piwik no script img

Wohnraum für Auszubildende in Berlin600 Euro Miete bei 400 Euro Gehalt

Auszubildende in Berlin leiden unter den hohen Mieten. Sie fordern vom Senat Wohnheime und Unterstützung. Die Arbeitssenatorin mahnt zur Geduld.

SPD-Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe mit Handwerkskammer-Präsidentin Carola Zarth und Azubi Louis Boenchen Foto: Leonore Kogler

Berlin taz | Cansel Kiziltepe streicht über die goldenen Knöpfe auf der Jacke des Schornsteinfegers. „Das soll doch Glück bringen“, sagt Berlins Arbeitssenatorin zu Louis Boenchen. Der angehende Schornsteinfeger gehört zu einer fünfköpfigen Gruppe von Auszubildenden, die der SPD-Politikerin am Donnerstag im Abgeordnetenhaus einen Forderungskatalog in die Hand drücken. Und Glück können sie in der Tat gut gebrauchen – vor allem bei der Suche nach bezahlbarem Wohnraum.

„Ich zahle zur Zeit 850 Euro Miete. Ohne die Unterstützung meiner Eltern wäre das nicht möglich“, sagt Boenchen. Ähnlich geht es seiner Mitstreiterin Eleanor Little. „Für mein WG-Zimmer bezahle ich mehr, als ich als Azubi verdiene“, sagt die Schuhmacherin im zweiten Lehrjahr. Im ersten Lehrjahr habe sie gerade mal 400 Euro im Monat verdient. Ein WG-Zimmer in Berlin kostet durchschnittlich mittlerweile 650 Euro.

Im Rahmen eines Workshops der Handwerkskammer hatten Berliner Auszubildende fünf konkrete Forderungen an den Senat zur Verbesserung ihrer Wohnsituation erarbeitet. Dazu gehören unter anderem der Bau von mehr Azubi-Wohnheimen, die aktive Unterstützung bei der Wohnungssuche sowie die Bereitstellung von speziellen Wohnungskontingenten für Auszubildende.

Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist für Azubis noch einmal härter als für Studierende, sagt Eleanor Little: „Als Student kannst du einen Minijob machen. Aber ich arbeite 40 Stunden die Woche. Ich habe keine Zeit.“ Außerdem gebe es für Studierende mehr Wohnheimplätze. „Das ist ungerecht“, sagt Little.

Wohnungssuche bedeutet Stress

In Berlin machen derzeit rund 35.040 Menschen eine Berufsausbildung. Allerdings gibt es in ganz Berlin gerade mal zwei Azubi-Wohnheime. Thu Uyen Doan wohnt in einem der beiden Heime. „Da gibt es nur 52 Plätze. Das reicht doch nicht.“ Sie selbst macht bald ihren Abschluss. Damit steht sie nun vor einer weiteren Herausforderung: „An dem Tag, an dem ich mein Zeugnis bekomme, muss ich aus dem Wohnheim ausziehen und eine neue Wohnung finden. Das ist so viel Stress.“

Arbeitssenatorin Kiziltepe sagt, sie finde es gut, dass sich die Azubis an sie wenden: „Es muss etwas gemacht werden. Berlin braucht ein Azubi-Werk.“ Zugleich mahnt sie zur Geduld: „Das wird noch ein bisschen dauern.“ Wie lange? Unklar. „Für mich ist das dann also egal“, sagt Eleanor Little.

Die Handwerkskammer Berlin unterstützt die Azubis bei ihren Forderungen. „Die Gleichwertigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung sollte sich auch beim Wohnen widerspiegeln“, sagt Carola Zarth, Präsidentin der Handwerkskammer. „Mein Traum wäre, dass Azubis und Studierende zusammen in einem Wohnheim leben.“

Die Senatorin zeigt sich aufgeschlossen. „Wer nicht kämpft, hat schon verloren“, gibt sie den Azubis noch einen Kalenderspruch mit auf den Weg.

Lesen gegen das Patriarchat

Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Das beste wäre, Herrn Tramp zu Füssen zu fallen, dem neuen tollen Milliarden-aus-dem-Hut-mit-hilfe-der-Grünen-aber-trotzdem-Grüne-bashing-machen-Knarzler Fidel März noch mehr anzubetteln und zu versprechen, daß man fleissigst arbeiten werde, damit die Milliardäre noch mehr Milliarden bekommen...



    Und unsere Kinder sollen schauen wo sie bleiben....sollen arbeiten....



    Das ist Trump, das ist Merz ...und dann kommt noch der unvergleichliche bayerische Vollfehler Söder...



    Lassen wir ihn mal weiterwettern...hoffe die Grünen verkaufen jeden Quadratzentimeter so teuer, daß den Schwarzen Grün wird vor Augen...

  • Berlin hat natürlich eine besondere Geschichte.



    Da war Wohnen in BRD Zeiten und nach der Wende von "Glücksfällen" geprägt.



    In Westdeutschen Großstädten war Wohnungsnot allerdings auch immer ein Thema. Ich erinnere an die Hausbesetzerszene.



    Wenn die jetzige Generation also glaubt,



    " früher war Alles besser", kann ich beruhigend sagen: das war es nicht.



    Der Artikel ist mal wieder auf eine besondere Art " links", die hier die SPD verantwortlich machen will.



    Was ist denn mit den ArbeitgeberInnen?



    Was macht denn die Handwerkskammer für die Auszubildenden?



    Wer nicht kämpft, hat schon verloren, ist mehr als ein Kalenderspruch.



    Es soll ja Leute gegeben haben, denen die Eltern keinen Zuschuss zur Miete zahlen konnten.



    Zur Erinnerung an linke Kritik an der SPD sei daran erinnert, dass sie das BAföG erfunden hat , genauso wie das "MeisterBafög", den Mindestlohn und dessen Erhöhung. Das hat die SPD im Übrigen gegen die CDU für eine Koalition durchgesetzt, genauso wie die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro gegen die FDP . An die Ausweitung des Wohngelds in der Ampelregierung, durch eine SPD Ministerin, muss wohl auch erinnert werden.



    Schön, dass "die Linke" im Bundestag ist.

  • Bei welchem Mini-Job verdient man mal eben 650 Euro?



    Ich glaube die Azubis verkennen hier die Belastung von Studierenden ein wenig. 40 Stunden pro Woche brauchen die auch, um ihre Semesterziele zu erreichen.



    Trotzdem ist es natürlich ein Unding, dass es nicht genug Wohnraum für alle Menschen in Ausbildung gibt. Solche Wohnheime würden ja auch den übrigen Wohnungsmarkt deutlich entlasten.



    Vermutlich gehen Politiker noch davon aus, dass Azubis ja bei den Eltern bleiben können.

    • @Herma Huhn:

      Nein . Nicht die hundert Studenten die ich kenne .