Zahlen zu Angriffen in Silvesternacht: Es knallte nicht nur in Neukölln

Der Bundestag diskutiert die Silvesternacht. Bundesweit aber fehlen weiter Zahlen. Und in Berlin gab es weniger Angriffe auf Einsatzkräfte als gedacht.

Mehrere Personen mit Pyrotechnik

Silvestergeballer in Deutschland, hier am Rhein in Düsseldorf Foto: David Young/dpa

BERLIN taz | Die Angriffe auf Polizei- und Rettungskräfte in der Silvesternacht beschäftigen weiter die Politik. Am Mittwoch war es der Bundestag, der sich mit dem Thema befasste. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und die Union fordern eine Strafverschärfung, wenn Einsatzkräfte bei Angriffen in „Hinterhalte“ gelockt werden. Das Problem: Bisher gibt es zu den Ausschreitungen in der Silvesternacht nur für Berlin valide Zahlen.

Diese Zahlen legte die Berliner Polizei am Mittwoch vor. Zunächst hatte sie von 145 in der Silvesternacht vorübergehend Festgenommenen berichtet – diese allerdings wegen diverser Delikte. Nun gibt es erstmals offizielle Zahlen, wie vielen der Festgenommenen Angriffe auf Einsatzkräfte vorgeworfen werden. Das sind nur noch 44 Beschuldigte, darunter eine Frau. 19 der Festgenommenen sind demnach minderjährig und 16 haben die deutsche sowie 10 eine doppelte Staatsbürgerschaft. 37 der 44 Festgenommenen sollen Po­li­zis­t:in­nen angegriffen haben, die anderen 7 sollen Feuerwehrleute attackiert haben.

Insgesamt wurden in der Nacht 126 Strafanzeigen wegen Angriffen auf Einsatzkräfte aufgenommen. Auch hier ging es meist um Attacken auf Polizisten, nämlich in 77 Fällen. In 81 Fällen geht es um Angriffe mit Böllern oder Raketen, in 15 um Schreckschusswaffen. Zudem seien 30 Einsatzfahrzeuge oder Liegenschaften beschädigt worden.

Der Schwerpunkt der Angriffe lag dabei im Stadtteil Neukölln – aber nicht nur. So betreffen laut Polizei 37 der Anzeigen Neukölln. 35 kämen aber auch aus Berlin-Mitte, 19 aus Friedrichshain-Kreuzberg, 15 aus Tempelhof-Schöneberg und 10 aus Pankow. Ein Polizeisprecher betonte gegenüber der taz, dass sich die Zahlen noch weiter verändern könnten.

Union ätzt gegen SPD – und unterstützt deren Vorstoß

Innenministerin Faeser hat auch ein bundesweites Lagebild zur Silvesternacht angekündigt. Das aber liegt bis heute nicht vor. Ein Ministeriumsvertreter verwies am Mittwoch im Innenausschuss des Bundestags hinter verschlossenen Türen nach taz-Informationen auf fehlende Zulieferungen etwa aus Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg oder Niedersachsen. Auch dort war von Vorfällen in der Silvesternacht berichtet worden. Hinweise auf ein organisiertes Vorgehen bei den Angriffen auf Einsatzkräfte sollen die Sicherheitsbehörden bisher nicht haben, hieß es.

Der Tagesspiegel hatte eine eigene Länderumfrage zur Silvesternacht durchgeführt. Demnach gab es bundesweit mindestens 282 Angriffe auf Einsatzkräfte. Auch hier aber meldeten nicht alle Länder Zahlen.

Trotz der wackligen Datengrundlage machte Faeser bereits politische Vorstöße. Zum einen nahm sie Verschärfungen für Schreckschusswaffen in ihren Gesetzentwurf zum Waffenrecht auf: Nun soll auch für den Erwerb und Besitz solcher Waffen ein Kleiner Waffenschein nötig werden, nicht nur für das „Führen“. Zum anderen fordert Faeser eine Strafverschärfung, wenn Einsatzkräfte bei Angriffen in einen „Hinterhalt“ gelockt werden, so wie es etwa Neuköllner Feuerwehrleute schilderten. Mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe soll es hierfür geben.

Beide Projekte werden indes ausgebremst. Beim Waffenrecht sieht die FDP keinen Verschärfungsbedarf – die bestehenden Gesetze sollten lieber ausgeschöpft werden. Auch bei den „Hinterhalten“ warnte die Partei vor „Symbolpolitik“ und auch die Grünen meldeten Bedenken an. Schon zuletzt sei der Strafrahmen für Angriffe auf Einsatzkräfte erhöht worden, auch Hinterhalte ließen sich hier entsprechend ahnden.

Die Union springt dagegen Faeser bei. Eine Strafverschärfung für Angriffe auf Polizei- und Rettungskräfte habe man schon in der letzten Regierung gefordert, sagte CDU-Rechtspolitiker Günter Krings der taz. Nur sei dies von der SPD ausgebremst worden. Faesers jetziger Vorstoß sei deshalb „nicht mehr als ein untauglicher Versuch einer Wahlkampfhilfe für die Berliner SPD“. Damit könne aber nicht von den Versäumnissen der Berliner Innen- und Rechtspolitik abgelenkt werden, so Krings.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.