Wolfsburg unterliegt Hannover: Ganz nett reicht nicht
Hannover 96 hat das schnelle Konterspiel wiederentdeckt und feiert den ersten Auswärtssieg der Saison. Und das beim Champions-League-Aspiranten Wolfsburg.
WOLFSBURG taz | Bei der Betrachtung von Tayfun Korkuts erstem Spiel als Cheftrainer von Hannover 96 fühlt man sich an einen Satz des Hannoveraner Bundeskanzlers Gerhard Schröder erinnert, der beim Amtsantritt gesagt hatte, man werde nicht alles anders, aber vieles besser machen. Ungefähr so agierte 96 zum Rückrundenauftakt beim überraschenden 3:1 in Wolfsburg. Eben nicht mit dem von Korkut angekündigten „Systemwechsel“, sondern mit einfachem Konterfußball.
Der Unterschied zur Spätphase von Vorgänger Mirko Slomka bestand darin, dass die Abwehr stabil stand und die Konter mit klinischer Präzision gespielt wurden. Der just vom Hamburger SV ausgeliehene Artjoms Rudnevs (29.) und Leonardo Bittencourt (50./72.) trafen für 96, Ivica Olic (35.) gelang der zwischenzeitliche Ausgleich für den VfL.
Korkut sah nach seinem ersten Bundesligaspiel glücklich, aber auch ziemlich erledigt aus. Naja, sagte er auf die Frage, wo denn der angekündigte Ballbesitzfußball abgeblieben sei: „Das ist nicht so einfach.“ Ihm war wichtiger, dass sein Team „defensiv stabil“ war. Dafür hatte er mit zwei tiefstehenden und gut organisierten Viererketten gesorgt, die Wolfsburgs Ballbesitzstafetten in die Breite zwar gestatteten, aber in die Tiefe so gut wie gar nicht.
Mirko Slomka hatte Hannover 96 ja die erfolgreichsten Bundesligajahre überhaupt beschert, war dann kurz nach Weihnachten wegen einer Misserfolgsphase und desaströser Auswärtsbilanz (0 Punkte) von Klubchef Martin Kind entlassen worden. Nachfolger Tayfun Korkut, 39, ist ein Schwabe mit türkischem Pass und gehört zu der DFB-Abschlussklasse von 2011, aus der nun schon fünf Bundesligatrainer hervorgegangen sind.
Auch Korkut profitiert vom Liga-Trend, statt einem der üblichen Verdächtigen einem neuen Mann zu vertrauen, der bei der Bewerbung durch Know-how überzeugt. Ob es mit Hannover nun verlässlich aufwärts geht, ist nach dem ersten Spiel nicht zu sagen. Tabellarisch hat man Anschluss zum Mittelfeld. Damit hat der zur Aufregung neigende Standort und damit Korkut zumindest ein, zwei Wochen Ruhe.
Was den VfL Wolfsburg angeht, so hat sich die Konkurrenz nach einer guten Vorrunde und der Winter-Verpflichtung des sehr teuren Kevin de Bruyne (Chelsea) bemüht, die VW-Tochter als zwangsläufigen Champions-Leagisten auszurufen. Aber auch wenn de Bruyne beim Debüt nicht viel mehr als mitspielte (auf Rechtsaußen), schwächer ist der Kader mit ihm sicher nicht.
Man kann auch nicht sagen, dass die Wölfe fahrlässig gewesen wären. Aber da waren eben drei Fehler, zwei von Medojevic, einer von Diego, die gnadenlos bestraft wurden, weil 96 sein Konterspiel aus der erfolgreichen Slomka-Zeit an diesem Tag wiederentdeckt hatte. Zweimal Diouf und einmal Huszti spielten drei perfekte Bälle durch die Schnittstellen der VfL-Abwehr.
Wolfsburg ließ Ball und Gegner laufen, aber alles führte zu nichts. Es war wie ein Motor im Leerlauf. „Ganz nette Spielzüge“, hatte VfL-Trainer Dieter Hecking gesehen, mehr aber auch nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!