Wohnraum für Auszubildende in Berlin: 600 Euro Miete bei 400 Euro Gehalt
Auszubildende in Berlin leiden unter den hohen Mieten. Sie fordern vom Senat Wohnheime und Unterstützung. Die Arbeitssenatorin mahnt zur Geduld.

„Ich zahle zur Zeit 850 Euro Miete. Ohne die Unterstützung meiner Eltern wäre das nicht möglich“, sagt Boenchen. Ähnlich geht es seiner Mitstreiterin Eleanor Little. „Für mein WG-Zimmer bezahle ich mehr, als ich als Azubi verdiene“, sagt die Schuhmacherin im zweiten Lehrjahr. Im ersten Lehrjahr habe sie gerade mal 400 Euro im Monat verdient. Ein WG-Zimmer in Berlin kostet durchschnittlich mittlerweile 650 Euro.
Im Rahmen eines Workshops der Handwerkskammer hatten Berliner Auszubildende fünf konkrete Forderungen an den Senat zur Verbesserung ihrer Wohnsituation erarbeitet. Dazu gehören unter anderem der Bau von mehr Azubi-Wohnheimen, die aktive Unterstützung bei der Wohnungssuche sowie die Bereitstellung von speziellen Wohnungskontingenten für Auszubildende.
Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist für Azubis noch einmal härter als für Studierende, sagt Eleanor Little: „Als Student kannst du einen Minijob machen. Aber ich arbeite 40 Stunden die Woche. Ich habe keine Zeit.“ Außerdem gebe es für Studierende mehr Wohnheimplätze. „Das ist ungerecht“, sagt Little.
Wohnungssuche bedeutet Stress
In Berlin machen derzeit rund 35.040 Menschen eine Berufsausbildung. Allerdings gibt es in ganz Berlin gerade mal zwei Azubi-Wohnheime. Thu Uyen Doan wohnt in einem der beiden Heime. „Da gibt es nur 52 Plätze. Das reicht doch nicht.“ Sie selbst macht bald ihren Abschluss. Damit steht sie nun vor einer weiteren Herausforderung: „An dem Tag, an dem ich mein Zeugnis bekomme, muss ich aus dem Wohnheim ausziehen und eine neue Wohnung finden. Das ist so viel Stress.“
Arbeitssenatorin Kiziltepe sagt, sie finde es gut, dass sich die Azubis an sie wenden: „Es muss etwas gemacht werden. Berlin braucht ein Azubi-Werk.“ Zugleich mahnt sie zur Geduld: „Das wird noch ein bisschen dauern.“ Wie lange? Unklar. „Für mich ist das dann also egal“, sagt Eleanor Little.
Die Handwerkskammer Berlin unterstützt die Azubis bei ihren Forderungen. „Die Gleichwertigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung sollte sich auch beim Wohnen widerspiegeln“, sagt Carola Zarth, Präsidentin der Handwerkskammer. „Mein Traum wäre, dass Azubis und Studierende zusammen in einem Wohnheim leben.“
Die Senatorin zeigt sich aufgeschlossen. „Wer nicht kämpft, hat schon verloren“, gibt sie den Azubis noch einen Kalenderspruch mit auf den Weg.
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