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Zahlungen an Hilfswerk UNRWAGeld fließt, nur nicht nach Gaza

Das Hilfswerk UNRWA bekommt wieder Geld aus Deutschland. Die Arbeit in Gaza unterstützt Berlin aber zunächst nicht – wegen Vorwürfen Israels.

Die Not im Gazastreifen ist groß: Die britische Royal Air Force wirft Hilfsgüter über Gaza ab Foto: Leah Jones/Ministry of Defence via ap

Berlin taz | Deutschland finanziert wieder die UNRWA, zahlt aber keine Gelder für die Arbeit des Hilfswerks im Gazastreifen. Nach dem Skandal um eine mögliche Beteiligung von UNRWA-Mitarbeitenden am Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 hat die Bundesregierung nun 45 Millionen Euro bereitgestellt – für die Arbeit in vier der fünf Einsatz­gebiete der UN-Organisation: Libanon, Jordanien, Syrien und Westjordanland – nicht aber für den Gazastreifen. Hier wartet Berlin auf die Ergebnisse zweier UN-Untersuchungen, wie die Bundesregierung am Montag erklärte.

Die Zahlungen sind Teil der regelmäßigen deutschen Unterstützung für die UNRWA. Deutschland ist zusammen mit den USA der wichtigste Geld­geber für das Hilfswerk. Die UNRWA leistet Nahrungsmittelhilfe und unterhält Gesundheits- und Bildungseinrichtungen. Viele der rund 30.000 Mitarbeitenden sind als Leh­re­r*in­nen an den UN-Schulen tätig.

Anfang des Jahres hatte die Bundesregierung mitgeteilt, wie etliche andere Staaten die Finanzierung zunächst auszusetzen, nachdem Israel Vorwürfe erhoben hatte, wonach 12 Mitarbeitende am Hamas-Massaker beteiligt gewesen sein sollen. Das Wall Street Journal hatte zudem unter Berufung auf ein israelisches Geheimdienstdokument berichtet, rund 10 Prozent aller Mitarbeitenden in Gaza hätten ­Verbindungen zur Hamas oder dem Islamischen Dschihad. Damals standen allerdings ohnehin keine Zahlungen aus Deutschland an die UNRWA an.

Vorwürfe „kaum weiter belegt“

Für die Vorwürfe hat Israel bislang nur begrenzt Beweise vorgelegt. UNRWA-Chef Phi­lippe Lazzarini sagte vergangene Woche im Interview mit der Süddeutschen Zeitung: „Ich habe Mitte Januar die Namen einiger Verdächtiger mündlich von Israel erfahren. Die anderen Vorwürfe, den Inhalt angeblicher Dossiers, kenne ich nur aus den Medien.“ Zudem berichtete Der Spiegel, dass Israel die Vorwürfe auch gegenüber der Bundesregierung bislang „kaum weiter belegt“ habe.

Das Wall Street Journal schrieb, US-Geheimdienste hielten die konkreten Vorwürfe gegen einige Mitarbeiter für plausibel, nicht aber den Vorwurf, dass rund 10 Prozent der Mitarbeitenden in Gaza Terror-Verbindungen hätten. Die israelischen Dienste hätten ihr Material nicht mit den USA geteilt. Auch dass die UNRWA „komplett von der Hamas infiltriert“ sei, wie Israels Premier Benjamin Netanjahu behauptet, ist nicht belegt worden.

Kri­ti­ke­r*in­nen der UNRWA stören sich vor allem daran, dass die Zahl der registrierten palästinensischen Geflüchteten immer weiter anwächst, da die UNRWA auch Nachkommen der Menschen, die im Zuge der Staatsgründung Israels vertrieben wurden, als Flüchtlinge zählt. Dies zementiere den Israel-Palästina-Konflikt.

Während die EU und andere Staaten die Zahlungen an die UNRWA wieder aufgenommen haben, setzen die USA die Finanzierung weiter aus. Die israelische Zeitung Ha’aretz berichtete, dass ein Netzwerk hunderter falscher Social-Media-Profile gezielt US-Politiker*innen ins Visier genommen habe, um sie von der Unterstützung der ­UNRWA abzubringen.

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14 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • ‚Kri­ti­ke­r*in­nen der UNRWA stören sich vor allem daran, dass die Zahl der registrierten palästinensischen Geflüchteten immer weiter anwächst, da die UNRWA auch Nachkommen der Menschen, die im Zuge der Staatsgründung Israels vertrieben wurden, als Flüchtlinge zählt. Dies zementiere den Israel-Palästina-Konflikt.’

    Könnte mir bitte jemand erklären , was die UNRWA damit zu tun hat, dass die Menschen dort mehr Kinder bekommen als Leute sterben?

    • @EffeJoSiebenZwo:

      Hier gibts einige Infos - auch zum Flüchtlingsstatus der Nachkommen. Ist natürlich schon ein paar Jahre alt. Matthias Schmale war bis 2021 Leiter der UNWRAR.

      www.youtube.com/watch?v=f8niWF_TffM

    • @EffeJoSiebenZwo:

      Soweit ich weiß, ist es mit der UNRWA recht einzigartig, dass die Nachkommen von Flüchtlingen den Flüchtlingsstatus erben. Das ist glaub ich bei allen sonstigen Missionen beim UNHCR nicht so.

      • @Encantado:

        Das ist auch bei anderen Flüchtlingen der Fall. Sonst wären Kinder von Flüchtlingen in vielen Fällen schutzlos.

      • @Encantado:

        Danke. Hat das die UNRWA selbst entschieden (kann die das?), oder ist das das Ergebnis einer UN-Resolution?

      • @Encantado:

        Das stimmt nicht. Nach internationalem Recht und dem Grundsatz der Einheit der Familie gelten die Kinder von Flüchtlingen und ihre Nachkommen ebenfalls als Flüchtlinge, bis eine dauerhafte Lösung gefunden ist. Dieser Grundsatz gilt, wie von den Vereinten Nationen festgelegt, für alle Flüchtlinge. Sowohl UNRWA als auch der UNHCR haben auf dieser Grundlage Nachkommen als Flüchtlinge anerkannt. UNRWA gewährt gemäß der Genfer Konvention von 1951 selbst keinen Flüchtlingsstatus, sondern erbringt Dienstleistungen und Unterstützung auf der Grundlage einer Definition, die die Berechtigung zu solchen Hilfsleistungen beinhaltet.



        Nur die Generalversammlung der Vereinten Nationen kann das Mandat der UNRWA ändern und entscheiden, wen dieses Mandat adressieren soll. Damit obliegt der Generalversammlung die Festlegung, wer als palästinensischer Flüchtling gilt.

        • @Momo Bar:

          "Nach internationalem Recht und dem Grundsatz der Einheit der Familie gelten die Kinder von Flüchtlingen und ihre Nachkommen ebenfalls als Flüchtlinge..."



          Was für Rechtsgrundlagen sind das? Kann ich bei der UNO-Flüchtlingshilfe auf Anhieb nichts zu finden.



          Die Definition eines palästinensischen Flüchtlings weicht zudem deutlich von der Genfer Konvention ab, das sind nämlich Leute mit Wohnsitz zwischen '46 und '48 in Palästina - sowie die Nachkommen männlicher Flüchtlinge.



          Wenn sich diese Festlegungen geändert haben, wann und wo?



          "Nur die Generalversammlung der Vereinten Nationen kann das Mandat der UNRWA ändern und entscheiden, wen dieses Mandat adressieren soll. Damit obliegt der Generalversammlung die Festlegung, wer als palästinensischer Flüchtling gilt."



          Wenn das so ist, möchte ich behaupten, dass die obige Definition nach wie vor gültig ist. Denn dass sich die Generalversammlung in dieser Hinsicht auf irgendwas einigen kann...

          • @Encantado:

            Das finden sie sowohl im Handbuch des UNHCR und auch direkt auf den Seiten der UNRWA. Speziell bei UNRWA direkt finden sie auch alle Informationen, wer dort als Flüchtling registriert ist und wer nicht.



            Ich sehe nicht das die Definition des palestinensischen Flüchtlings in den Grundsätzen von der Definition der Genfer Flüchtlingskonvention abweicht. Das eine ist eine spezille Definition für eine spezielle Gruppe, das andere eine allgemeine Definition für alle Flüchtlinge.



            Der Grundsatz der Einheit der Familie gilt übrigens auch im deutschen Asylrecht.

  • Warum sollte sich die deutsche Regierung auch an humanitärer Hilfe beteiligen, nur weil da, wenn jetzt nichts passiert, nach konservativen Schätzungen ab April zirka 200 Menschen pro Tag verhungern werden. Ist ja nur die intensivste Hungernot seit dem zweiten Weltkrieg. Und wenn die israelische Regierung sagt da hungert keiner und es werden auch keine Hilfstransporte aufgehalten dann ist das wohl so. Das sollte unserer Regierung nun wirklich reichen um zu verstehen das man da nun wirklich nichts machen braucht.

  • Es fließt durchaus viel Geld in den Gaza Streifen.

    Es ist nicht so, dass die UNRWA alternativlos ist.

    • @KonservativBürgerlich:

      Und was wäre die Alternative? Mir scheint, dass diese Aufgab ad hoc kein anderer Akteur übernehmen könnte....

  • Manchen Mitgliedern der israelischen Regierung ist es durchaus zuzutrauen, dass dies strategisch ist. Was Ben Gvir oder Smotrich sagen ist vermutlich ernst gemeint.

    • @tomás zerolo:

      Die Vorwürfe kamen sofort auf, nachdem die derzeitige Klage bez. Völkermord als Plausibel anerkannt und zur Untersuchung freigegeben wurde.

      Weiterhin werden nur zwölf Mitarbeiter verdächtigt am 7. beteiligt gewesen zu sein.



      Zeugenaussagen gegen diese sollen auch mit zweifelhaften Methoden errungen worden sein.

      • @Jessica Blucher:

        "Weiterhin werden nur zwölf Mitarbeiter verdächtigt am 7. beteiligt gewesen zu sein."

        Das ist nicht korrekt, Israel hat kurz nach dem 7. Oktober angegeben mindestens 12 konkret zu verdächtigen (z.B. der eine der prominent gefilmt worden ist).