piwik no script img

Wiederaufbereitungsanlage in RusslandAtomarer Zwischenfall im Ural

In Nowouralsk starb ein Mensch, als Uranhexafluorid aus einem Container entwich. Dieser könnte aus Deutschland angeliefert worden sein.

Ein ukrainischer Notfallhelfer trägt einen Strahlenschutzanzug während einer Übung für atomare Notfälle Foto: Evgeniy Maloletka/dpa

Kiew taz | In der Wiederaufbereitungsanlage im russischen Nowouralsk ist Uranhexafluorid aus einem Container entwichen. Am Freitag, so berichtet der Betreiber der Anlage, der russische Atomkonzern Rosatom, auf seiner Internet-Seite, sei es in einem 1 Kubikmeter großen Behälter zu einer Leckage gekommen. Der Unfall habe einen Mitarbeiter das Leben gekostet. Der Vorfall sei in der geschlossenen Werkshalle Nr. 53 des Uraler Elektrochemischen Kombinats, einem Unternehmen von Rosatom, geschehen. Es bestehe keine Gefahr für die Bevölkerung, die Strahlenwerte lägen im Normbereich, so Rosatom.

Etwas ausführlicher von dem Unfall berichtet Ekaterinburg Online. Über hundert Personen seien nach der „Explosion“ in ein Krankenhaus eingeliefert worden, so e1.ru. Diese seien jedoch nicht Opfer der Explosion, sondern nur Mitarbeiter, die sich an der Unglücksstelle aufgehalten hatten und nun untersucht werden müssten. Medizinisches Personal wurde aufgefordert, unverzüglich aus dem Urlaub oder dem bereits angetretenen Wochenende an ihre Arbeitsplätze zurückzukommen.

Wirklich unabhängig lassen sich diese Informationen nicht nachprüfen. Denn das 80.000 EinwohnerInnen zählende, 77 Kilometer von der Metropole Ekaterinburg entfernt liegende Nowouralsk ist eine geschlossene Stadt.

Wer sie besuchen will, darf dies nur mit Genehmigung von Rosatom tun. Und Rosatom gewährt Greenpeace oder unabhängigen Journalisten keinen Zugang in diesen Ort. Das heißt, unabhängige Proben von Luft, Boden und Wasser können in Nowouralsk nicht vorgenommen werden. Man ist auf die Informationen des Betreibers der Wiederaufbereitungsanlage, eben Rosatom, angewiesen.

Und Rosatom verschweigt in seinem Text über den Vorfall in Nowouralsk die anderen Gefahren, die von abgereichertem Uran ausgehen.

Uranhexafluorid hat eine sehr gefährliche chemische Eigenschaft: Wenn es mit Wasser in Verbindung kommt – und da reicht schon ganz alltägliche Luftfeuchtigkeit – entsteht Flusssäure. Die ist noch viel ätzender als Salzsäure; sie ätzt sogar Glas durch, berichtet Greenpeace.

Flusssäure wirkt stark schädigend auf die Haut, die Schleimhäute und die Bindehaut der Augen, wobei schon eine geringe Exposition schnell zum Tod führen kann.

Behälter aus Gronau

Vor dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 hatte die im westfälischen Gronau angesiedelte Firma Urenco Zigtausende Tonnen von abgereichertem Uran nach Russland und auch nach Nowouralsk exportiert. Somit ist nicht auszuschließen, dass sich die Explosion an einem aus Deutschland stammenden Behälter ereignet hat.

Im Krieg gegen die Ukraine gewinnt abgereichertes Uran wieder an Bedeutung. So sind Pläne der USA und Großbritanniens bekannt geworden, mit Uran angereicherte Munition an die Ukraine zu liefern. Waffen mit abgereichertem Uran, so die Ärzteorganisation IPPNW, würden weitreichende Umwelt- und Gesundheitsschäden am Menschen verursachen.

Als Folge des Einsatzes von Munition mit abgereichertem Uran sei es zum Beispiel im Irak und im Kosovo zu einem Anstieg von Fehlbildungen bei Neugeborenen sowie Krebs bei Kindern und Erwachsenen gekommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Bei Autoklimaanlagen wurde bis vor ein paar Jahren das Kältemittel R134a verwendet. Da es 1500x klimaschädlicher ist als CO2 wurde es durch die EU verboten.

    Als Ersatz setzte die Autoindustrie das Kältemittel R1234yf durch.



    Im Gegensatz zum Kältemittel R744 (=CO2) erfordert es keine neuen PKW-Klimaanlagen und es ist nur noch 4x so schädlich wie CO2.



    Bei Bränden entsteht jedoch Flusssäure.

  • Fuck.



    Mir fällt grad ein, dass Diktator Putin, dem wir- um Geld zu sparen (=Entsorgungskosten)- unseren Atommüll geliehen haben, ja jederzeit uns diesen wieder zurückgeben könnte.



    Was machen wir dann.

    • @So,so:

      Ihn nicht annehmen? :D

  • "Als Folge des Einsatzes von Munition mit abgereichertem Uran sei es zum Beispiel im Irak und im Kosovo zu einem Anstieg von Fehlbildungen bei Neugeborenen sowie Krebs bei Kindern und Erwachsenen gekommen."



    Das alles ist im Zusammenhang mit den Versäumnissen der letzten Dekaden noch viel klarer als globales Versagen in der Prävention von Uran-Missbrauch und Krieg unter Verwendung von uranabgereicherter Munition zu verstehen. Die Initiativen sind mehrere Jahrzehnte alt, der Erfolg ist überschaubar.



    //



    www.ippnw.de/frieden/uranmunition.html



    //



    "Die Folgen des Uranwaffeneinsatzes sind in Zeit und Raum unbegrenzt und stellen - enstprechend anderen Kriegsüberresten - eine schädliche Belastung für die menschliche und natürliche Umwelt dar. Ähnlich wie bei der erfolgreichen Landminenkampagne und dem "Ottawa-Verfahren" strebt die ICBUW ein Verbot der Uranwaffen an, um die bestehende Völkerrechtswidrigkeit des Einsatzes dieser toxischen Waffen, der militärische und zivile Ziele gleichermaßen trifft, zu bestätigen. Das Verbot sollte die Herstellung und Vernichtung der Waffen sowie das Aufräumen und die Entschädigung der Opfer umfassen."



    Das war vor 17 Jahren.



    Außer die 'taz' interessiert sich im Bereich der Berichterstattung normalerweise kaum ein "Organ" für das Thema der Folgen dieser Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung. Also weitermachen, im Namen der unschuldigen Opfer! Das ganze Netzwerk der Atom-/Uranindustrie bedarf dringend investigativer Durchleuchtung, speziell die Verbindung von Rosatom zu Gronau.



    /



    www.ippnw.de/atome...brik-auf-atom.html



    //

  • Flussäure gehört zu den von Chemikern am meisten gehassten Substanzen.



    Denn der Umgang ist stets höchstgefährlich.



    Schutzanzüge und Gasmasken nutzen kaum.



    Und so bleibt nur der Anzug mit Fremdluftversorgung ("Pluto" genannt).

    Uranhexafluorid ist ein fester Stoff der allerdings schnell verdampft und dann in Gaszentrifugen genutzt wird um die Uransorten (235 und 238) zu trennen ("anreichern")



    Uranhexafluorid zerstetzt sich sehr leicht in Flußsäure und Urankritalle.



    Und beide sind alles andere als lustig.