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Wissenschafts-Kooperationen mit RusslandAuf Eis gelegt

Norddeutsche Unis und Hochschulen haben ihre Zusammenarbeit mit russischen Institutionen eingefroren. Aber persönliche Kontakte sollen bleiben.

Damals war Russland noch beteiligt: Die Mosaic-Expedition der „Polarstern“ im Jahr 2020 Foto: dpa/Alfred-Wegener-Institut | Markus Rex

Osnabrück taz | Für die Wissenschaft ist internationaler Austausch wie die Luft zum Atmen. Wird ihr diese Luft abgeschnürt, leidet sie. So gut die Gründe also auch sind, wissenschaftliche Verbindungen nach Russland zu kappen: Die Konsequenzen für Forschung und Lehre sind hart. Putins Angriff auf sein Nachbarland hat auch in der norddeutschen Wissenschaftslandschaft zu klaren Statements geführt.

„Wir pflegen neun institutionelle Kooperationen nach Russland“, sagt Frieda Berg, Sprecherin der Uni Osnabrück, der taz. „Diese Kontakte liegen temporär auf Eis.“ Zudem seien alle neuen projektbezogenen Mobilitäten aus Russland nach Deutschland ausgesetzt. „Das ist eine grundsätzliche Entscheidung“, sagt Berg. „Universitäten sind weder in der Lage noch willens, eine Gesinnungsüberprüfung vorzunehmen und werden dies auch nicht tun.“

In Osnabrück ist der persönliche Austausch zwischen WissenschaftlerInnen beider Staaten „selbstverständlich“ weiterhin möglich. „Wir wollen die Bande nicht für immer kappen.“ Auch die Zusammenarbeit mit russischen KollegInnen in Osnabrück geht weiter: „Alle Mitarbeitenden sind Teil unserer akademischen Gemeinschaft“, sagt Berg. „Unabhängig von ihrer Nationalität. Sie genießen unser Vertrauen und stehen unter unserem Schutz. Weder die Herkunft noch die politische Gesinnung dürfen zu Diskriminierung führen.“

An der Uni Hamburg (UHH) sieht man das ähnlich. Sie habe „alle institutionellen Kooperationsaktivitäten mit russischen Einrichtungen vorübergehend ausgesetzt“, wird der taz mitgeteilt: „Bisher gab es keine Resonanz von betroffenen Institutionen.“

Kontakte „auf der individuellen Ebene“ zwischen deutschen WissenschaftlerInnen und ihren KollegInnen in Russland seien nicht untersagt. Brauchen russische Wissenschaft­lerInnen Hilfe, leistet ihnen die UHH, Mitglied von Scholars at Risk, Unterstützung. Einen Braindrain, den forcierten Abfluss qualifizierter Fachkräfte, um Russland zu schwächen, unterstützt die UHH nach eigenen Angaben nicht: „Eine gezielte Anwerbung russischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler findet nicht statt.“

Wir wollen die Bande nicht für immer kappen

Frieda Berg, Sprecherin der Universität Osnabrück

Auch die Carl-von-Ossietzky-Uni Oldenburg blockiert Russland. „Uns ist bewusst, dass unser Aussetzen von Kooperationen und der aktiven Zusammenarbeit mit russischen Wissenschaftsorganisationen auch Kolleginnen und Kollegen sowie Studierende trifft, die den Krieg gegen die Ukraine ablehnen“, sagt Uni-Präsident Ralph Bruder. „Gleichwohl sehen wir angesichts der gegenwärtigen Krisensituation keine Alternative zu diesem Schritt.“

„Wir haben unsere Wissenschaftskooperationen mit Russland unterbrochen“, sagt auch Claudia Eulitz, Sprecherin der Kieler Christian-Albrechts-Uni (CAU), der taz. „Das beschränkt sich zunächst auf den Monat März.“ Auch ein gemeinsamer Studiengang mit einer russischen Universität ist betroffen: „Der Studierendenaustausch in diesem Studiengang wird dieses Sommersemester nicht stattfinden.“

Die CAU hat 92 Studierende und Doktoranden aus Russland, zudem weitere Mitarbeitende und Forschende. „Ihre Teilnahme am akademischen Leben wird nicht beeinträchtigt“, betont Eulitz. „Weder stellen wir unsere russischen Studierenden und KollegInnen unter einen Generalverdacht der Unterstützung des Krieges noch fordern wir ein Bekenntnis gegen den Krieg.“

Für eine derartige „Gesinnungsprüfung“ gebe es weder Grundlage noch Anlass. „Die vielen tausend WissenschaftlerIinnen und Studierenden, die sich in Russland gegen den Krieg aussprechen, sind ein deutliches Zeichen, dass zwischen den Menschen als Einzelpersonen und den offiziellen Verlautbarungen staatlicher Wissenschaftsinstitutionen unterschieden werden muss.“

Die CAU unterstützt, dass Forschende individuelle wissenschaftliche Kontakte zu russischen KollegInnen aufrechterhalten und beteiligt sich an Programmen, „die es Studierenden in Russland, die aufgrund von Protesten exmatrikuliert worden sind, ermöglichen, nach Kiel zu kommen“. Man versuche, mit Repressalien bedrohten russischen WissenschaftlerInnen zu ermöglichen, ihr Land zu verlassen.

Wie Wissenschaftskooperationen mittelfristig aussehen können? Die CAU orientiert sich hier an Bundesregierung und EU. Ferner an der Position des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und der Allianz der Wissenschaftsorganisationen, deren Sprecherrolle 2022 die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) innehat.

DFG setzt Projekte aus

Derzeit hat die DFG alle von ihr geförderten Projekte zwischen WissenschaftlerInnen aus Russland und Deutschland ausgesetzt; Förderanträge für neue deutsch-russische Kooperationen und Fortsetzungsanträge für laufende Projekte werden nicht angenommen. Sie bedauere diese Maßnahmen „für die Wissenschaft zutiefst“.

Der DAAD hat seinen Austausch mit Russland gegenwärtig eingeschränkt. Aufenthalte deutscher Studierender, Lehrender und Forschender sind davon betroffen, auch Veranstaltungen deutscher mit russischen Hochschulen.

„Auf ein Minimum“ reduziert die Uni Bremen derzeit ihre Kooperationen mit russischen Wissenschaftseinrichtungen. Austauschprogramme sind eingefroren, neue werden nicht begonnen. Der Kontakt zu russischen Wissenschaft­lerInnen besteht jedoch fort. Besonders heikel ist die Lage für die Forschungsstelle Osteuropa (FSO). Kooperationsfortsetzung, Reisen nach Russland? Beides steht in den Sternen. Hart auch für Promovierende, die jetzt womöglich komplett umdenken müssen.

Die Zusammenarbeit mit russischen Forschenden läuft in Bremen weiter. „Die Universität steht für Weltoffenheit, demokratische Werte, Diversität und Toleranz“, sagt deren Sprecherin Meike Mossig zur taz. „Niemand wird aufgrund seiner Herkunft oder Staatsbürgerschaft ausgegrenzt.“

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2 Kommentare

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  • "Es war wieder wie in der Sowjetunion!", sagt der seit langen in Hamburg lebende und forschende russische Wissenschaftler Alexander Lichtenstein", wenn er die bedrohliche Atmosphäre bei der Zusammenarbeit mit in Russland forschenden Wissenschaftlern beschreibt.



    "Als Forscher aus dem Westen wurde man zunehmend als Spion verdächtigt!"



    Trotzdem wirbt er für irgendeine Form der Zusammenarbeit, um den Forschern in Russland zu zeigen: Ihr seid nicht allein auf der Welt!



    "Ich kann mich noch erinnern, wie schlimm das Gefühl in der Sowjetunion war! Ich war 15 Jahre Teil der Science-Community und weiß genau, wie ich darunter gelitten habe isoliert zu sein!", sagt Lichtenstein. Er glaubt nicht, dass irgendein Wissenschaftler in Russland für den Ukraine-Krieg ist.



    Kontaktverbot, Isolation titelt und fordert die FAZ in dem Zusammenhang. Wirklich?



    Was sagen Ministerin Stark-Watzinger und Ministerin Baerbock zur Isolation russischer Wissenschaftler? .

    www.deutschlandfun...-9cd0-86b177726ec0

  • Das ist ein großer Fehler und fällt Wissenschaftlern und Lehrern in Russland regelrecht in den Rücken! Es ist diese gut informierte Schicht, die zu Tausenden an russischen Universitäten und Schulen zurzeit Karriere und Gefängnis riskieren, weil sie sich nicht mit dem Krieg gegen die Ukraine gemein machen will und öffentlich protestiert. Dies als deutscher Wissenschafsbürokrat zu loben, gleichzeitig aber dem einzelnen Wissenschaftler den Boden einer Kooperation oder Dissertation unter den Füßen wegzuziehen ist Gratisheldenmut und scheinheilig.



    Zu Zeiten des Kalten Krieges waren es die wissenschaftlichen und kulturellen Austauschprogramme, die als Erstes halfen, das Eis einer erstarrten Gesellschaft in der Sowjetunion und Deutschland aufzubrechen. "Auf Eis gelegt!"



    Ahnt auch nur ein deutscher Wissenschsftsbürokrat, wie wichtig es ist, als russischer Historiker Teil eines Austauschprogramms zu sein, weil er schon seit Jahren mit seiner kritischen Forschung in Russland politisch gegängelt wird?



    Die TAZ sollte das Ganze an Hand von weiteren Beispielen kritisch diskutieren und die Politik zur Rede stellen. Als ehemalige Austauschstudentin in Prag könnte Dr. Angela Merkel sicher ganz konkret berichten, warum eine Kooperation und Austausch in finsteren politischen Zeiten politisch eine gute Sache ist.