Wohnungspolitik in Berlin: Sozialwohnungen auch für Reiche
Der rot-schwarze Senat lässt Besserverdienende in Sozialwohnungen wohnen – wegen der sozialen Mischung.
Der Senat denkt trotz viel zitierter Wohnungsnot nicht daran, die landesweit 143.000 Sozialwohnungen nur an Geringverdiener zu vergeben. Derzeit ist bloß die Hälfte dieser günstigen Wohnungen mit einem Quadratmeterpreis von 5,48 Euro für Geringverdiener reserviert. In die andere Hälfte können hingegen auch Reiche einziehen. Genauso wenig will der Senat laut Stadtentwicklungsstaatssekretär Ephraim Gothe (SPD die frühere Fehlbelegungsabgabe wieder beleben. Er begrüßte vielmehr eine soziale Mischung.
Sozialwohnungen entstehen mit staatlicher Förderung und dürfen im Gegenzug eine Maximalmiete nicht überschreiten. Der Grundidee nach sollten sie jenen zugute kommen, die auf dem freien Wohnungsmarkt zu kurz kommen. Diese Bedürftigkeit bestätigt ein Wohnberechtigungsschein, kurz WBS.
Die Einkommensgrenzen dafür sind zwar bundesweit festgelegt, die Länder können sie aber verändern. In Berlin etwa liegen sie seit 2002 um 40 Prozent höher als bundesweit. Der Senat beschloss am Dienstag, daran festzuhalten. So erhält einen WBS, wer maximal 16.800 Euro netto im Jahr verdient oder 31.640 Euro als Paar mit Kind. Nach Senatsangaben bleiben 55 Prozent der rund zwei Millionen Berliner Haushalte unter diesen Grenzen. Der WBS ist aber nur bei rund 70.000 der über 140.000 Sozialwohnungen nötig. Kontrolliert wird das Einkommen zudem nur einmalig beim Einzug.
Staatssekretär Gothe mochte keinen Widerspruch zwischen diesem Vorgehen und dem vor allem von SPD, Grünen und Linken immer wieder vorgetragenen dringenden Bedarf an „bezahlbarem Wohnraum“ sehen. Den Besserverdienern zu kündigen, kommt für ihn nicht infrage. „Da kämen wir in eine ziemlich schräge Diskussion“, sagte er. Man wolle schließlich nicht, dass Viertel entstehen, in denen Geringverdiener zusammengepfercht seien. Auch eine Fehlbelegungsabgabe brächte für Gothe die Gefahr mit sich, dass diejenigen, die sie zahlen müssten, dann gleich in eine teurere Wohnung wegzögen und so die soziale Mischung gefährdeten.
Leser*innenkommentare
Gast123
Gast
Wird das Einkommen von Nutzern des WBS nicht regelmäßig alle 3 Jahre kontrolliert? Einkommensbescheinigung § 9 Abs. 2 WoFG
Martin K.
Gast
Dazu hat die Mietergemeinschaft Kotti & Co schon vor einiger Zeit sich geäussert: http://kottiundco.net/2013/09/18/sozialer-zusammenhalt-durch-steigende-mieten/
Und eine Veranstaltung zur "sozialen Mischung" haben Sie auch schon letztes Jahr abgehalten - sehr sehenswert: http://kottiundco.net/2012/10/30/video-mieten-mischung-mehrwert/
arunto
Die Überlegungen zur sozialen Mischung von Wohngebieten sind nicht ganz von der Hand zu weisen, allerdings zeigt sich dann primär ein Versäumnis der Vergangenheit: Wenn man früher ganze Viertel mit Sozialwohnungen gebaut hat, bleibt heute nur noch die Wahl zwischen Pest (Wohnungen werden den besonders bedürftigen vorenthalten) und Cholera (soziale Entmischung durch konsequentes Vorgehen gegen Fehlbelegung).
Der langfristig richtige Weg wären Wohngebiete mit entsprechend gemischter Bebauung für verschiedene Einkommensgruppen.
warum soll ich mit den armen teilen?
Gast
Von wegen "arm aber sexy" zunehmend "vermögend und asozial"! Ganz zu Schweigen von den Sozialwohnungen die als Ferienwohnungen zu Hotelpreisen "untervermietet" werden während die offiziellen Mieter sich anderswo Luxuswohnungen leisten...