WikiLeaks-Gründer Julian Assange: Merkel und die Geschichtsbücher
120 prominente Personen fordern die Bundeskanzlerin dazu auf, sich bei ihrem USA-Besuch für Assange einzusetzen. Ihm drohen bis zu 175 Jahre Haft.
Wenn Angela Merkel zum letzten Mal in ihrer Amtszeit von US-Präsident Joe Biden in Washington empfangen wird, will sie mit ihm vor allem über das Pipelineprojekt Nord Stream 2, den Kampf gegen die Klimakrise und die Coronapandemie sprechen. 120 Prominente aus Politik und Gesellschaft würden ihr gern noch einen anderen Punkt auf die Tagesordnung setzen: die Freilassung von Julian Assange. In einem offenen Brief fordern sie die Bundeskanzlerin auf, „im Fall Julian Assange Brücken zu bauen“ und beim US-Präsidenten Biden dafür zu werben, „die Klage gegen den Wikileaks-Gründer fallen zu lassen“.
Der Whistleblower Julian Assange lebt mittlerweile seit neun Jahren in Unfreiheit. Zunächst hatte er sich in die ecuadorianische Botschaft in London geflüchtet, seit April 2019 sitzt er im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. In den USA drohen ihm unter anderem wegen Enthüllungen von Kriegsverbrechen in Afghanistan und im Irak 175 Jahre Haft.
Initiiert hat den Brief an Angela Merkel der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff. Zu den Unterzeichner:innen gehören Ex-Minister wie Sigmar Gabriel (SPD) und Oskar Lafontaine (Linke), Schriftstellerinnen wie Sibylle Berg und Elfriede Jelinek, ebenso wie die taz-Chefredakteurin Ulrike Winkelmann. Mittlerweile haben sich auch 45.000 mehr oder weniger prominente Unterzeichner:innen den Forderungen angeschlossen.
Die Briefschreiber:innen verlangen von Merkel nicht nur den Einsatz für „Menschenrechte und Demokratie“, sie stellen sowohl Merkel als auch Biden die Frage: Wie wollt ihr, dass man sich in Zukunft an euch erinnert? Für Merkel wäre es „eine starke, bleibende humanitäre Geste“ zum Ende ihrer Amtszeit und „für Präsident Joe Biden die Gelegenheit, die Ära Trump auch im Sinne des Schutzes von Presse- und Meinungsfreiheit gänzlich hinter sich zu lassen.“
Bleibt die Frage, ob die beiden damit zu kriegen sind. In den Geschichtsbüchern der Zukunft werden die Gelegenheiten, die Angela Merkel verstreichen ließ, Assange politisches Asyl zu gewähren, vielleicht gar keine Erwähnung finden. Und ob Biden in diesem Fall neue Wege geht, ist auch mehr als ungewiss. Was allerdings nicht passieren darf, ist, dass die Enthüllungen, die wir Julian Assange, Chelsea Manning und anderen unter Einsatz ihrer Freiheit und ihres Lebens zu verdanken haben, darin vergessen werden.
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