatte nach dem SMA-Artikel bei ARD und Aktionär nachgefragt, wie sie das ZSF einschätzen. ARD-Börsenredaktionschef Schnödewind rechtfertigt daraufhin in einem Schreiben, dass bislang auf dessen Analysten zurückgegriffen wurde. Die Redaktion habe „keine Zweifel an der Kompetenz der Experten“ gehabt. Man habe „deren Einschätzungen mit unserem Fachwissen eingeordnet und bewertet“ und „deren Analysen so als plausibel eingestuft“.
Hummel habe „uns gegenüber deutlich gemacht, dass er sich bei Fragen über Solon in einem Interessenkonflikt befindet und sich deshalb zu Solon nicht äußern möchte“. Auch der „Kontakt“ des ZSF zu chinesischen Firmen sei offengelegt worden. „Gerade diese Offenlegungen waren für uns ein Beleg für transparenten Umgang mit möglichen Interessenkonflikten“, so Schnödewind. Zudem habe „weder Hummel noch Zwicky im engeren Sinne die Entwicklung einer Aktie interpretiert“, sondern nur „die jeweiligen Geschäftsmodelle der Unternehmen analysiert und in den Branchenzusammenhang eingeordnet“. Warum die ARD jetzt ihre Haltung verändert hat, bleibt in ihrem Schreiben unklar.
Auch der Aktionär verteidigt sich: „Auch die Marktbeobachtungen von Herrn Hummel hatten in den letzten Jahren dazu beigetragen, Privatinvestoren vor dem Absturz vieler deutscher Solaraktien zu warnen“, so Redakteur Florian Söllner. Dennoch will auch der Aktionär laut Chefredakteur Horntrich das ZSF nicht mehr zitieren.
Gänzlich unplausibel waren die ZSF-Analysen bisher nicht. Die deutsche Solarindustrie ist in der Tat vor allem von chinesischen Solarfirmen gewaltig unter Druck gesetzt worden wegen der höheren Arbeitskosten hierzulande und der umfangreichen staatlichen Mittel, die China den Solarfirmen zur Verfügung stellt.
Auffällig ist aber, dass das ZSF auch die Versuche deutscher Solarfirmen, die EU zu hohen Schutzzöllen für chinesische Solarmodule zu bewegen, für falsch erklärte: Sie seien „kurzsichtig und würden Gegenmaßnahmen provozieren“, zitierte die Süddeutsche Hummel. Gerade die Bonner Solarworld, die führend für Zölle gekämpft hatte, stand immer wieder im Fokus negativer ZSF-Analysen. Zudem ist offen, inwieweit die Prognosen auch zu einer Selffulfilling Prophecy geführt haben: inwieweit also erst übertrieben negative Analysen einen Rückzug von Anlegern bewirkt haben, der die Schwierigkeiten der Firmen dann verschärfte.
Am letzten Mittwoch nahm auch Wolfgang Hummel wieder öffentlich Stellung. Die Nachrichtenagentur dpa zitierte ihn in einem Bericht über die von Koreanern übernommene Solarfirma Q-Cells, die jetzt zunehmend auf Investitionen im Ausland statt in Deutschland setzt. Hummel lobt dies – und fügt hinzu: „Die Zukunft der Solarbranche liegt im Projektentwicklungsgeschäft“ – also nicht im Modulbau, wo die chinesischen Konzerne aktiv sind.
Nach Anfrage der taz, wie dpa mögliche Interessenkonflikte beurteilt, verschickte die Agentur eine zweite Version, in der auch die Unternehmensberatungen für Investoren durch das ZSF erwähnt wurde. Eine weitere Stellungnahme von dpa steht noch aus. Für Hummel könnte es eng werden.
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