Wilmersdorfer „Thaiwiese“ ist umgezogen: Eine Tradition kaputt gemacht
Der Thaimarkt im Preußenpark ist Geschichte. Der beliebte Streetfoodmarkt musste von der Wiese auf eine benachbarte Straße umziehen. Ein Rundgang.
Vor der Coronapandemie verkauften mehr als 100 Händler aus vielen fernöstlichen Ländern im Preußenpark asiatisches Streetfood. Der Markt war eine Institution, stand in vielen Berlin-Reiseführern – aber er war völlig illegal. Und er war den Anwohnern in Wilmersdorf schon lange ein Dorn im Auge, denn sie wollten ihre Grünfläche nicht mit Asiaten und Asienfans aus ganz Nord- und Ostdeutschland teilen, die sich hier am Wochenende trafen.
Der Bezirk wollte den Streetfoodmarkt in legale Bahnen lenken und hat nach Corona den Verkaufsplatz im Park auf 60 Händler beschränkt. Die müssen seitdem Steuern und Abgaben zahlen und werden lebensmittelhygienisch kontrolliert. In diesem Jahr beschloss die neue schwarz-grüne Zählgemeinschaft im Bezirk den Umzug des Marktes – gegen erbitterten Widerstand der bezirklichen SPD und der thailändischen Community, die vor dem Rathaus demonstriert hatte.
„Das ganze Flair ist weg“, sagt ein vietnamesischer Händler, der hier Getränke mixt. „Viele Gäste kommen nur einmal, um zu sehen, ob es den Markt noch gibt, aber sie kommen an den folgenden Wochenenden nicht wieder. Die Umsätze gingen zurück.“ Da spiele auch eine Rolle, dass die Markttage auf Samstag und Sonntag reduziert wurden. Zuvor wurde auch freitags verkauft. Heute gibt es weniger als 30 Händler.
„Es ist hier sauberer“
Vor allem diejenigen, die davon lebten, sind gegangen. Geblieben sind kleine Familien-Wochenendunternehmen. Die Thailänderin, die an einem Stand Fisch brät, arbeitet wochentags in einem Massagesalon, ihr Mann am Verkaufstresen ist Student. Und die Schwiegereltern, die im Hintergrund für Nachschub sorgen, sind Hausfrau und Werbefachmann. Sie sind die einzigen Verkäufer, mit denen die taz gesprochen hat, die dem neuen Standort bei aller Kritik auch etwas Gutes abgewinnen können. „Es ist hier sauberer und der Staub vom Park fliegt nicht herum“, sagt der Student.
Eine Schweizer Berlinerin hat ihre Decke am Straßenrand ausgebreitet. Sie ist mit ihren Gästen aus der Alpenrepublik hier und enttäuscht: „Es ist schade, dass es den alten Markt nicht mehr gibt. Aber das Essen ist lecker wie immer.“ Nebenan auf einer Bank lobt ein Kunde seine Teigtaschen, die er bei japanischen Händlern gekauft hatte. „Auf der Wiese wäre das natürlich alles cooler“, fügt er hinzu.
Die Wiese im Preußenpark kann man vom neuen Standort nicht einsehen. Man muss sich schon auskennen, um sie zu finden. So sind es ganz wenige Kunden, die sich am Samstag zur Mittagszeit in Gruppen auf ihren Decken treffen und bei fernöstlicher Küche den Tag genießen. In den Vorjahren war die Wiese voller solcher Decken und Leute.
Eine hier geborene Studentin mit thailändischen Wurzeln hält gerade die Stellung, während ihre Freunde auf dem Markt Nachschub ordern. „Die Gemütlichkeit ist verloren gegangen“, sagt sie der taz. „Ich vermisse auch meine Lieblingshändler. Aber das Essen ist lecker wie immer. Es ist authentisch thailändisch. So etwas findet man in keinem thailändischem Restaurant in Berlin.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Syrische Geflüchtete in Deutschland
Asylrecht und Ordnungsrufe
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Doku über deutsche Entertainer-Ikone
Das deutsche Trauma weggelacht
Sednaya Gefängnis in Syrien
Sednaya, Syriens schlimmste Folterstätte
Schwarz-Grün als Option nach der Wahl
Söder, sei still!