Wirtschaftshilfen in der Coronakrise: Grün nur zu 2,5 Prozent
Die UNO fleht die Staaten an, Coronahilfen in Umwelt und Entwicklung zu stecken. Das machen aber nur ein paar reiche Länder wie Deutschland.
„Trotz beträchtlicher Hinweise darauf, dass umweltfördernde Fiskalpolitik zu den effektivsten Instrumenten der wirtschaftlichen Erholung gehört“, heißt es im Bericht, „wurde 2020 sehr wenige von solchen grünen Ausgaben verkündet.“
Die Mahnung der UNO verhallt
Seit Beginn der Coronapandemie vor einem Jahr haben die WissenschaftlerInnen die Daten zusammengetragen. Schon früh hatte UN-Generalsekretär Antonio Guterres gefordert, die großen Summen der Hilfspakete seien eine Belastung für die öffentlichen Kassen, aber auch eine große Chance, in Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung zu investieren: „Wir müssen besser wiederaufbauen!“, war seine Mahnung.
Jetzt zeigt sich: Sie wird bisher kaum erhöht. „Bauen wir besser wieder auf? Noch nicht!“, heißt es in dem Bericht. Insgesamt seien 14,6 Billionen Dollar an Hilfsmitteln geflossen, die meisten davon allerdings für Impfprogramme oder kurzfristige Liquiditätshilfen. Als Zahlungen für die langfristige Wirtschaftsstruktur identifiziert der Bericht davon nur 1,9 Billionen. Und hier sieht die grüne Bilanz besser aus: 18 Prozent dieser Geldflüsse seien im weitesten Sinne grün, urteilen die Experten – insgesamt 341 Milliarden. Nicht enthalten in den Zahlen sind angekündigte EU-Gelder, die noch nicht in den Budgets der Mitgliedsstaaten angekommen sind.
„Diese Verteilung der Ausgaben ist nicht gut genug, um der Rhetorik der Politik zu entsprechen“, sagte Brian O´Callaghan, Hauptautor des Berichts beim „Economy Recovery Project.“ Der Bericht solle es mit seinen offenen Datenquellen Menschen weltweit ermöglichen, die Ausgabenpolitik ihrer Regierungen zu überprüfen und sie im Zweifel zur Rechenschaft zu ziehen. „Zwar fördern nur 2 bis 3 Prozent der Ausgaben direkt neue CO2-Emissionen, aber die 82 Prozent nicht-grüne Investitionen verlängern eine Wirtschaftsweise, die keinen Umbau zeigt weg von den Krisen bei Klima, Verschmutzung und Artensterben.“
Fast die Hälfte der deutschen Ausgaben sind grün
Die Unterschiede in den Ausgaben der Staaten sind riesig. Den größten Brocken an Hilfsgeldern, gemessen an ihrer Wirtschaftskraft, beschlossen demnach Spanien, Großbritannien und Südkorea mit 15 bis 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, alerdings nur ein Zehntel bis zu einem Fünftel davon „grün“. An vierter Stelle liegt Australien mit praktisch gar keinem ökologischem Anteil an seinen Hilfsgeldern. Am unteren Ende stehen Staaten wie Südafrika und Thailand, auch die USA tauchen dort auf – allerdings ist das 1,9-Billionen-Paket von Präsident Joe Biden noch nicht mitgezählt, das am Mittwoch vom US-Kongress angenommen wurde.
Deutschland greift nach dieser Statistik mit etwa 2,5 Prozent seines BIP, 98 Milliarden Dollar, der Wirtschaft unter die Arme – und immerhin 47 Prozent davon werden als grün gezählt. Damit gehört die deutsche Fiskalpolitik in zu einer Gruppe der Öko-Vorreiter mit Dänemark, Norwegen, Finnland und Frankreich. Besonders positiv schlagen die 7 Milliarden Euro für die deutsche Wasserstoff-Strategie zu Buche, aber auch die geplanten Mittel für Gebäudesanierung, die Verkaufsprämie für E-Autos und den öffentlichen Verkehr.
Umweltministerin Svenja Schulze meinte: „Ein umwelt- und sozialgerechter Wiederaufbau nach der Krise zahlt sich für alle aus“. Es sei von „strategischer Bedeutung“, mit den Hilfsprogrammen Weichen für eine nachhaltige Gesellschaft zu stellen. Der Bericht zeige außerdem, „dass umweltverträglich ausgerichtete Konjunkturmaßnahmen nicht im Widerspruch zu Wirtschaftswachstum stehen, da sie starke, schnell wirksame Wachstums- und Beschäftigungsimpulse setzten.“
Armen Ländern droht die Schuldenfalle
Weltweit betrachtet „stehen wir an einer kritischen Weggabelung“, sagte Steven Stone von Unep zu den Daten. „Diese Chance haben wir nur einmal im Leben, so effizient in den Umbau des Systems zu investieren.“ Die Durchschnittszahlen versteckten allerdings die riesigen Unterschiede weltweit, heißt es im Bericht. So hätten Industrieländer im Schnitt über 20.000 Dollar pro Kopf der Bevölkerung an Hilfsgeldern angekündigt – Schwellen- und Entwicklungsländer dagegen nur 680 Dollar und die am wenigsten entwickelten Staaten nur 10 Dollar pro Kopf.
„Die überwiegende Mehrheit der grünen Investitionen kommen von einer kleinen Gruppe von Ländern mit hohem Einkommen“, heißt es. „Die Verschuldung verhindert große Ausgaben in den Entwicklungsländern.“ Und die nächste Krise zeichne sich schon ab: „es wird substanzielle Hilfe von internationalen Partnern brauchen, um wachsende Armut und zunehmende Ungleichheit abzumildern.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen