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„Zart am Limit“ auf ZDFneoPopkulturelles Mau-Mau

Mit den Worten „Ich bin das Sommerloch“ moderierte Laura Karasek die erste Folge ihrer neuen Talkshow an. Sie sollte Recht behalten.

Statt einem frischen literarischen Quartett spielte Karasek popkulturelles Mau-Mau Foto: dpa

Es war in den letzten Ausgaben des „Neo Magazin Royal“, da hat Jan Böhmermann doch noch mal bewiesen, dass er ein richtig guter Talkmaster ist. Vor der Sommerpause unterhielt sich Böhmermann geistreich, salopp und verbindlich mit dem alten Zerstörer Rezo oder Leichtathletin Gina Lückenkemper.

Als Laura Karasek als Böhmermanns Urlaubsvertretung präsentiert wurde, durfte man also hoffen, dass es mit bissfesten Interviews weitergeht. Für sechs Folgen will sie über Jungerwachsenes zwischen Insta-Feed und Kitaplatzvergabe palavern. Gäste der Premiere: Komikerin Tahnee, Schauspieler Denis Moschitto und Gesichtstattooträger MC Bogy.

Aufgezeichnet wird in einer Lounge in Frankfurt am Main, in der aus irgendeinem Grund alles lila ist: Möbel, Lichtdesign, Inserts. Begrüßung Karasek: „Es sind Temperaturen über 40, ich bin knapp unter 40“, inamüllert es vom Tresen. Weil Leute ihr oft sagen würden, sie sei „ja gar nicht so billig, wie sie aussehe“, soll es heute um Klischees gehen. Toll, dass mit Tahnee eine Comedienne zu Gast ist, die mit Mario Barth oder Dieter Nuhr arbeitet.

Stattdessen geht es ums Lesbischsein und wie bekannte Bilder (kurze Haare, aggro) ja gar nicht stimmen würden. Man ist sich auch einig, dass man sich als Feministin auch die Beinhaare trimmen dürfe, wenn man denn wolle. Gut zu wissen. Nach fünfzehn Minuten vermag es spannend zu werden: „Bogy, hast du denn mal was für den Feminismus getan?“, fragt Karasek den Rapper MC Bogy, vorbestraft und laut Vice ein „waschechter Atze“. Bogy, weltoffen: „Ist doch klar, dass man eine Frau nicht auf sein Geschlecht reduziert.“

Eher so „Riverboat“

In seinen Videos wackeln natürlich genauso viele Ärsche wie sonstwo, in seinen Songtexten wird dasselbe sexistische Gebollere vermarktet. Karasek weiß das, zitiert jetzt interrogativ in bester Alice-Schwarzer-King-Ohrgasmus-Manier alte Rapzeilen übers Abspritzen. Bogy lässt sich nicht auf den PC-Talk ein, erklärt alles mit Berliner Schnauze und „das war halt so.“

Generell dieser Typ, wie er da auf Viertel-vor-Halbmast im Sessel hängt, mehr nuschelt, als dass er redet und zusammenhanglos Kiffer-Witze in die Runde gibt: „CBD rauchen ist wie seine Schwester lecken, schmeckt richtig, ist aber falsch.“ Und beim ZDF wünscht man sich, dass Böhmi wiederkommt und die nächste Staatskrise anzettelt.

Bisschen leidtun kann einem der sehr bedächtige (und ganze Sätze bildende!) Denis Moschitto. Der Schauspieler (u.a. für Fatih Akin oder neben Anke Engelke in „Die Sendung mit dem Elefanten“) ist angeödet von Klischeemigranten im deutschen Kino: Im türkischen Wohnzimmer lägen in Filmen immer Datteln rum. Aber er weiß eben auch: „Wir Kinder von Migranten müssen einfach selbst Filme drehen, um es besser zu machen.“ Einwurf Bogy: „Boah, Chiko muss ich mir auch mal angucken, alle schwärmen davon.“

Nächste Folge

Donnerstag, 11.7.2019, 22:15 Uhr, ZDFneo (20:15 Uhr ZDF-Mediathek)

Es ist ja nicht so, dass man im öffentlich-rechtlichen Fernsehen keine starken, innovativen Talkformate ausprobiert hätte: „Roche und Böhmermann“ im ZDF, „Die Geschichte eines Abends“ im NDR oder „Durch die Nacht mit mit…“ auf Arte. Die Debutfolge von Karaseks neuer Show ist eher das popkulturelle Mau-Mau, wo man sich ein frisches literarisches Quartett gewünscht hätte. Keineswegs langweilig, aber insgesamt ein „Riverboat“, in dem Moschitto Fragen beantworten soll wie „Lahmacun oder Lasagne?“ Schlusswort Bogy: „Mit Koks aufzuhören ist einfach, hab' ich schon tausendmal gemacht.“

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4 Kommentare

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  • Mit dem Fernsehen aufhören ist auch einfach, wenn man es nicht trotzdem bezahlen müsste.

    • @APO Pluto:

      Ja, ich ärgere mich auch immer beim Shopping, dass ein Teil des Kaufpreises für Werbeproduktionen verwendet wird, die dann Deppenfernsehen ermöglichen, das ich nie gucke und überflüssig finde und doch mit jedem Einkauf gezwungenermassen mitfinanziere. Zwangsgebühren weg!

    • 9G
      970 (Profil gelöscht)
      @APO Pluto:

      Das Dilemma: will man einen Ö-Rechtlichen Rundfunk, muss er irgendwie finanziert werden. Aber was soll er dafür bieten? Nur Information, keine Unterhaltung? Wo ist die Grenze? Und was ist mit dem Bildungsauftrag?

      • @970 (Profil gelöscht):

        Das Problem ist heutzutage technisch ganz einfach zu regeln. Werbung in Zeiten von Klimawandel und Umweltzerstörung darf nicht mehr gebraucht werden um irgendetwas anderes zu finanzieren. Die Zwangsabgabe muss auch weg. Dafür muss ein reines Pay-TV her. Wo ich nur das berechnet bekomme und bezahlen muss, was ich mir auch anschaue. Technisch wie gesagt kein Problem.



        Warum hat die Politik überhaupt einen Bildungsauftrag, im dritten Jahrtausend? Heute ist das Fernsehen doch zu einer Verblödungs- und Umverteilungsmaschine von unten nach oben geworden und hat seine Daseinsberechtigung nur noch wegen der finanziellen Unterhaltung von A, B, C......... Prominenten.