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Wohnungsbau in DeutschlandTempo, Tempo, Tempo

Die Bundesregierung beschließt den „Wohnungsbau-Turbo“ – schneller und einfacher soll gebaut werden. Doch entstehen so auch bezahlbare Wohnungen?

Lars Dormeyer, Lars Klingbeil, Verena Hubertz und der Berliner Bausenator Christian Gaebler (alle SPD) am Mittwoch in Berlin-Mitte Foto: Christian Mang/reuters

Berlin taz | Noch sind nur erste Betonwände hinter Gerüsten zu sehen, über denen riesige Baukräne schweben. Hier in Berlin-Mitte, wo vorher mal ein Parkplatz mit einigen Bäumen stand, möchte die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft WBM neu bauen – zwischen einer vielbefahrenen Straße und einem bestehenden Häuserriegel.

Nachverdichtung nennt sich das. Unter anderem sollen 102 neue Wohnungen entstehen, 40 davon mit Anfangsmieten von 6,90 Euro pro Quadratmeter. Das ist kein kleines Versprechen in einer Stadt wie Berlin. In den 14 größten Städten sind die Angebotsmieten seit 2015 trotz Mietpreisbremse um 50 Prozent gestiegen – das hat die linke Bundestagsabgeordnete Caren Lay von der Bundesregierung kürzlich erfragt.

Aber an diesem Mittwoch im Juni geht es nicht um steigende Mieten, sondern ums schnelle Bauen, damit möchte die Bundesregierung die Wohnungsnot bekämpfen. Und dafür müssen in Berlin-Mitte erst mal die Bau­ar­bei­te­r*in­nen mit ihren Bauhelmen zur Seite weichen. Die neue Bauministerin Verena Hubertz (SPD) tritt energisch ans Mikrofon und verkündet gut gelaunt: „Wir kommen gerade aus dem Bundeskabinett und zünden heute den Bauturbo.“

Jetzt, mit dem neuen Gesetzentwurf zur Beschleunigung des Wohnungsbaus, den das Kabinett beschlossen hat, soll alles besser werden. Städte und Gemeinden sollen die Möglichkeit haben, Genehmigungsverfahren zu straffen, indem sie von Bebauungsplänen abweichen können – sie können sogar ganz darauf verzichten. Die neue Regelung ist bis Ende 2030 befristet. Ein Bebauungsplan könne in einer durchschnittlichen Großstadt 5 Jahre dauern, erklärt Hubertz, „Wir werden aus den 5 Jahren 2 Monate machen.“

Zahlen nennt Hubertz nicht – offenbar aus Erfahrung

Ein paar Voraussetzungen für das schnelle Bauen gibt es aber schon: Eine Abweichung soll mit den Interessen der Allgemeinheit vereinbar sein und es soll neuer Wohnraum entstehen, durch Neubau oder Erweiterungen. Das Ganze gelte auch für Kitas, Schulen oder Theater, betont Hubertz. Und der Gesetzentwurf enthält weitere Regelungen: Das Aufstocken und Umbauen soll leichter werden. Auch der Umwandlungsschutz soll um fünf Jahre verlängert werden – damit soll in angespannten Wohnungsmärkten die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verhindert werden. Das soll Mie­te­r*in­nen besser vor Verdrängung schützen. Im Herbst sollen die Regelungen in Kraft treten.

Auf eine konkrete Zahl, wie viele Wohnungen gebaut werden sollen, verzichtet die neue Bauministerin – offenbar aus schmerzlicher Erfahrung. Die Vorgängerregierung hatte noch 400.000 neue Wohnungen pro Jahr versprochen und war kläglich daran gescheitert. Was auch an hohen Zinsen, Lieferengpässen und hohen Energie- und Materialpreisen lag. Laut Statistischem Bundesamt wurden 2024 nur rund 251.900 neue Wohnungen fertig, 2023 waren es etwa 294.400. Der tatsächliche Bedarf wird viel höher eingeschätzt.

Foto: Statista

Es mache keinen Sinn, eine Zahl „für vier Jahre in Stein zu meißeln“, sagt Hubertz auf Nachfrage. Aber man könne sie aber daran messen, wie sich Bauzeiten entwickeln oder Baukosten, die sie halbieren will. Es brauche jetzt „Tempo, Tempo, Tempo“. Man müsse bauen und vereinfachen, Ländergesetze harmonisieren. „Copy, paste, einfach machen.“ Die Menschen würden es nicht verstehen, wenn sich der Brandschutz an der Postleitzahlgrenze ändere. Am liebsten wäre Hubertz serielles Bauen mit Holz.

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) kündigt an, in der kommenden Woche dem Kabinett den Haushaltsentwurf für dieses Jahr und die Einrichtung des Sondervermögens von 500 Milliarden Euro vorzulegen. Damit würden „Spielräume“ geschaffen, „dass in unserem Land mehr gebaut wird“. Die Menschen müssten spüren, „dass sich etwas verändert“.

Die Opposition ist weniger begeistert

Auch der baupolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jan-Marco Luczak, der nicht vor Ort war, begrüßte die Baunovelle. „Das Problem steigender Mieten lasse sich nicht durch „mehr Regulierung, sondern nur durch mehr Wohnungsbau“ lösen.

Doch in der Opposition hält sich die Begeisterung in Grenzen. „Wir bekommen leider keinen Bauturbo, sondern einen Teuerturbo“, sagt der baupolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Kassem Taher Saleh. Man müsste sicherstellen, „dass keine Luxusapartments oder Villen auf der grünen Wiese gebaut werden“. Doch entsprechende Vorgaben fehlten. „Stattdessen werden Vorschriften aufgeweicht, die Bodenspekulation anheizen, Umweltstandards aushebeln und Beteiligungsprozesse zurückdrängen“.

Ähnlich sieht das Katalin Gennburg, Sprecherin für Bauen der Linkenfraktion im Bundestag. „Neubau ohne Plan“ könnte die Wohnungsnot verschärfen, fürchtet sie. Die Bundesregierung lege „die Axt an das Planungsrecht, obwohl bundesweit 900.000 genehmigte Wohnungen gebaut werden könnten und zunehmender Leerstand die Kommunen vor erhebliche Probleme“ stelle.

Auch der Verein Architects for future bezweifelt, dass mit dem Bauturbo „nachhaltige und sozial tragfähige Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit erreicht werden können“. Es bräuchte gesetzgeberische Schritte, um klimagerechtes Bauen zu fördern, etwa durch Bauen im Bestand sowie eine Stärkung einer gemeinwohlorientierten Bodenpolitik.

Der Deutsche Mieterbund begrüßt zwar die Novelle, ist aber nicht ganz zufrieden. Der Bauturbo garantiere nicht, „dass bezahlbare Mietwohnungen entstehen, sondern im Gegenteil“, erklärte die Bundesdirektorin des Deutschen Mieterbundes (DMB), Melanie Weber-Moritz. Der Entwurf trage „in seiner jetzigen Fassung dazu bei, Schutzinstrumente für Mieterinnen und Mieter in angespannten Wohnungsmärkten in Milieuschutzgebieten auszuhebeln“.

Skeptisch sind auch An­woh­ne­r*in­nen in Berlin, die neben der Baustelle wohnen. „Für mich ist das alles eine große Belastung“, sagt eine Rentnerin, die hier seit 27 Jahren wohnt. Sie habe nichts gegen neue Wohnungen. Aber sie leide sehr unter dem Baulärm und kriege keine Mietminderung. Vor dem Baubeginn habe es noch eine Erhöhung gegeben. Sonst liege hier auch viel mehr Baumüll herum, klagt sie, nur heute sehe alles „wie geleckt aus“.

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8 Kommentare

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  • Mehr Wohnungen = Die Lösung



    Das stimmt leider nicht. Auch Sozialwohnungen werden unterbelegt, in dem ganz einfach Kinder zum Beispiel ausziehen, Ehen getrennt, geschieden werden.



    Was in jedem Fall ein Problem ist, sind die Eigentumswohnungen, die Spekulationen und Investitionen im Wohnungswesen. Kurz: Lösungen existieren momentan nicht wirklich. Das hier wird auch nicht zu einer echten Lösung. Gerade die Verkäuflichkeit von Mietwohnungen stellt ein großes Problem dar, weil damit immer Menschen sich Wohnraum kaufen können, andere aber nicht, bzw. andere müssen dann sogar ausziehen, damit jemand dort sein gekauftes Wohneigentum beziehen kann.

  • Wieso nur fühle ich mich gerade so sehr an die SED-Parolen aus DDR-Zeiten erinnert? 🤔

  • Der Witz ist ja, dass, wenn man sich die momentane Bevölkerungsentwicklung anschaut und man berücksichtigt, dass kaum Wohnraum zurückgebaut wird, also verschwindet, 200.000-250.000 Wohnungen pro Jahr vollkommen ausreichen. 400.000 Wohnungen pro Jahr werden in Deutschland definitiv nicht gebraucht.



    Es gibt natürlich Städte, in denen immer Wohnraummangel herrschen wird. Der Wohnraummangel sollte allerdings hauptsächlich diejenigen treffen, die von außerhalb zuziehen wollen (Berlin ist das beste Beispiel) und Vermieter nicht zum Versuch verleiten, ihre Mieter mit kriminellen Methoden vor die Tür zu setzen. Wenn jetzt aber eine Stadt wie Berlin jährlich mehr Arbeitsplätze als Wohnraum zur Verfügung stellen kann, haben wir ein Problem. Natürlich muss man sehen, dass es immer ein Angebot gibt. In Berlin wurden heute ca. 3.500 Mietwohnungen angeboten (ohne Tauschangebote). Menschen ziehen weg, Menschen sterben, wodurch Wohnraum wieder frei wird. Es ist jedoch unklug, exzessive Mieten zu dulden, da sie dem lokalen Markt sonst zu viel Kaufkraft entziehen. Auch dieser Effekt ist in Berlin besonders stark, da die meisten Vermieter Berliner Wohnungen das Geld nicht in Berlin ausgeben.

    • @Aurego:

      Es ist zwar richtig, dass der demografische Wandel in ein paar Jahrzehnten zu einem Kippen des Wohnungsmarktes führen wird, aber die Wohnungsnot wir für die nächsten Jahre fortbestehen bei der aktuellen Politik.



      Das Problem ist jetzt auch schon seit über zwei Jahrzehnten bekannt und trotzdem gab es keine Lösung.



      Diese Unfähigkeit wird die Menschen nur weiter in die Arme von Populisten treiben.

      • @Okti:

        Welche reale Wohnungsnot? So arg kann es nicht sein, denn seit 2022 hat sich die Anzahl der auf Portalen angebotenen Mietwohnungen in Berlin verdoppelt! Auf immobilienscout24 werden heute in Berlin 3652 Wohnungen zur Miete angeboten (ohne Tauschwohnungen). Davon haben 18 eine Warmmiete bis 500€, 439 eine Warmmiete zwischen 501€ und 1000€, 1905 Wohnungen sind für 1001€-2000€ zu haben und 1287 Wohnungen kosten pro Monat 2001€ oder mehr. Bei 3192 Wohnungen muss man also monatlich mit mindestens 1001€ Warmmiete rechnen.



        Bezieht man in die Suche das Umland von Berlin mit einem Radius von 50km um das Brandenburger Tor ein, steigt die Zahl der Mietangebote auf 4592 Wohnungen. Wir sehen hier einen Spezialeffekt von Berlin: Das Umland (Brandenburg) ist kaum entwickelt und trägt zum Auffangen der Nachfrage wenig bei. Um München oder Frankfurt herum ist das anders. Was sollen wir also tun? Ganz einfach: Der Berliner Speckgürtel muss besser entwickelt werden!



        Mit der Politik hat das alles wenig zu tun, denn die Bundespolitik will und kann das private Bauen nicht beliebig subventionieren. Was Not täte, wäre ein deutlicher Anstieg der Einkommen. Dann klappt's auch mit Mieten, Bauen und Kaufen.

        • @Aurego:

          Die reale Wohnungsnot ist die, mit der man sich in der Realität auseinandersetzen muss und nicht die Statistik von Immobilienscout. Sie können auf 50 Anzeigen Anfragen schreiben, bevor Sie zum ersten Mal zu einer Wohnungsbesichtigung eingeladen werden. Da stehen Sie dann mit 50 anderen Interessenten. Dringlichkeiten sind egal (z.B. alleinerziehende Mutter, gerade Wohnung gekündigt worden wegen "Eigenbedarf", usw.); was zählt sind Einkommen, Sicherheiten, Bereitschaft, für die Bruchbude Abstand zu zahlen und nicht zuletzt Nationalität. Als einfache(r) Arbeiter(in) mit türkischem Nachnamen kannst Du gleich wieder nach Hause gehen.

          Trotzdem noch Mal zur "Statistik" von Immobilienscout: ganze 457 Wohnungen für unter 1000 Euro in ganz Berlin halte ich jetzt nicht für ein Überangebot an bezahlbaren Wohnungen. Für einen sehr großen Teil der Bevölkerung sind mehr einfach nicht drin. In den Anfangsjahren verdient eine Krankenpflegerin in Vollzeit gerade mal 1700 Euro netto, so dass man nicht davon ausgehen kann, dass Sie mal eben monatlich für das Dach über dem Kopf 1500 Euro ausgeben kann. Der Frau hilft auch kein "ganz einfach mal den Speckgürtel entwickeln".

  • Dann hoffen wir mal das beste!

    • @Konstantin Ponkratov:

      Wir diskutieren noch darüber, was "das Beste" ist.