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Wohngeldreform der RegierungNotwendig, aber nicht nachhaltig

Jasmin Kalarickal
Kommentar von Jasmin Kalarickal

Die Wohngeldreform liefert für viele Menschen eine dringend notwendige Entlastung. Das Problem dahinter, Spekulationen am Wohnungsmarkt, packt sie nicht an.

Schon jetzt geben Mieter durchschnittlich 40 Prozent ihres Nettoeinkommens fürs Wohnen aus Foto: Matthias Rietschel/ap

F angen wir mit dem Status quo an: Eingerollte Decken unter Brücken, Zelte hinter Bahnhöfen. Dass alle Menschen in Deutschland angemessen wohnen, glauben nur noch die, deren Zaun hoch genug ist, um die Misere in den Städten auszublenden. Schon seit Jahren explodieren die Mieten in Deutschland. Im Jahr 2021 gaben 12 Prozent der Mieterhaushalte mehr als 40 Prozent des verfügbaren Nettoeinkommens fürs Wohnen aus. Sprich: Die Situation war schon vor dem russischen Angriffskrieg und den explodierenden Energiepreisen miserabel.

Die Bundesregierung brüstet sich nun mit der größten Wohngeldreform seit 57 Jahren. Und in der Tat: Es ist eine dringend benötigte Reform, die vielen Menschen in der akuten Situation mehr Entlastung verspricht. Neu ist ein dauerhafter Heizkostenzuschlag und es wird erstmals eine Klimakomponente eingeführt, um Mieterhöhungen nach energetischen Sanierungen zu berücksichtigen. Letzteres hat der Deutsche Mieterbund schon seit Jahren gefordert.

Durchschnittlich soll die Reform zu einer Verdoppelung des Wohngeldes führen – das ist nicht nichts. Zwei Millionen Haushalte sollen künftig Wohngeld beziehen können, bislang sind es rund 600.000 Haushalte. Ob alle Wohngeldberechtigten das auch in Anspruch nehmen, steht allerdings auf einem anderen Blatt: Bislang ist das Wohngeld als Bürokratiemonster bekannt.

Bei allen Verbesserungen, die die Reform mit sich bringt: Sie erreicht bei Weitem nicht alle Menschen, die derzeit mit Wohnkosten überlastet sind, dafür ist die Ausgangslage viel zu prekär.

Zudem hat diese Reform noch ein weiteres Manko: Das Wohngeld ist eine staatliche Hilfsmaßnahme, die in der Not zwar konkret hilft, aber nicht das Problem an der Wurzel packt. Wer Mie­te­r*in­nen dauerhaft entlasten will, muss für bezahlbaren Wohnraum sorgen und den irrsinnigen Mietenanstieg begrenzen. Wenn die Bundesregierung das nicht tut, subventioniert sie letztlich profitorientierte Immobilienbesitzer*innen.

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Jasmin Kalarickal
Redakteurin
Jahrgang 1984, ist Redakteurin im Parlamentsbüro der taz.
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7 Kommentare

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  • Der letzte Satz ist eigentlich der Wichtigste, obwohl er den Zusammenhang eigentlich nur andeutet.

    Die Wohngelderhöhung wird dazu führen, das die Mieten im unteren Sektor wieder steigen werden, weil es wieder mehr Geld abzuschöpfen gibt.

    So funktioniert der Kapitalismus eben.

  • Sehr guter Kommentar. Dankeschön! :-)

  • Fazit: Die Wohngeldreform ist gut .



    Viel mehr als bisher werden unterstützt.



    Und das zum richtigen Zeitpunkt.



    Was das Gemäkel soll, bleibt unklar.



    Aber warum einfach mal einen positiven Artikel schreiben?

  • Ja, und hundert Mal der letzte Absatz.

    Wohngeld mag eine kurzfristige Hilfe für Mieter*innen -- langfristig ist es nichts als eine Subventionsmassnahme für Vermieter*innen (also jene, die laut FDP was leisten). Und ein Preistreiber dazu.

  • 0G
    06455 (Profil gelöscht)

    Empfehle dazu Mediathek, Sendung "Fakt."



    Das wird nicht funktionieten mit dem Wohngeld, da die Behörden schon jetzt total überfordert sind.



    Die Auszahlungen würden dann eventuell im Sommer 23 kommen, frühestens.



    Bis dahin sind die Menschen ihre Wohnungen los.



    Sind die Politiket:innen wirklich so dumm mit ihren Versprechungen oder wie ist das sonst zu verstehen?



    Wenn man die Gasumlage betrachtet ist der Schluss naheliegend.

    • @06455 (Profil gelöscht):

      Da die Politik in der Regel nicht auf die ausführende Verwaltung achtet, ist es mehr Unkenntnis als.Dummheit.



      Sich nicht die notwendigen Kenntnisse zu verschaffen, ist wiederum auch eine Form der Dummheit...

  • Spekulation ist im Hochkapitalismus die Schmierage am Markt. Ohne die läuft nichts, und kein Politiker wird sie anpacken, ausser er ist lebensmüde. Warum also sollte gegen sie angegangen werden? Wenn doch Wohngeld aus Steuermitteln finanziert wird. Das ist die Privatisierung des Restsozialsystems. Da ja die Spekulanten meist keine oder kaum Steuern zahlen