Wohnsituation von Studierenden: Dann zieh doch zurück zu den Eltern
Das Studierendenwerk Berlin hat die Mieten in seinen Wohnheimen wegen steigender Energiekosten stark erhöht. Student:innen starten eine Petition.
„Würde ich nicht ohnehin 20 Stunden die Woche arbeiten, ich wüsste nicht, wie ich mein Zimmer noch bezahlen kann“, sagt Fabian H. zur taz. Er studiert Politikwissenschaft und lebt in einem Wohnheim des Studierendenwerks, sein voller Name ist der Redaktion bekannt. Seine Miete wurde von 360 auf 503 Euro angehoben – das ist eine Steigerung von fast 40 Prozent. „Ich dachte erst, das wäre ein Scherz“, sagt H. Er habe sich direkt an die Beratungsstelle des Studierendenwerks gewandt – doch dort habe man ihm nur gesagt, er könne ja zu seinen Eltern zurückziehen, wenn er sich die Miete nicht mehr leisten könne.
Student:innen starten Petition
Gegen die Preissteigerungen regt sich nun Widerstand in der Studierendenschaft. In einer Petition gegen die Mieterhöhungen heißt es, Studierende würden in der Krise „von der Politik übergangen“. Rund 370 Menschen haben unterschrieben. Bisher haben Bafög beziehende Studierende einen einmaligen Betriebskostenzuschuss von 230 Euro erhalten. In Aussicht gestellt hat der Bund zudem eine Energiekostenpauschale von 200 Euro für alle Studierenden sowie einen weiteren Nebenkostenzuschuss – wie und wann der kommt, ist aber noch unklar.
„Die Entlastungen müssen ja nicht nur für ein paar Monate reichen“, sagte David Tzafrir zur taz, der die Petition verfasst hat. Für eine Krise, die noch mehrere Jahre gehen könne, seien die bisherigen Zusagen „völlig unzureichend“. Wenn nun auch noch die Wohnheime anfingen, sich preislich an den privaten Wohnungsmarkt anzugleichen, würde es „für viele kritisch“. Insbesondere internationale Studierende und solche aus ärmeren Haushalten würden von den Mieterhöhungen hart getroffen.
Bafög-Zuschuss reicht nicht aus
Lange galten Wohnheime als Garantie für bezahlbaren studentischen Wohnraum. Auch per Senatsbeschluss ist festgelegt, dass Wohnheime bezahlbar sein sollen. Als Vergleichswert dafür, was das bedeutet, wird oft der maximal mögliche Bafög-Zuschuss für Wohnen von 360 Euro monatlich genannt. Laut den der taz vorliegenden Zahlen liegen die Durchschnittsmieten im Studierendenwerk inzwischen mit 371 Euro leicht darüber – in einigen Wohnheimen des Werks wird noch deutlich mehr verlangt.
Laut Jana Judisch, Pressesprecherin des Studierendenwerks, sind die Mieterhöhungen für die Studierenden nur ein Vorgeschmack von dem, was auf alle Mieter:innen zukommt. Privatvermieter:innen würden die Energiekosten im kommenden Jahr über die Nebenkosten auf die Mieter:innen umlagern. Das Studierendenwerk dagegen erhöhe nun die Mieten in allen Neuverträgen vorsorglich, obwohl die Energiepreise für das Werk erst im kommenden Jahr steigen. Die überflüssig gezahlten Mieten sollen über das kommende Jahr hinweg durch ein Rabattsystem ausgeglichen werden.
Trotz der Mieterhöhungen rechnet das Werk für das kommende Jahr mit einem Defizit von 5 Millionen Euro im studentischen Wohnen, sagt Judisch. Denn erhöht werden nicht alle Mieten auf einmal. Hintergrund ist, dass Studierende in Wohnheimen ihre Mietverträge bis zum Ende des Studiums immer wieder erneuern müssen – und genau dann greift die Mieterhöhung. Um das schneller durchzusetzen, hat das Werk die regulären Vertragslaufzeiten von Mietverträgen von 24 Monaten auf ein Jahr heruntergesetzt. Auch diese Praxis wird in der Petition kritisiert.
Forderungen an die Berliner Politik
„Laut den aktuellen Preisprognosen brauchen wir 13 Millionen Euro, um die Mieten auf dem Niveau vom August zu halten“, sagt Judisch. Damit liegt der Ball wieder bei der Berliner Politik. Hans-Christoph Keller, Pressesprecher der zuständigen Wissenschaftsverwaltung, verweist aber zunächst auf den Bund. Auf die Frage, was der Senat plane, um die Studierenden zu entlasten, nennt Keller lediglich zwei Angebote, die schon vor der Krise bestanden: Neben der Möglichkeit über den Notfallfonds des Studierendenwerks eine Einmalzahlung zu beantragen, sind das Angebote der Unis für „psychologische Beratung“ – ein Vorschlag, der einen gewissen Zynismus beinhaltet.
Konstruktiver ist da der Ansatz von Tobias Schulze, dem wissenschaftspolitischen Sprecher der Linken. Durch die Mieterhöhungen könnten sich viele den Aufenthalt in Berlin nicht mehr leisten, sagte er der taz. „Wir müssen ein klares Signal senden, dass Student:innen hier weiter studieren können.“ Sein Plan: Die 13 Millionen Euro über den Nachtragshaushalt ausgleichen, der Mitte November beschlossen werden soll. Schulze zeigt sich optimistisch: „Ich gehe davon aus, dass wir das hinbekommen.“
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