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Zeitenwende in EuropaWer zahlt die europäische Aufrüstung?

Nach von der Leyens Ankündigung auf dem EU-Gipfel wird deutlich: Die Finanzierung ist ungeklärt.

Da muss man nochmal nachrechnen. Von der Leyen wird auf der Pressekonferenz vor allem nach den Plänen zur Aufrüstung befragt Foto: dpa

Brüssel taz | Wenige Tage nach einem historischen Gipfeltreffen zur „Wiederbewaffnung Europas“ in Brüssel kommen Zweifel an den EU-Plänen zur Aufrüstung auf. Die Finanzierung ist nicht gesichert, zudem bleibt die Begründung für den in der EU-Geschichte beispiellosen Kurswechsel vage. Dies wurde auf einer Pressekonferenz mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der EU-Behörde deutlich.

Eigentlich sollte es um die 100-Tage-Bilanz der neuen EU-Kommission gehen, die am 1. Dezember ihre Arbeit aufgenommen hatte. Doch dann kamen vor allem Fragen zum neuen Rüstungsprogramm, das die CDU-Politikerin, offenbar in Absprache mit CDU-Chef Friedrich Merz, auf dem EU-Gipfel vorgelegt hatte. Von der Leyen war um Antworten verlegen.

So blieb unklar, warum die EU jetzt in aller Eile aufrüsten müsse. Beim EU-Gipfel war dies, zumindest hinter den Kulissen, mit der neuen amerikanischen Ukrainepolitik und der mangelnden Bündnistreue von US-Präsident Donald Trump begründet worden. In den Gipfelbeschlüssen jedoch ist nur von einem „sich verändernden Umfeld“ in der Außenpolitik die Rede.

Von der Leyen wurde auch nicht deutlicher. Auf die Frage, ob die USA noch ein verlässlicher Partner seien, wich sie aus. „Natürlich sind die USA unsere Verbündeten“, erklärte sie. Das heiße aber nicht, dass es keine Differenzen gebe. Außerdem müssten die Europäer ihre „Hausaufgaben“ machen und die Rüstungsanstrengungen verstärken. Genau das fordert Trump seit Jahren.

Nur 150 Milliarden Euro sind gedeckt

Ein Wort der Kritik an Trump kam von der Leyen nicht über die Lippen. Sie setzt weiter auf die „transatlantische Zusammenarbeit“ – auch in der Rüstung. Bisher gehen 80 Prozent der europäischen Rüstungsinvestitionen in Länder außerhalb der EU – profitieren können davon vor allem die USA. Denn nur die Amerikaner haben die nötigen Kapazitäten und das erforderliche Know-how.

Ein weiteres Problem ist die Finanzierung der Rüstungspläne. Von der Leyen hatte ein Volumen von bis zu 800 Milliarden Euro angekündigt. Davon sind aber nur 150 Milliarden Euro durch ein geplantes schuldenfinanziertes EU-Instrument gedeckt, für das erst noch die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden müsste, wie die Kommissionschefin einräumte.

Der große Rest von 650 Milliarden Euro ist ein Hoffnungswert für den Fall, dass die 27 Mitgliedstaaten ihre Rüstungsausgaben um bis zu 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung erhöhen. Dafür sollen die gerade erst reformierten Schuldenregeln gelockert werden – allerdings nur für Rüstungsausgaben, nicht für Klimaschutz oder Soziales. Dort gelten die strikten Regeln weiter, so von der Leyen.

Man wandele auf einem „schmalen Grat“ zwischen Lockerung und Budgetdisziplin, sagte sie. Nach Ansicht vieler Experten wird das Geld jedoch nicht ausreichen. In Brüssel wird daher die Schaffung von Eurobonds diskutiert, um die europäische Aufrüstung und den Krieg in der Ukraine zu finanzieren. Für diese Rüstungsanleihen macht sich vor allem Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron stark – seine Staatskasse ist leer. Von der Leyen zieht jedoch nicht mit. Es sei zu früh, über neue Finanzquellen zu sprechen, sagte sie. Vor allem Deutschland steht Eurobonds bisher ablehnend gegenüber. Das letzte Wort dürfte auch hier von der Leyens Parteifreund Merz haben.

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4 Kommentare

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  • "Wer zahlt die europäische Aufrüstung?"



    Das ist doch sonnenklar: Die europäischen Bürger.



    Entweder durch Steuern (das ist etwas außer der Mode) oder durch Staatsverschuldung. Dann druckt (bzw. mausklickt, das geht noch einfacher) die EZB das benötigte Geld. Dadurch geht dann der Wert des Geldes runter, und der Bürger hat dann immer noch Geld, aber keinen Wert mehr in der Tasche.



    Trifft besonders die, die nicht in Immobilien- oder Aktienspekulation ausweichen können. Also zahlen mal wieder... die Kleinen.

  • Dann ist die zu großen Teilen ungeklärte Finanzierung also der Hauptkritikpunkt? Ansonsten natürlich wieder das dämliche „… muss seine Hausaufgaben machen.“ Dieses Mal setzen wir „Europa“ ein, vor zehn Jahren und mehr war es Griechenland. Besagte Formulierung ist eigentlich immer ein recht untrügliches Zeichen für eine autoritäre Ansage. Könnte dieses Mal aber schwieriger werden, es gibt halt 27 EU-Mitgliedsstaaten (sind die eigentlich gleichbedeutend mit „Europa“? Oder nur die EU-NATO-Staaten? Haben dort alle die gleiche Meinung?)

  • Was wären wohl die Nebeneffekte, wenn wirklich die extreme Variante mit bis zu 800 Mrd. und den Eurobonds käme? Der Euro würde gewiss an Wert verlieren, vielleicht deutlich unter die Dollarparität fallen. Importe würden teurer, die Lebenshaltungskosten würden vor allem wegen der Energiepreise wieder steigen, dies wäre ein politisches Konjunkturprogramm für AfD & Co. Für die europäische exportorientierte Industrie wäre ein schwacher Euro freilich ein Booster, allerdings würde Trump wohl nicht tatenlos zuschauen.

    • @Kohlrabi:

      Ein Anstieg der Preise durch mehr staatliches Geld wäre höchstens kurzzeitig denkbar, wenn viele Güter auf einmal bestellt werden und die Unternehmen noch Zeit brauchen, um die Herstellung hochzufahren. Es beträfe dann aber nur diese Branchen, und wenn das Angebot die Nachfrage dann bedient, normalisiert sich das wieder durch den Wettbewerb. Und da der Staat sich sein Geld, technisch gesehen, ohnehin immer selbst erzeugt über seine Zentralbank, könnte er vorübergehende Preisanstiege dort ausgleichen, wo sie ggf. Otto Normalkonsument beträfen. Ein Preisschock oder eine echte Inflation (über den gewollten 2 Prozent) hingegen ist durch mehr Geld für konkrete Wirtschaftsgüter nicht zu erwarten. Und die oft bemühten Hyperinflationen - besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern - wurden ohnehin durch Angebotsschocks wie z.B. Kriege, Embargos oder Missernten verursacht. Zwar wurde in diesen Ländern oft auch viel Geld gedruckt, jedoch immer erst nach (!) dem Eintreten der Inflation.



      Die Energiepreise könnte man als Staat in den Griff kriegen, indem man endlich mal die Erneuerbaren, das Stromnetz, Stromspeicher und Wärmepumpen mit der Bazooka förderte. Könnte, könnte Fahrradkette...