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Wohlstand bei den Johannitern ausgebrochenFetter Gewinn mit Flüchtlingen

Die Johanniter in Niedersachsen sollen einen Überschuss von 20 Millionen Euro aus Landesmitteln für die Flüchtlingshilfe haben. Verband will das Geld behalten

Für 20 Millionen hätte es ruhig mehr Lametta sein dürfen: Flüchtlingsunterkunft in Sarstedt Foto: dpa

Bremen taz | Einiges lief in der Flüchtlingshilfe in Niedersachsen besser als anderswo. Während etwa in Berlin wochenlang Menschen vor dem Lageso kampieren mussten und der Staat bei der Versorgung von Geflüchteten auf eine Vielzahl ehrenamtlicher und freiwilliger HelferInnen angewiesen war, lief die Hilfe in Niedersachsen vergleichsweise schnell und unbürokratisch ab. Hier beauftragte die Landesregierung Wohlfahrtsverbände. Um deren Hilfe zu beschleunigen, einigte man sich auf Pauschalen für die Unterbringung von Flüchtlingen. Die Liquidität der Verbände sollte garantiert sein.

Aufgrund der Höhe der Pauschalen haben zumindest die Johanniter offenbar Überschüsse aus der Flüchtlingshilfe erzielt. Die Hannoversche Allgemeine Zeitung war an einen internen Quartalsbericht der Wohlfahrtsorganisation gekommen. Aus diesem zitiert sie: „Mit einem Ergebnis von über 20 Millionen Euro ist dieser Bereich immer noch der wesentliche Faktor für das sehr gute Ergebnis des Landesverbandes.“

Der Landesvorstand Thomas Mähnert schränkte zwar ein, der Quartalsbericht sei nur eine „Momentaufnahme“, die Abrechnungen seien noch nicht abgeschlossen. Aber dennoch hatte der Landesverband Niedersachsen laut dem Bericht in den ersten neun Monaten des Jahres 2016 ohnehin mit einem Plus von 3,5 Millionen Euro gerechnet.

Landesvorstand Mähnert plädierte in dem Artikel sogar dafür, das nicht gebrauchte Geld des Landes in den Verbänden zu lassen. Außerdem soll im Quartalsbericht stehen, dass man mit dem Geld bereits „Investitionen getätigt und Maßnahmen ergriffen“ habe, die „ohne die Überschüsse in der Flüchtlingshilfe unterblieben wären“. Demnach habe der Verband unter anderem für rund eine halbe Million Euro Hausnotruf-Geräte für Pflegebedürftige vorzeitig ausgetauscht.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisiert das. Er wünscht sich von allen Verbänden eine transparente Aufstellung der erhaltenen und tatsächlich für die Flüchtlingshilfe ausgegebenen Gelder. „Wir erwarten, dass ungenutzte Gelder zurückgezahlt werden“, sagt Kai Weber, der Geschäftsführer des niedersächsischen Flüchtlingsrates. „Es macht keinen Sinn, die Taschen der Wohlfahrtsverbände zu füllen.“

Weber könne gut nachvollziehen, warum die Landesregierung schnelle und unbürokratische Hilfe geleistet habe. Die Pauschalen hätten dazu geführt, dass elementare Grundbedürfnisse schnell gesichert werden konnten. Dennoch frage er sich schon länger, ob die erbrachten Leistungen der Höhe der Sätze tatsächlich angemessen war, sagt Weber.

Gezahlt hat das Innenministerium Niedersachsen. Es sagte umgehend, dass es überprüfen wolle, ob die Pauschalen angemessen waren. Gegebenenfalls werde man Geld von den Wohlfahrtsverbänden zurückfordern. Eine verlässliche Auskunft darüber, was bezahlt und was zurückgefordert wurde, konnte das Ministerium jedoch nicht machen, da die Abrechnungen noch andauerten.

Das Ministerium prüft, ob es das überschüssige Geld zurückverlangt

Laut den Johannitern haben sich die Beteiligten beim Vertragsabschluss bei den Pauschalen an „kostendeckenden Tagessätzen“ bei „vergleichbaren Aufgaben“ orientiert. Die Verträge seien in einer Zeit abgeschlossen worden, als man noch davon ausging, dass eine „längerfristige und umfangreiche Aktivität notwendig sein würde – auch mit hauptamtlichem Personal in erheblichem Umfang“. Die Bundessprecherin der Johanniter, Therese Raatz sagte, über die Verwendung der Überschüsse werde man sich mit dem Innenministerium abstimmen – „sobald die Phase der Akut-Hilfe abgeschlossen ist“.

Bei anderen Wohlfahrtsverbänden in Niedersachsens Flüchtlingshilfe möchte man keine Überschüsse bestätigen. Kerstin Hiller, Landessprecherin des Roten Kreuzes zeigte sich von der Höhe der Überschüsse bei den Johannitern überrascht. Das DRK plane nicht mit Millionen-Überschüssen, sagt sie.

Annegret Droba vom Arbeiter Samariter Bund (ASB) findet es „zu früh für Prognosen“. Die Prüfung durch das Land sei noch nicht abgeschlossen. Die „buchhalterische Aufarbeitung“ der Notsituation benötige Zeit.

Die Finanzierung der Flüchtlingshilfe läuft in den Nordländern unterschiedlich: In Hamburg erstattet die Stadt nur das, was tatsächlich ausgegeben wurde. In Bremen arbeitet man nach dem „Zuwendungsprinzip“. Zuerst wird hochgerechnet, was an Personal und sonstigen Kosten benötigt wird. Danach wird abgerechnet: alle Kosten müssen nachgewiesen, der Überschuss zurückgezahlt werden. „Dadurch gibt es keine Gewinnmargen“, sagt Bernd Schneider vom Sozialressort Bremen.

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5 Kommentare

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  • Die Johanniter werden für so viel Ehrlichkeit angemessen bestraft. Daß die anderen Verbände sich um Aussagen drücken, hat gute Gründe: einerseits ist dort das Rechnungswesen eine Katastrophe, andererseits läßt man die Überschüsse nach Möglichkeit in andere Bereiche / Abteilungen abschmelzen. Beides habe ich mit eigenen Augen gesehen.

    Effizient und transparent zu arbeiten ist in der Branche einfach dumm, lernen wir.

    • @Wurstprofessor:

      Für welche "Ehrlichkeit" werden die Johanniter denn Ihrer Ansicht nach "bestraft"?

       

      Gareth Joswig hatte geschrieben: "Die Hannoversche Allgemeine Zeitung war an einen internen Quartalsbericht der Wohlfahrtsorganisation gekommen." Wie ganz genau die Zeitung an diesen INTERNEN Quartalsbericht "gekommen" ist, hat uns taz dezent verschwiegen. Ich glaube aber kaum, dass diejenigen Johanniter, die zu bestimmen haben über Geldfragen, das Papier freiwillig abgegeben haben an die HAZ. Da war vermutlich bloß mal wieder ein Mitarbeiter unzufrieden. Man nennt so was ein "Leck" – und reagiert darauf mit Ärger und drastischen Maßnahmen.

       

      Schließlich: Nicht nur Ihnen gilt es als "Strafe" gilt, wenn Geld, das zu Unrecht eingestrichen wurde, wieder rausgerückt werden muss. Vor allem dann, wenn es an anderer Stelle gut verwendbar wäre. Diese Gesellschaft basiert auf solchen Ungerechtigkeiten, scheint mir. Auch, weil Menschen wie Sie Ehrlichkeit zum Nutzen Schwächerer als "dumm" bezeichnen. Wer will schon öffentlich als dumm gelten?

  • Ich verstehe die Welt nicht mehr:

    Erst wird von rechter Seite gehetzt, dass die Flüchtlinge Gelder bekommen, die eigentlich den inländischen Sozialfällen gegeben werden sollten (bin mir bewußt, dass das Argument falsch ist!) und nun passiert es, dass inländische Sozialfälle davon profitieren, dass Flüchtlingen effektiv geholfen wird.

    Das ist klasse!!!

    Das untergräbt die rechten Argumente aufs Beste und sollte groß und positiv verbreitet werden!

    Nicht immer nur schimpfen, wenn etwas Gutes geschieht! Neid hinten anstellen und wirklich hingucken was passiert!

    • @Mainzerin:

      Ich fürchte, dass Sie da was missverstanden haben. Wir sind in Deutschland hier. Da kann nicht jeder machen was er will. Auch dann nicht, wenn es vielleicht sinnvoll wäre.

       

      Wenn das Geld zweckgebunden zur Verfügung gestellt wurde, muss es auch zweckgebunden verwendet werden – oder zurückgegeben. Damit der, von dem es kam, entscheiden kann, ob er es auch für andere Zwecke zur Verfügung stellen will. Dieser Entscheidung eigenmächtig vorzugreifen, läuft den „Spielregeln“ zuwider. Es bedeutet quasi einen Angriff auf die Souveränität der Landesregierung – und untergräbt deren Interesse daran, in eventuellen künftigen Ntfällen wieder großzügig in Vorleistung zu gehen.

       

      Ich kann die Johanniter verstehen. Das „Flüchtlingschaos“ war eine einmalige Chance, so etwas wie die Nach-Wende-Wirren im Osten. Alles war anders. Niemand wusste genau, was zu tun oder zu lassen ist. In so einer Lage liegen Kostenschätzungen manchmal deutlich zu hoch, weil die Probleme größer wirken als sie wirklich sind. Die „Normale“ Bedürftigkeit, mit der die Wohlfahrtsverbände außerhalb des „Flüchtlings-Notstandes“ umgehen müssen, mobilisiert nicht annähernd im selben Umfang Gelder. Auch deswegen nicht, weil der mediale Trubel darum vernachlässigbar ist. Dass die Landesregierung den Verbänden, die effizient geholfen haben, das überschüssiges Geld also für ihr Tagesgeschäft überlassen hätte, ist unwahrscheinlich. Sie hätte die Johanniter sonst vielleicht auch ohne „Flüchtlingschaos“ unterstützt in ihrer Arbeit. Einfach aus Haushaltsmitteln, über die der Landtag abgestimmt hat.

       

      Nein, hier geht es nicht um Neid. Zumindest nicht nur. Es geht um Prioritäten. Und zwar um solche, die auf Dauer tragen. Das Dumme am Geld ist schließlich, dass es immer knapp ist. Sogar dann, wenn man sehr viel davon hat. Dann ganz besonders.

      • @mowgli:

        Mowgli, ich denke, wir wissen beide, dass die deutschen Sozialfälle nie und nimmer zusätzliche Mittel bekommen hätten - dafür ist es aktuell viel zu beliebt, Menschen, die schon am Boden liegen, weiter zu treten. Gerade auch von Regierungsseite.

        Es ist viel besser, Gelder von arm nach reich umzuverteilen bzw. die eigenen Spezies mit Aufträgen zu versorgen (auch wenn das jetzt einen Shitstorm lostritt wissen wir doch alle, das das nicht weit weg ist von der Wahrheit, oder?).

        Daher ist auch der Schutz der Souveränität der Landesregierung nicht wirklich meine erste Priorität. Dafür haben in RLP viel zu viele Erfahrungen in dieser Richtung gemacht bei freien Entscheidungen einer Landesregierung...

        Das ist doch der Clou jetzt: endlich auch mal etwas positives für die deutschen Sozialfälle, die - wie sie sehr richtig sagen - von den Medien (und Parteien) nicht wirklich beachtet werden.