Weniger Asylsuchende aus dem Balkan: Roma müssen draußen bleiben

Die Zahl der Asylsuchenden aus dem Balkan ist stark gesunken. Für das Innenministerium ist das ein Erfolg. Pro Asyl warnt vor „gewissenlosen“ Abschiebungen.

Vorauseilender Gehorsam? In Serbien gibt es strengere Grenzkontrollen Bild: dapd

BERLIN taz | Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat sein Ziel erreicht: Im Herbst hatte er verkündet, „den massiven Zustrom serbischer und mazedonischer Staatsangehöriger“ nach Deutschland stoppen zu wollen. Damals, im Oktober, beantragten 2.673 Serben erstmals in Deutschland Asyl. Kurz zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Asylbewerbern mehr Geld zusteht.

Die meisten Flüchtlinge aus dem westlichen Balkan hat Friedrich jetzt offenbar am Einreisen gehindert – zumindest vorerst. Im Dezember registrierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nur noch 302 serbische Asylbewerber. Auch der erwartete Ansturm aus Mazedonien, Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo brach ab.

Dass die Zahl der Flüchtlinge alljährlich im Dezember sinkt, ist nichts Neues. Es sind vor allem Roma, die spätestens im Herbst in Richtung EU reisen. Rechtzeitig vor den kalten Monaten wollen sie ihren Lebensbedingungen entfliehen. Im vergangenen Dezember kamen aber so wenige Asylbewerber wie seit Jahren nicht – und das trotz Rekordzahlen im Oktober.

Warum sich zum Jahresende 2012 weniger Menschen auf den Weg machten? „Insbesondere wegen der vorrangigen und zügigen Bearbeitung der Anträge“, sagte Friedrich, als er die Zahlen kürzlich vorstellte. Seit Oktober waren die Mitarbeiter des BAMF angehalten, Akten von Serben, Mazedoniern und Bosniern vor allen anderen abzuarbeiten. Als politisch verfolgt erkannten sie keinen Einzigen an. Auf dem Balkan hat sich das vermutlich herumgesprochen.

„Die lückenlosen Abschiebungen zeugen von Gewissenlosigkeit“, sagt Bernd Mesovic von Pro Asyl. „Der Innenminister hat das Amt wohl angewiesen, alle Leute abzulehnen.“ Mesovic berichtet von einer Roma-Frau, die in Serbien von Rechtsradikalen angegriffen worden sei. Die serbische Polizei habe ihr nicht geholfen. Trotzdem habe das deutsche Bundesamt ihren Asylantrag abgelehnt.

„Keine Weisung von oben“

Das Innenministerium weist die Vorwürfe zurück. „Jeder Antrag ist eine Einzelfallentscheidung“, sagt Sprecher Hendrik Lörges. „Es gibt natürlich keine Weisung von oben.“ Auf EU-Ebene will das Ministerium an einer Forderung aus dem Oktober festhalten. „In bestimmten Fällen sollte es möglich sein, die Visumfreiheit für einzelne Länder auszusetzen“, sagt Lörges. Für die betroffenen Balkanstaaten wäre das schmerzhaft.

Als 2009 die Visumpflicht fiel, feierte die Bevölkerung mit Feuerwerk und Konzerten. Die Schlangen vor den EU-Botschaften in Belgrad, Skopje und Sarajevo verschwanden. Arbeitsgenehmigungen erhalten die Bewohner in der EU zwar nur in Ausnahmefällen, doch viele finden trotzdem Wege, im Ausland Geld zu verdienen.

Den Regierungen liegt viel daran, die Visumfreiheit zu erhalten. Schon vor fast zwei Jahren verschärfte die serbische Polizei deshalb die Grenzkontrollen. Wer im Verdacht steht, in der EU missbräuchlich Asyl beantragen zu wollen, darf das Land oft nicht verlassen. Seit den jüngsten Drohungen, die Visumfreiheit einzuschränken, wird noch strenger kontrolliert. „Wenn eine Roma-Familie mit sechs Personen im Bus sitzt, wird sie nach dem Zweck der Reise gefragt. Hat sie kein Rückreiseticket, muss sie den Bus verlassen“, sagt Kenan Emini, Vereinsvorsitzender des Roma Center Göttingen.

Strafe für „falsche Bewerber“?

Laut dem serbischen Auslandsradio plant die serbische Regierung noch striktere Maßnahmen. Das Justizministerium wolle „falsche Asylbewerbungen“ serbischer Staatsbürger im Ausland unter Strafe stellen. Dies könnte noch mehr Serben davon abhalten, in Deutschland Asyl zu suchen.

Damit wäre das BAMF entlastet. Weil die Asylanträge aus den Balkanstaaten im Dezember abnahmen, wurde auch das Pensum der Beamten geringer. Jetzt arbeiten sie die zuletzt liegen gebliebenen Akten ab. Von Antragstellern aus Syrien, Afghanistan und anderen Ländern.

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