Wiederaufbau der Bornplatz-Synagoge: Der Streit geht weiter
Der Historiker Moshe Zimmermann und weitere Israelis kritisieren den Wiederaufbau der Hamburger Synagoge. Die Gedenkstätte müsse erhalten bleiben.
Ein Neubau würde damit „die Tragödie, die von den Nazis verübt wurde, untergraben“. Erhalten haben den Brief die Israelische Botschaft in Berlin, die Jüdische Gemeinde in Hamburg und Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD).
Zimmermann ist emeritierter Historiker und Antisemitismusforscher. Seine Eltern waren in Hamburg geboren, mussten 1937 allerdings aus Deutschland fliehen. Zimmermann kehrte zu Forschungsaufenthalten später für viele Jahre nach Hamburg zurück und konzentrierte sich auch an der Hebräischen Universität Jerusalem vorwiegend auf die deutsche Geschichte.
Zu den 44 mitunterzeichnenden Israelis gehören etwa auch der ehemalige israelische Botschafter in der Bundesrepublik, Avi Primor, und der Künstler Micha Ullman, der 14 Jahre lang Professor für Bildhauerei an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart war.
Gedenkstätte soll erhalten bleiben
Ihre zentrale Kritik an den Plänen ist, dass an dem Ort derzeit eine beeindruckende Gedenkstätte existiere. Diese durch einen Wiederaufbau der 1906 errichteten Synagoge zu beseitigen, würde „das Ausmaß der Untaten untergraben, die von den Nazis begangen wurden“.
Das bestehende Denkmal der Künstlerin Margrit Kahl solle erhalten bleiben. Kahl hatte 1988 am Bornplatz ein Bodenmosaik erschaffen, der dem Umriss der Synagoge nachempfunden ist. Würde in Hamburg dennoch dringend eine neue Synagoge gewollt sein, solle sie besser an anderer Stelle gebaut werden.
Von Zimmermann wiederum ist der Brief nicht die erste Stellungnahme zu den Wiederaufbauplänen. Mitte Januar hatte er in einem Gastbeitrag im Tagesspiegel ebenso deutliche Worte gefunden, besonders zur Unterstützungskampagne „Nein zu Antisemitismus, Ja zur Bornplatzsynagoge“: Wer gegen Antisemitismus sei, müsse zwingend den Wiederaufbauplänen zustimmen, las er aus der Kampagne heraus.
Das empfand er als einen dreisten Versuch gegen jedwede Kritik. „Wer gegen den Neuaufbau der Synagoge auf dem ehemaligen Bornplatz ist, ist also Antisemit“, kritisierte er.
Im Hamburger Abendblatt wiederholte der bekennende HSV-Fan Zimmermann die Kritik an dem Slogan, für ihn klinge das wie „Gegen Rassismus, für den Aufstieg des HSV“.
Jüdische Gemeinde wehrt sich gegen Kritik
Unterstützer:innen sehen im Bau der Synagoge hingegen eine Möglichkeit, etwas gegen Antisemitismus in der Gesellschaft zu unternehmen. „Die Bornplatzsynagoge wird ein Ort der Begegnung und des Dialoges, um Unwissenheit und Vorteile abzubauen“, sagte der Initiator Daniel Sheffer zum Abschluss der Kampagne.
107.000 Unterschriften hatte die Kampagne gesammelt. SPD, Grüne, CDU, FDP und Linke in Hamburg haben sich geschlossen hinter die Idee gestellt, eine repräsentative Synagoge am Bornplatz zu errichten.
Eine von der Jüdischen Gemeinde und dem Senat ausgeschriebene Machbarkeitsstudie soll noch offene Fragen klären, etwa:
Wie kann der Neubau architektonisch gestaltet werden?
Was passiert mit dem denkmalgeschützten ehemaligen Luftschutzbunker am Allende-Platz?
Wie wird nach dem Bau die Synagoge in der Hohen Weide genutzt?
Die Jüdische Gemeinde in Hamburg hatte sich gegen die Kritik zuletzt vielfach gewehrt – und argumentiert auch auf Grundlage der Bedeutung des Bornplatzes. „Die Nazis haben sozusagen bis heute gewonnen, haben erreicht, dass dieser Platz leer ist – auch wenn zumindest, und das ist hoch anzuerkennen, an die Synagoge erinnert wird. Aber deren Bunker steht noch – unsere Synagoge nicht“, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeine, Philipp Stricharz, kürzlich der taz.
Nicht zuletzt durch den Brief wird die Debatte um eine neue Synagoge in Hamburg mittlerweile auch international geführt. Vorige Woche kritisierte ein Beitrag in der liberalen israelischen Tageszeitung Haaretz die Wiederaufbaupläne. Die im Brief verfasste Kritik fällt in eine Woche, in der sich in Hamburg im Rahmen des bundesweit begangenen Festjahrs „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ Kultur- und Bildungseinrichtungen mit der jüdischen Geschichte und Gegenwart auseinandersetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus