Zehnter Jahrestag der Atomkatastrophe: Lehren aus Fukushima
In Folge der Reaktorkatastrophe vor zehn Jahren hat Deutschland seinen Notfallschutz völlig neu aufgestellt. Denn Atomkraft birgt auch hier Gefahren.
Der Radius für Schutzmaßnahmen um einzelne Reaktoren wurde deutlich erweitert. Statt die Anwohner in einem Umkreis von 10 Kilometern zu evakuieren, gilt nun ein Radius von 20 Kilometern. Außerdem wurden die Bestände an Jodtabletten für Kinder, Schwangere und Ältere aufgestockt. Die Medikamente sollen die Anreicherung krebsauslösender radioaktiver Stoffe in der Schilddrüse vermeiden.
Zudem wird ein zentrales radiologisches Lagezentrum eingerichtet. Das sieht das Strahlenschutzgesetz vor. Bei überregionalen Vorfällen übernimmt das Zentrum die Koordination im Umgang mit der Krise. Dort werden beispielsweise mithilfe von Wetterdaten weitere Regionen identifiziert, die von einer Atomkatastrophe betroffen sein könnten. Auch sollen für die jeweils zuständigen Stellen in den Bundesländern Informationen und Vorhersagen übermittelt werden. „Wir schauen uns die Messwerte an, und wir schauen uns die meteorologischen Daten an“, erklärt Paulini.
Die jetzige Neuausrichtung sei allerdings nicht auf Versäumnisse in der Vergangenheit zurückzuführen, betont der Leiter der radiologischen Lageberichte, Florian Gering. Vielmehr hätte die Behörde sowohl nach dem Unfall von Tschernobyl als auch nach Fukushima gelernt. Immerhin hat das BfS auch gute Nachrichten. Durch Fukushima habe es keine Strahlenbelastung in Deutschland gegeben. Auch könnten Lebensmittel aus Japan bedenkenlos verzehrt werden.
Gewaltiger Berg radioaktiven Abfalls
Überraschungen birgt eher die Schadensbilanz rund um das Unglück dort. So sind laut BfS bisher keine Menschen an der Strahlung erkrankt oder gestorben. Für eine endgültige Bilanz ist es allerdings noch zu früh. Trotzdem sind in der Folge der Katastrophe viele Menschen gestorben: 56 kamen in der Umgebung des Reaktors nach dem Unfall ums Leben, weil sie nicht behandelt werden konnten. Über 2.000 Tote führen die Experten auf die psychische Belastung der Evakuierung aus der gewohnten Umgebung zurück. Allein gut 100 Suizide mehr als üblich wurden verzeichnet.
Aus dieser Erfahrung heraus gewinnt die Kommunikation im Krisenfall beim hiesigen Katastrophenschutz an Bedeutung. Die psychosozialen Folgen der Angst verringern sich laut Paulini bei einer guten Information über die aktuelle Sicherheitslage. Radioaktivität sei sehr angstbehaftet, da sie nicht zu schmecken oder zu spüren ist.
In Fukushima und Umgebung hat sich die Strahlenbelastung deutlich verringert. Gemessen wird praktisch nur noch das langlebige Cäsium 137. In vielen Regionen außerhalb des aktuellen Sperrgebiets entspricht die heutige Strahlenbelastung schon den natürlichen Werten. Auch in den Freiwasserzonen der Küstengewässer liegen die Werte wieder auf dem Niveau der Zeit vor dem Unfall.
Zum Abbau der Strahlung tragen auch die weitgehenden Aktivitäten zur Dekontamination bei. Häuser, Gärten, Straßen, Schulen, Kindergärten und öffentliche Parks wurden abgetragen. Regen sorgte dafür, dass Stoffe in tiefere Bodenschichten gespült wurden und an der Oberfläche keine Rolle mehr spielen. 20 Millionen Tonnen Boden wurden dafür entfernt. Nun sitzt Japan auf einem gewaltigen Berg radioaktiven Abfalls. Wo er auf Dauer gelagert werden soll, ist offen.
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