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Wölfe im NordenEin Abschuss ist möglich

Niedersachsens Umweltminister reist höchstpersönlich in den Landkreis Cuxhaven um mit Deichschäfern zu sprechen, die Wolfsrisse beklagen.

Im Gehege ist es sicher: ein Europäischer Grauwolf im Wolfcenter Dörverden Foto: dpa

Hannover taz | Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) wolle sich selbst ein Bild machen und mit betroffenen Schä­fe­r*in­nen sprechen, heißt es am Donnerstag aus der Pressestelle seines Ministeriums. Am Samstag wird er im Landkreis Cuxhaven erwartet.

Und man sieht ihn sofort vor sich: Wie er über den Deich stiefelt, jedem die Faust oder den Ellenbogen hinstreckt, weil er keine Hände mehr schütteln darf, zuhört und nickt und Sätze sagt wie „Ich verstehe Sie, absolut.“ und: „Da bin ich ganz bei Ihnen.“ Er kann das wirklich gut, der Herr Lies, freundlich und zugewandt sein, selbst wenn seinem Gegenüber vor Frust und Wut schon sichtbar die Halsschlagader pocht.

Anlass sind wieder einmal Wolfsrisse. In der Region gab es in kurzem Abstand zwei Angriffe auf Schafherden auf dem Deich, die für großes Aufsehen gesorgt haben. Das lag zum einen daran, dass viele Tiere starben, darunter zahlreiche trächtige Mutterschafe. Mehr als 30 waren es insgesamt, die Föten nicht mitgerechnet. Die Zahl klettert noch, weil es oft Tage dauert, bis alle Tiere gefunden sind. Die meisten sterben nicht unbedingt an Bissverletzungen, sondern weil sie sich auf ihrer panischen Flucht verletzen oder ins Wasser fallen.

Dass der von Niedersachsen im Rahmen eines Pilotprojekts gesponserte Elektro-Schutzzaun nichts half, ist der zweite Grund für das Entsetzen. Passive Herdenschutzmaßnahmen gelten vielen Naturschützern als das A und O und zwar von Anfang an: Die Zahl der Risse steigt, wenn die Wölfe neu im Revier sind. Wenn sie von Anfang an lernen, dass die Jagd auf Weidetiere mühsam und riskant ist, konzentrieren sie sich auf andere Beutetiere. Wenn sie auf der Weide zu oft Erfolgserlebnisse haben, wird es schwierig.

Am Deich sind allerdings die Möglichkeiten begrenzt: Zum Beispiel können oft keine Schutzhunde eingesetzt werden, weil zu viele Touristen die Weiden passieren. Gleichzeitig ist die Beweidung durch die Schafe für die Stabilität der Deiche wichtig.

Stimmung droht zu kippen

In der Region droht die Stimmung in Sachen Wolf schon länger zu kippen: Erst vor zwei Wochen warf dort einer der zuständigen Wolfsberater hin, weil er meinte, die Probleme würden nicht ernst genug genommen. Hermann Kück, der das Amt seit 2012 ehrenamtlich ausübte, erklärte in lokalen Medien, die zunehmenden Wolfssichtungen in Dorfnähe und zwei Pony­risse machten ihm Sorgen. Er habe früher sehr für die Rückkehr des Wolfs geworben, aber mittlerweile hält er die Zahl im Cuxland für zu hoch.

Die Analyse der DNA-Spuren ist bei den beiden aktuellen Fällen noch nicht abgeschlossen, aber wenn sich beide Ereignisse dem gleichen Wolf zuordnen lassen, wird dort vermutlich die nächste Ausnahmegenehmigung zum Abschuss eines Problemwolfs fällig. Mit allen Problemen, die das dann wieder mit sich bringt: Klagen, vergebliche Jagden, Fehlabschüsse.

Lies wirbt deshalb schon seit ein paar Jahren für einen anderen Ansatz. Er wünscht sich regionale Ober- und Untergrenzen für den Bestand. Auch für die Forderung der Deichverbände nach „wolfsfreien Zonen“ zeigte er sich aufgeschlossen.

EU geht gegen Niedersächsische Wolfsverordnung vor

Bisher war das durch die Bundesgesetzgebung allerdings ausgeschlossen. Unter der Ampel könnte sich das ändern. Im Koalitionsvertrag, den Lies mitverhandelt hat, steht nun, man wolle „europarechtskonform ein regional differenziertes Bestandsmanagement ermöglichen“. In dem Wort „europarechtskonform“ steckt aber die nächste Tücke: Experten streiten noch, wie viel Spielraum das EU-Recht überhaupt lässt.

Erst im Juni war bekannt geworden, dass die EU-Kommission auch die niedersächsische Wolfsverordnung in ein sogenanntes Pilotverfahren einbezogen hat, das ist die Vorstufe zu einem Vertragsverletzungsverfahren.

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4 Kommentare

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  • Gut recherchierter Artikel!



    Der Wolf/das Wolfsrudel passt sich seinem Lebensraum an passt seine Jagdmethoden an.



    Diese Erkenntnis ist nicht neu, ist in deutschen Öfentlichkeit aber nicht akzeptiert worden.



    Über den wolfsicheren Zaun der ersten Generation (90 cm) ist jeder Border Collie im Stand gesprungen. Die zweite Genneration (120 cm) schafft er villeicht auch noch, ein Schäferhund sicher.



    Die Experten haben in der letzten Jahren die Öffentlichkeit mit alternativen Fakten gefüttert.



    Der Konflikt mit dem Wolf stellt die Koexistenz zwischen Tourismus und der Weidewirtschaft auch in der Schweiz in Frage. Auf den Schweizer Almen werden weniger Zäune gestellt, dafür laufen die Herdenschuzuhunde frei auf den Almen herum und der ist Jahrhundeten dazu gezüchtet worden selbständig Bedrohungslagen einzuschätzen und abzuwehren.



    Bei einem Einsatz von Herdenschutzhunden müssen die Touristen runter vom Deich und weg von der Küste!



    Der Schutz des Wolfes ist im Bundesnaturschutzgesetz geregelt. Die Schäferreien werden mit großer Sicherheit gegenüber den Deichveränden auf eine Kostenanpassung drängen. Die Deichverbände finanzieren sich auch über Umlagen der Anlieger. Damit ergibt sich eine finazielle Verpflichtung des Bundes -also aller Steuerzahler zur Deichunterhaltung. Wer die Musik bestellt (den Schutz des Wolfes) hat die Rechung zu zahlen!

  • Herrje, Niedersachsen mal wieder in aller Munde, um 350(!) in Niedersachsen lebende Wölfe wieder unter Beschuss zu nehmen.....

    Weil diese könnten ja nicht nur Kinder reißen, sondern Schlachtvieh, welches unter Umständen schlecht eingezäunt ist. Die Priorität liegt offenbar nicht an der Erhaltung und Bewahrung der Natur sondern an der Erhaltung und Bewahrung des Konsums.

    Wenn die durchschnittliche deutsche Bevölkerung offenbar keine Wildtiere in ihrer Umgebung haben möchte, sollten wir gleich ein Ausrottungsprogramm anstatt eines Schutzprogrammes durchführen. Klöckner wäre bestimmt dabei mit ihrer Flinte an erster Front! Dabei sollten wir uns Tasmanien als Vorbild nehmen. Der Beutelwolf wurde dort ausgerottet, obwohl nur die wenigsten für das Reißen von Schlachtvieh verantwortlich waren - wie denn auch, ein Schaf von einem völlig anderen Kontinent kannten die Beutelwölfe einfach garnicht.

    Oder sollen wir die Falklandinseln als Vorbild nehmen? Der Falklandfuchs erlitt ein ähnliches Schicksal?

    Oder der Hokkaido-Wolf auf Japan?

    Oder doch ein anderes Land? Liebe Lobbyisten, ich habe hier überraschend viele Beispiele, die wir heranziehen können. Rotten wir den Wolf doch endgültig aus!

    • @Troll Eulenspiegel:

      Da sie es anscheinend nicht verstehen, nochmals deutlicher:



      Auf den Deichen können keine Wolfssichere Zäune gesetzt werden, da diese bei der notwendigen Verankerung den Deich beschädigen und damit bruchgefährdet bei Sturmfluten machen.



      Jeder Riss, jedes Loch bedeutet einen Angriffspunkt für das Wasser.



      Deswegen gibt es dort auch keine Bäume und Sträucher.



      Die Schafe sind notwendig, um den Boden zu verfestigen und unerwünschte Pflanzen fern zu halten.



      Und das funktioniert nicht mit jagenden Wölfen.



      Hier geht es um Küsten- und damit Menschenschutz.

      • @sb123:

        Das muss sich aber um einen sehr weit ins Landesinnere reichenden Deich handeln, dass man nicht z.B. 500m außerhalb einen Zaun setzen kann.

        Irgendwo ist nämlich eine gewisse Grenze, ab der der Deich aufhört und der Boden wieder fest genug ist.

        Jetzt könnte man natürlich argumentieren, dass der Zaun dann doch endlos lang sein müsste. Sind doch 4700km², laut meinen Recherchen, die die Deichschafe abgrasen.



        Wenn es aber sich um ein so großes Gebiet handelt, dass es ja schier unmöglich sei, Schutzzäune außerhalb der problematischen Dammfläche zu bauen, dann frage ich mich, warum man sich für >wenige< Wölfe auf einem >großen< Gebiet eigentlich so aufregt?

        Und Küstenschutz ist ganz nett. Mit dem steigenden Meeresspiegel wird er leider nicht viel helfen. Egal, ob der Wolf ausgerottet ist oder nicht. Wer Küsten- oder Umweltschutz will, muss die Welt so wiederherstellen, wie sie vor tausenden vor Jahren war. Oder man bejagt alles, was der Natur sonst zugute kommt, aber dann verlieren wir alle unser Zuhause.