piwik no script img

Wohltäter FußballUnbegrenzte Fantasieräume

Ob Saudi-Arabien, der vereinslose Weltmeister Jérôme Boateng oder Herthas Torhüter Marius Gersbeck – im Fußball finden alle ihren Platz.

Fragwürdige Beziehung: der FC Bayern und Jérôme Boateng Foto: imago

T rotz nachgewiesen überragender Fitnesswerte, wie es hieß, soll Jérôme Boateng nun doch nicht für den FC Bayern spielen. Das war eine der jüngsten Meldungen dieser Woche, in der sich der Fußball mal wieder als wundersames Reich der unbegrenzten Möglichkeiten präsentierte.

Dass sich der 35-jährige Innenverteidiger demnächst wieder wegen Körperverletzung gegenüber seiner Ex-Partnerin vor Gericht zu verantworten hat, war für die Münchner erst einmal kein Problem beziehungsweise eine „Privatsache“.

Und auch beim Fußballzweitligisten Hertha BSC wollte man sich in seiner Freiheit nicht allzu sehr beschneiden lassen wegen dieser „außerdienstlichen Verfehlung“, wie man es nannte, die sich Torhüter Marius Gersbeck zuschulden kommen ließ. Der Mann soll eine „zweite Chance“ erhalten und wieder mitkicken. Genaueres zu diesen Verfehlungen konnte man anderen Quellen entnehmen. Er musste vor Gericht, weil er auf einem Volksfest jemandem mehrere Frakturen im Gesicht zufügte.

Wie liberal es im Fußballgeschäft mitunter zugeht, veranschaulichte dieser Tage auch die Entscheidung der WM-Vergabe der Fifa. Durch das interkontinentale Turnier 2030, das die Begehrlichkeiten von Afrika, Europa und Südamerika auf einen Schlag befriedet, ist der Weg nun für Saudi-Arabien frei, 2034 als Gastgeber zu reüssieren. Warum sollte man auch einem Land, in dem missliebige Journalisten zerstückelt werden, das Recht auf Teilhabe verwehren? Die letzte WM in Katar wurde schließlich jenseits der europäischen Blase als voller Erfolg wahrgenommen.

Für einen höheren Zweck

Es mag ein paar moralische Unebenheiten geben, aber letztlich dient der Fußball immer einem höheren Zweck. „Das ist eine großartige Botschaft des Friedens, der Toleranz und der Integration“, sagte etwa Fifa-Chef Gianni Infantino, als er über die WM 2030 sprach, die nun in Argentinien, Paraguay, Uruguay, Spanien, Portugal und Marokko ausgerichtet wird.

Der Fußball eröffnet unendlich große Fantasieräume. Bei all dem Fifa-Getöse ging diese Woche ungerechterweise völlig unter, dass das Projekt „Fortuna für alle“ mittlerweile konkrete Formen annimmt. Mit Hilfe von Sponsoren sollen beim Fußballzweitligisten die Zuschauerinnen und Zuschauer gratis ins Stadion können.

Das Pilotprojekt startet mit dem Heimspiel ­gegen Kaiserslautern am 21. Oktober. Und in Düsseldorf sind die Verantwortlichen mächtig stolz darauf, dass nun über 120.000 Menschen sich bereit erklärt haben, kostenlos ein Fußballspiel von Fortuna anzuschauen. Wer hätte das gedacht: Die Fußball-Fantasten können sogar demütig sein. Nun muss das Los, also Fortuna entscheiden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • "Trotz nachgewiesen überragender Fitnesswerte"... bringt einer lahmen Ente nichts.