ZSK und Charité-Virologe gegen „Bild“: Christian Drosten reanimiert Punk
Die Punkband ZSK hat Drosten ihre Single „Ich hab Besseres zu tun“ geschenkt. Sogar einen Gastauftritt soll es geben. Der „Bild“-Zeitung missfällt das.
Komisch: Normalerweise berichtet Bild über jeden Pups einer halbwegs prominenten Person. So etwa auch Dienstagvormittag, Stand 11 Uhr: Auf der Startseite von bild.de finden sich prominent platzierte Geschichten über das packende Beach-Ball-Spiel von Izabel Goulart und dem Eintracht-Frankfurt-Torhüter Kevin Trapp beim Strandurlaub („Izabel hält Kevin ganz schön auf Trapp“), über den seelischen Zustand des Rappers Kanye West („Kanye West dreht auf Twitter durch: ‚Kim wollte mich einweisen lassen!‘“) und die übliche Meldung über Laura Müller und den Wendler („Die Wahrheit über die Hochzeit“).
Ja, man muss nicht einmal sonderlich prominent sein, damit die Bild berichtet. Das zeigt eine weitere exemplarische Meldung am Dienstagvormittag: „Pärchen treibt's auf dem Schulhof: Welches Unterrichtsfach ist das denn? (Video)“.
Umso lauter ist das Schweigen um die wirklich relevante Klatsch-und-Tratsch-Meldung der vergangenen Tage: Deutschlands Chefvirologe Christian Drosten macht ein Feature mit der Berliner Punkband ZSK! Auf einem Konzert! Vermutlich nächstes Jahr! Und wenn Deutschlands Poster-Boy der Virologie bei einem Punkkonzert Gitarre spielt und womöglich noch durch ein Moshpit pogt, ist die Pandemie ja wohl endgültig vorbei! Und Bild berichtet nicht! Wie kann das sein?
Nun, anzunehmen ist wohl, dass die Bild nach einer, nun ja, eher unwissenschaftlichen Berichterstattung zum Pre-Print einer Charité-Studie immer noch sauer ist auf den Chefvirologen. Denn Drosten setzte sich noch vor Veröffentlichung der Schmierenkampagne dagegen zur Wehr: Er hatte eine Anfrage der Bild inklusive viel zu kurzer Deadline für eine Antwort veröffentlicht – nebst dem Kommentar „Ich habe Besseres zu tun“. Danach gab es viel Solidarität und Beistand von allen Seiten. Unter anderem auch von der Punk-Band ZSK, die sich daraufhin „in einer Bierlaune“ entschieden habe, einen Drosten-Song zu schreiben.
Empfohlener externer Inhalt
Der Song ist mittlerweile erschienen nebst einem Video in Super-Mario-Stil: In dem hüpft Christian Drosten im weißen Kittel durchs Bild und zerschießt Coronaviren mit Laserstrahlen aus den Augen. Nichts kann ihn dabei aufhalten: Weder Falschzitate im Spiegel noch tendenziöse Bild-Anfragen. Ja, er stampft sogar nebenbei noch im Jump-and-run-Stil Xavier Naidoo, Attila Hildmann und sonstige Aluhutträger ein. Titel und Refrain der Single: „Ich habe Besseres zu tun“.
Drosten hielt das für eine „tolle Aktion“ und freute sich sehr. Er traf sich sogar während seines Urlaubs mit ZSK und ließ sich die Single auf Vinyl schenken. Mit einem breiten Grinsen posiert er für die „Ich habe Besseres zu tun“-Single und gibt bekannt, dass er den Song gerne auf Gitarre spielen wolle, wenn all dies vorbei ist. Gemeint waren damit natürlich auch die Pandemie und wohl auch dieser ganze Rummel um seine Person.
Empfohlener externer Inhalt
Noch schöner aber als das breite Grinsen von Drosten bei der Geschenkübergabe ist nur die Vorstellung, dass mittlerweile mehrere Bild-Redakteur:innen für ein besonderes Rechercheprojekt abgestellt sein dürften. Nämlich um sich durch die gesamte Diskografie von ZSK zu hören, um Drosten demnächst linksextremistische Bestrebungen („Warum schenkt ihr uns kein Bier? Punkverrat, Punkverrat!“) zu unterstellen.
Die Story muss dann spätestens bis zum 8. Mai 2021 stehen. Dann soll nämlich das nächste Konzert der Band stattfinden. Und wenn Punk bis dahin tatsächlich tot sein sollte – kommt Christian Drosten und reanimiert ihn.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis