Zahl der Asylsuchenden gestiegen: Flucht vor der Ausgrenzung
Die Zahl der Asylsuchenden aus Balkanländern ist erneut gestiegen. Flüchtlingsorganisationen vermuten, dass vor allem Roma vor schlechten Lebensbedingungen flüchten.
BERLIN dpa/taz | Der Zahl der Asylsuchenden aus Balkanländern ist im Oktober weiter gestiegen. Das teilte das Bundesinnenministerium am Freitag in Berlin mit. Flüchtlingsorganisationen vermuten, dass unter den Asylbewerbern aus Serbien und Mazedonien vor allem Roma sind, die vor schlechten Lebensbedingungen und dem nahenden Winter in ihrer Heimat fliehen. Die Grünen warnten davor, die Zahl für Populismus und Ausgrenzung zu nutzen.
Bereits im September hatte es einen deutlichen Anstieg der Asylsuchenden aus den balkanländern gegeben. Im Oktober ging es nun noch einmal nach oben: Fast 2.700 Menschen kamen aus Serbien und etwa 1.300 aus Mazedonien, um in Deutschland um Asyl zu bitten. Aus dem Kosovo (344) und Bosnien und Herzegowina (630) kamen doppelt beziehungsweise drei Mal so viele Menschen wie noch im September.
Die Asylbewerberzahl ging dadurch insgesamt deutlich nach oben: Im Oktober stellten 9950 Menschen in Deutschland einen Asylantrag. Damit haben im bisherigen Jahr - mit rund 50 000 Menschen - bereits mehr Personen einen Asylantrag gestellt als gesamten Vorjahr (rund 46.000). Rund 500 Menschen erkannten die Behörden im Oktober als Flüchtlinge an.
Innenminister Hans-Peter Friedrich drohte erneut Asylsuchende aus den Ländern schlechter zu behandeln. Jenen, die nicht aus Krisenstaaten kommen, wolle er weniger Geld bar auszahlen lassen. Außerdem drohte er der serbischen und mazedonischen Regierungen damit, die Visapflicht für die Länder wieder einzuführen. „Ich bin dafür, dass wir vor allem den Menschen in ihren Ländern helfen“, sagte der CSU-Politiker im SWR.
Der Grünen-Fraktionsvize Josef Winkler beklagte eine Verkürzung der Debatte auf den verstärkten Zuzug von Roma. „Die gestiegene Zahl der Asylbewerber aus Serbien und Mazedonien darf nicht für innenpolitischen Populismus missbraucht werden“, mahnte er. „Tatsächlich deutet sie vor allem auf die Ausgrenzung der dortigen Minderheiten hin.“ Statt über eine Wiedereinführung der Visapflicht zu diskutieren, müsse über Wege beraten werden, um die Situation der Roma in ihrer Heimat zu verbessern.
Die aktuellen Zahlen sind weit entfernt von dem Flüchtlingsansturm, den Deutschland in den 90er Jahren erlebte: Im Rekordjahr 1992 wurden mehr als 400.000 Asylsuchende gezählt. Seitdem ist die Zahl drastisch geschrumpft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!