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Witwe von Daniel H. über Nazi-DemosNach dem Tod ein Opfer der Rechten

Daniel H. war ein weltoffener und friedlicher Mensch. Die politische Instrumentalisierung seines Todes „hätte er nicht gewollt“, so seine Witwe.

An der Stelle, an der Daniel H. erstochen wurde, ist nun eine Gedenkstätte aufgebaut Foto: dpa

Berlin taz | Der Tod von Daniel H. ist schon mehr als eine Woche her. Doch der Kampf um seine Bedeutung ist noch immer nicht zu Ende. Nun hat sich Witwe Bianca T. in der Bild geäußert. Sie sagt, H. hätte die politische Instrumentalisierung nicht gewollt. „Ich habe mir die Veranstaltungen am Sonnabend in der Stadt angesehen. Da ging es doch gar nicht mehr um Daniel.“ Er selbst hat aufgrund seiner Herkunft zu Lebzeiten Rassismus erlebt. Auf seiner Facebook-Seite schreibt ein Freund: „Die Rechten, die das als Plattform nutzten, mit denen mussten wir uns früher prügeln, weil sie uns nicht als genug deutsch angesehen haben.“

In Chemnitz kam es in der vergangenen Woche mehrmals dazu, dass Migranten von Neonazis gejagt wurden und ihren Hass gewalttätig demonstrierten. Christian Greim, ein weiterer Freund von H., erzählt im Interview mit Frontal21, dies widerspreche deutlich H.s Ansichten. „Dieser Rassismus, dieser faschistische Blick auf Menschen, dieser ignorante aggressive Blick – das hat er nicht akzeptieren können, das hat ihn Zeit seines Lebens beschäftigt, solche Dinge.“

Greim betont, das Opfer habe Fanatismus jeder Art abgelehnt, sowohl von rechts als auch von links. Hass war ihm fremd. Im Interview mit der Welt offenbart Jürgen Gullmann, ebenfalls ein Bekannter H.s, dieser sei kein „Freund der AfD [gewesen]. Wobei ich da ein bisschen anderer Meinung bin, aber das hat unserer Freundschaft überhaupt keinen Abbruch getan.“

Auch auf Facebook hat sich H. politisch geäußert. Unter anderem spricht er sich dort für einen differenzierteren Umgang mit dem Islam aus und teilt Fotos und Statements von Bob Marley und Martin Luther King. Auf einem Foto ist ein Satz zu lesen, der die Absurdität der politisch rechten Instrumentalisierung seines Todes besonders unterstreicht und vermuten lässt, wie H. über die Situation gedacht hätte. Dort heißt es: „Die Nationalität ist völlig egal! Arschloch ist Arschloch!“

Die Mär vom heldenhaften Deutschen

Daniel H. wurde am Rande eines Stadtfestes am Sonntag, den 26. August, frühmorgens in eine Auseinandersetzung verwickelt, an dessen Ende er erstochen wurde – verdächtig sind ein Iraker und ein Syrer. Es kam das Gerücht auf, H. und zwei weitere Männer hätten junge Frauen vor sexueller Belästigung schützen wollen – eine Geschichte, die perfekt ins Narrativ rechter Aktivisten passt. Daraufhin sammelten sich verschiedene rechte Gruppen in Chemnitz, um tagelang unter dem Deckmantel der Trauer gegen Ausländer und Migranten zu hetzen.

Doch besagtes Gerücht stellte sich als falsch heraus, zum anderen hatte H. selbst ausländische Wurzeln, war Kubanischdeutscher mit weltoffenen und toleranten Ansichten. Er wurde in vielen Interviews mit Angehörigen und Freunden als fröhlich und gesellig beschrieben. Auch nach seinem Tod ist er in gewisser Weise ein Opfer – ein Opfer rechter Instrumentalisierung.

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