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Wissenschaft auf TiktokProf gefeuert, Unterricht läuft

Auf Tiktok kämpft er gegen Trumps Wissenschaftsabriss: Professor John Friedman wurde entlassen, lehrt aber weiter – und stellt vor allem Fragen.

Er lehrt und lehrt und lehrt: Ein Professor, den die Studis lieben, weil er leidenschaftlich ist Foto: youtube@JohnFriedman-prof

Dass auch heute noch so viele „Der Club der toten Dichter“ schauen, das habe Professor John Friedman nicht gewusst. Noch weniger hat er damit gerechnet, in den vergangenen Wochen mit dem von Robin Williams gespielten Lehrer John Keating verglichen zu werden.

Dabei ist es naheliegend: Wer Friedman von seinem Fach, der Anthropologie, sprechen hört, hört Leidenschaft.

Und zugehört wird ihm: Sein meistgeklicktes Tiktok-Video erreichte über 36 Millionen Menschen. „Sie haben unseren Prof gefeuert, aber der Unterricht ist noch nicht vorbei“, heißt es dort. Im Hintergrund läuft ein Zusammenschnitt des Dozenten, der seine Vorträge draußen hält – teils bei Regen, immer umringt von interessierten Studierenden.

Friedman ist nicht der Einzige, der nach Semesterende nicht mehr am niederländischen University College Roosevelt angestellt sein wird. Laut ihm wurden 30 Prozent der Fakultät entlassen, die Universität spricht von 25 Prozent. Grund dafür sei das fehlende Budget. Die Regierung habe Förderungen gestrichen und plane ein Gesetz, das die Anzahl internationaler Studierender reduzieren soll. Leidtragende seien laut Friedman überwiegend die Human- und Sozialwissenschaftler:innen.

Komplexes Denken bitte

Dass andere Fächer mehr Geld einbringen könnten, wisse auch er. Dennoch könne die Lösung nicht darin liegen, eine öffentliche Bildungseinrichtung wie ein profit­orientiertes Unternehmen zu führen.

Denn es brauche in unserer Gesellschaft neben den Naturwissenschaften eben auch Köpfe, die andere Fragen stellen. Die Anthropologie helfe, „aufzuzeigen, dass Dinge, die auf den ersten Blick einfach erscheinen, sehr viel komplexer sind“, so Friedman. Donald Trump, der das Bildungsministerium auflösen will und eine Alice Weidel, die davon fantasiert „alle Genderstudies [zu] schließen“ und „diese Professoren raus[zu]schmeißen“, bedrohen das komplexe Denken.

Gerade auf Tiktok, der Plattform, die oft und teils auch zu Recht kritisiert wird, einen so konstruktiven und leidenschaftlichen Austausch von Menschen zu sehen, die sich für die Wissensvielfalt einsetzen (Tiktok: „jtfriedman1“), macht Mut. Friedmans Vorlesungen gibt es auch in voller Länge auf Youtube.

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12 Kommentare

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  • Zur Überschrift: Hier sind Wilders, Yesilgöz & Co. die Schuldigen, die neoliberal agieren.



    Nicht alles ist kausal Trump.

    Zum Inhalt: Nicht unterkriegen lassen - gute Aktion!

    • @Janix:

      Der Witz ist das hat nichts mit neoliberal zu tun, diese Unis machen sehr viel Geld durch die meisten dieser Programme weil auf Englisch und weil attraktiv für internationale Studenten die Geld in die Niederlande bringen, selbst Programme die sich selbst nicht tragen , erhöhen die Gesamtattraktivität der Uni. Jetzt soll es weniger Englisch geben, es sind aber die niederländischen Studenten die der Kostenfaktor sind, die wohnen noch oft zu Hause und zahlen weniger Studiengebühren. Es ist schlicht Borniertheit.

      • @Machiavelli:

        Studierende haben vor allem dann (ökonomischen) Wert, wenn sie ihre Qualifikation auch in den Niederlanden einsetzen.

        Genauso sind ausländische Studis keine Wählers und haben es oft nicht mal auf die Reihe bekommen, einfachstes Niederländisch zu lernen oder auch nur ihre Cocktails mit einem 'asseblief' zu bestellen (die Regierungsparteien fremdeln bekanntlich).



        Die Niederlande sind sowieso dichtbesiedelt, die Mieten sind in den meisten Teilen hoch, darum das Zuhausewohnen.

        Dass die Niederlande nicht die Unzulänglichkeiten der bundesdeutschen Bildungspolitik wie hierzulande zu wenig Studienkapazitäten oder eine zu schlechte Cannabisqualität ausputzen müssen, verstehe ich sofort.



        Dass sie wichtige Denk-Fächer schließen, das würde ich in Frage stellen.

  • Schade dass er nicht über Tiktok nachdenkt. Das sollte man nicht verwenden sondern ignorieren. Reichen die dortigen Suchtmechanismen denn nicht als Argument, den Mist nicht zu beachten?



    Damit machen sich Wissenschaften leider selbst unglaubwürdig, so wie die "Politik", die dort beworben wird.

  • Ein wenig clickbait ist immer, oder?



    Die Entlassung hat mit Trump nichts zu tun (steht auch nicht im Text).



    Es geht um einen Prof an einem niederländischen College, einemTeil der Utrecht University, gegr. 2004 mit 550 Studierenden und 200 Kursen. Es kann schon mal vorkommen, das Institute oder Teile reduziert oder geschlossen werden. Das ist nicht das Ende der Wissenschaft, auch nicht der Geisteswissenschaft in den Niederlanden. Wenn es wirklich so toll ist, wird es bestimmt auch - vielleicht anderswo - fortgesetzt.

    • @fly:

      Zum Beispiel aktuell im Internet.

  • Ja, wir brauchen die Geisteswissenschaften, die Musik, die Literatur, die bildende und die darstellende Kunst, die Philosophie, die Geschichte und die in diesen Fachgebieten forschenden WissenschaftlerInnen, denn sonst herrscht bald gähnende intellektuelle Leere.

    • @Aurego:

      Die herrschst auch so, außer sie treiben die Leute mit dem Bayonet in die Vorlesungen werden Leute wie Trump oder AFD Wähler da nicht anzutreffen sein.

      • @Machiavelli:

        Es sind die Leute, an die man sich noch in 200-1000 Jahren erinnert, die die eigentlichen Prioritäten einzuordnen helfen. Naturwissenschaftler sind wenige dabei, Mathematiker (nein, die Mathematik ist keine Naturwissenschaft!) und Philosophen häufiger, Juristen selten, Ärzte nicht ganz so selten, Schriftsteller, Künstler und Musiker oft.

  • Ich habe nicht verstanden, was die Sparmaßnahmen an einer niederländischen Universität mit "Trumps Wissenschaftsabriß" zu tun haben.

  • Die UCR befindet sich in Utrecht. Reicht Trumps Arm soweit, dass er in NL Profs entlassen kann? Versteh ich nicht. Bisschen Background Info wäre schön gewesen.

  • Anthropologie kann z.B. Schein-Gewissheiten ins Wanken bringen - ich empfehle die Bücher des viel zu früh gestorbenen Anthropologen David Graeber.

    Und das ist wohl mehr wert als z.B. Spaltmaße obsoleter Verbrennerautos oder weitere BWLer-Massenproduktion. Auch wenn Rechte und Liberale da Angst haben.

    Ein Punkt schon: Die Niederlande wurde überlaufen mit ausländischen Studierenden, die nachher nicht zwingend blieben, in englischsprachigen Studiengängen. Von Friedman verlangen, Niederländisch lehrfähig zu lernen, wäre m.E. akzeptabel. Alles andere aber nicht.

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