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Wieder Raketen auf GazaIsrael beschießt Krankenhaus

Die Al Ahli-Klinik gilt als die wichtigste in Gaza. Israels Armee bestätigt den Angriff vom Wochenende, Ziel sei eine Hamas-Zentrale gewesen.

Blick auf das zerstörte Al-Ahli Arab Baptist Hospital am 13. April in Gaza City Foto: Dawoud Abu Alkas/reuters

Jerusalem taz | Ein israelischer Angriff hat in der Nacht auf Sonntag Teile des wichtigsten, noch teilweise funktionierenden Krankenhauses in Gaza-Stadt zerstört. Dem palästinensischen Zivilschutz zufolge wurden bei zwei Raketeneinschlägen das Operationsgebäude und Sauerstoffkonzentrationsgeräte für die Intensivstation zerstört.

Tote wurden zunächst nicht gemeldet. Laut der anglikanischen Kirche in Jerusalem, die die Klinik betreibt, starb infolge der „überstürzten Evakuierung“ ein Kind, das wegen einer Kopfverletzung behandelt worden war.

Zwischen der Warnung der Armee und dem Einschlag lagen der Kirche und der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa zufolge knapp 20 Minuten. Zahlreiche Videos in sozialen Medien zeigen Menschen, die in der Nacht in Rollstühlen und Krankenhausbetten auf die Straße geschoben wurden. Von den zwölf noch teilweise betriebenen Krankenhäusern in Gaza-Stadt war das Al-Ahli-Hospital laut dem UN-Nothilfebüro Ocha eines der am besten funktionierenden.

Die Armee teilte mit, ein „Kommando- und Kontrollzentrum“ der Hamas auf dem Klinikgelände angegriffen zu haben. Seit Kriegsbeginn hat Israel wiederholt nach humanitärem Völkerrecht geschützte Kliniken im gesamten Gazastreifen angegriffen und das Gesundheitssystem weitgehend zerstört. Israel wirft der Hamas vor, Krankenhäuser militärisch zu nutzen, was die radikal islamistische Miliz bestreitet.

Auch im übrigen Küstenstreifen rückte die Armee in mehreren Gebieten vor, stieß dabei aber laut mehreren Berichten in hebräischen Medien kaum auf Widerstand. Am Wochenende wurden weitere Evakuierungsbefehle erlassen, unter anderem nach dem Abschuss von Raketen aus Nuseirat und Chan Junis im Zentrum Gazas. Die rund zwei Millionen palästinensischen Bewohner drängen sich auf immer engerem Raum zusammen.

Was soll der militärische Nutzen sein?

Der militärische Nutzen ist fraglich: Armeechef Eyal Zamir forderte die Soldaten bei einem Besuch im Süden Gazas vergangene Woche auf, „die Rafah-Brigade der Hamas zu besiegen“, die die Armee bereits im vergangenen August für zerstört erklärt hatte.

Verteidigungsminister Israel Katz deutete am Samstag an, die Maßnahmen sollten die gesamte Bevölkerung des Küstenstreifens unter Druck setzen. Von den Palästinensern in Gaza forderte er, „die Hamas zu entfernen und alle Geiseln freizulassen“, andernfalls würden weitere Gebiete eingenommen.

Die seit eineinhalb Monaten andauernde vollständige Blockade von Nahrungsmitteln, Treibstoff und Hilfsgütern hat laut den Vereinten Nationen die Vorräte an Essen, Wasser und Medikamenten aufgezehrt. Israels Angabe, während der zweimonatigen Waffenruhe seien ausreichend Hilfsgüter in den Küstenstreifen gelangt, weisen Hilfsorganisationen entschieden zurück.

Am Samstag schnitt die Armee durch den sogenannten Morag-Korridor die Stadt Rafah in Süd-Gaza vollständig vom Rest des Küstenstreifens ab. Israel kontrolliert mehr als die Hälfte des Gebietes. Das weitgehend zerstörte Rafah, rund ein Fünftel der Fläche Gazas, soll einer israelischen „Pufferzone“ hinzugefügt werden.

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20 Kommentare

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  • Gibt es noch einen militärischen Nutzen- stellen ja auch immer mehr israelische Militärs in Frage?!



    www.timesofisrael....-noisy-anarchists/



    Schön auch wie Netanjahu israelische Veteranen+ aktive Soldaten, welche die Kriegsführung kritisieren als "weeds" (Unkraut) bezeichnet.



    Im übrigen wurde durch die Zerstörung der Notaufnahme, des Labors und der Apotheke des Al Ahli Krankenhauses, das letzte noch halbwegs funktionierende Krankenhaus im Norden im Grunde außer Betrieb genommen, das nächstgelegende ist das Al Aqsa in Deir al-Balah in der Mitte des Gazastreifens. Ohne Labor ist ein Krankenhausbetrieb fast unmöglich und wie es in einem BBC Bericht heißt ist Al Ahli im Moment nicht mehr als ein Hostel. www.bbc.com/news/articles/c89g0yn5yv5o



    Aber ich bin mir sicher Israel wird schlagkräftige Beweise vorlegen, welche bestätigen das sich dort tatsächlich eine Kommandozentrale befunden hat, die so eine große Gefahr dargestellt hat, das es proportional war, das einzige Krankenhaus im Norden außer Betrieb zu setzen. So wie in den über 600 von der WHO dokumentierten Fällen von Angriffen auf med. Einrichtungen...nicht.

  • ...wer jetzt noch nicht sieht, daß Gaza "gesäubert" werden soll, dem ist echt nicht zu helfen.

  • Für Angriffe auf Krankanhäuser mit Bomben und Raketen gibt es keine Rechtfertigung. Wenn es eine Zentrale dort gegeben haben sollte, dann schickt man gefälligst Sodaten rein und räumt diese aus.

    • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin
      @torrez:

      Wie stellen Sie sich das vor. Dass die Hamas-Terroristen, die sich völkerrechtswidrig unter dem Krankenhaus verstecken, sich beim Eintreffen der IDF-Infanteristen kampflos ergeben?

      Das höchstwahrscheinliche Feuergefecht würde ggf. zahlreiche Nichtkombattanten in Mitleidenschaft ziehen.

      Die Vorwarnung geht nur bei Luftangriffen.

      Man kann nicht ernsthaft von Israel verlangen, dass die eigenen Fußsoldatenunnötige Risiken unnötige Risiken eingehen, die übrigens auch und gerade mutmaßliche Zivilisten als Kollaterlschaden zur Folge haben könnten.

      Wesentlich leichter las das Kopfzerbrechen um die Kriegstaktik wäre das Bravourstück, die israelischen Geiseln endlich frei zu lassen.

  • Ein weiteres Kriegsverbrechen ohne accountability.

  • Die Zivilbevölkerung als Schutzschilde zu missbrauchen ist ein Kriegsverbrechen. Besonders Geschützte Gebäude, wie Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten, Religiöse Stätten, oder auch UN Gebäude für militärische Zwecke zu nutzen ist ein Kriegsverbrechen. Dasselbe gilt für die Nutzung von Krankenwagen, Feuerwehren etc. oder Fahrzeugen mit Pressekennzeichnungen für militärische Operationen. Oder dafür nicht in Uniform zu kämpfen um sich unter der Zivilbevölkerung verstecken zu können. Die Hamas macht all das nicht nur vorsätzlich und systematisch sondern auch offen und aus voller Überzeugung. Ihr ist das Völkerrecht genauso egal wie die eigene Zivilbevölkerung, für sie gilt nur das Gesetz Gottes, und das Ziel heiligen Boden von Ungläubigen zu befreien. Aus ihrer Sicht ist diese Mission wichtiger als alles andere und die Zivilbevölkerung ist in ihren Augen nur eine Ressource in diesem heiligen Kampf. Das ist der Grund für die hohen zivilen Opferzahlen in Gaza. Und die Tatsache das die Zivilbevölkerung seit Beginn des Krieges gezielt und bewusst an der Flucht gehindert wird — denn ohne die würde die Strategie nicht aufgehen.

  • Das Übliche.

    Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen, UNRWA-Zentren etc. sind weiterhin beliebte Kommandozentralen und Lagerstätten für Waffen der Hamas.

    Die Palästinenser haben keine Chance. Ihr größer Feind ist unter ihnen.

    • @shantivanille:

      Das Übliche.



      Israel bombardiert ein von der anglikanischen Kirche betriebenes Krankenhaus, behauptet danach ohne jeden Beweis, es wäre eine Kommandozentrale oder ein Waffenlager gewesen und die hiesigen Apologeten glauben das kritiklos.



      Die Palästinenser haben keine Chance. Der sich sonst gerne an seiner Menschenrechtsrhetorik berauschende Westen hat beschlossen, einen Völkermord zu ignorieren, der live übertragen wird.



      Zwei Generationen später werden wir dann Gedenkveranstaltungen abhalten.



      Soviel Heuchelei ist schwer zu ertragen.

      • @O.F.:

        "Israel bombardiert ein von der anglikanischen Kirche betriebenes Krankenhaus"

        Warum sollte Israel das tun? Einfach so aus Mordlust?

        Wissen Sie wie viel Kriegsgerät kostet? Mal ganz davon ab, dass Juden weltweit von "Pro-Palästina-Anhängern" weltweit gejagt werden, besonders seit Israels verteidigungskrieg gegen die Hamas

        Und das alles tun sie einfach so, weil...? Oder sind Sie einer von denen, die an eine jüdische Weltverschwörung glauben?

        P.s.

        Eine offizielle Position des UN-Menschenrechtsrats stellt der Bericht mit dem Titel "Anatomie eines Völkermordes" allerdings nicht dar.

        www.zdf.de/nachric...astreifen-100.html

      • @O.F.:

        Vielleicht sollten die Palästinenser sich jetzt endlich von der Hamas distanzieren, aber stattdessen wird sie weiterhin gefeiert (z.B. beim Geiselaustausch) oder man lässt es immer noch zu, dass sie ihre Kommandozentralen in Krankenhäusern einrichten. Unter den Palästinensern im Gaza Streifen gibt es genügend, die die Hamas aktiv unterstützen, Mitläufer sind oder "von nichts gewusst haben".

        • @WederLinksNochRechts:

          Das ist gleich in mehrfacher Hinsicht falsch: zum einen haben nicht "die Palästinenser" und nicht einmal die Bewohner Gazas gefeiert, sondern nur ein Teil davon (oder haben Sie auf den Videos der Geiselübergaben zwei Millionen Menschen gesehen?), und zweitens schützt das humanitäre Völkerrecht Zivilisten, ganz unabhängig von deren politischen Meinungen. Wie man die Mär von den Kommandozentralen unter Krankenhäusern immer noch kritiklos glauben kann, ist mir grundsätzlich ein Rätsel, in diesem Fall - einem anglikanischen Krankenhaus - aber besonders.

  • Die Hamas müsste schön blöd sein, Zentralen in völkerrechtlich geschützten Gebäuden einzurichten. Es ist inzwischen allen klar, dass Israel keine Skrupel hat, diese anzugreifen.

    • @Henne Solo:

      Apologeten der jüdisch/israelischen Kriegspartei, zu denen ich gehöre, gehen davon aus, dass es der gazanischen Regierung und ihren Kämpfern darum geht, Empörung hervorzurufen, die von den eigenen Kriegsverbrechen und den immer noch festgehaltenen Geiseln ablenkt, zu Lasten der gegnerischen Kriegspartei. Das gelingt ihnen ziemlich gut, wie ich finde.

      Ich bin der Ansicht, blöd ist das nicht. Trotzdem wünsche ich mir auf Seiten der gazanischen Regierung und ihrer Kämpfer mehr Klugheit insofern, dass sie die Waffen niederlegen, die Geiseln bedingungslos freilassen und das Führungspersonal das angebotene freie Geleit ins Ausland wahrnimmt. So lange sie aber dermaßen viel Bestätigung (aus der ganzen Welt) bekommen, werden sie die Notwendigkeit nicht sehen.

      • @*Sabine*:

        Manche lernen nie, andere noch später! Wie kann man sich einseitig in diesem Konflikt positioniern? Das ist keine Unterstützung, das ist Fanatismus und der hat noch nie zu respektablen Ergebnissen geführt, nie und nirgendwo. Auch in diesem Krieg sind BEIDE Seiten verantwortlich, wohlgemerkt BEIDE. Die israelischen Hardliner sind ebenso Kriegsverbrecher wie die der Hamas. Was gibt es daran zu zweifeln? Einseitige Schuldzuweisung -egal von wem- führen immer weiter in die Katastrophe.

  • „Kommando- und Kontrollzentrum“ der Hamas auf dem Klinikgelände

    Deshalb ist Israel gezwungen diese vom "humanitärem Völkerrecht geschützten" Einrichtungen zu attackieren. Und durch die Präsenz der Hamas werden die zu militärischen Zielen

    www.tagesschau.de/...lkerrecht-100.html

    Die Kritik ist auch hier wieder klar an die Hamas zu richten die die schwächsten der eigenen Gesellschaft als Schutzschilde nutzt

  • Mittlerweile scheint ja laut Israel unter jedem Gebäude im Gaza ein Kommando- und Kontrollzentrum der Hamas zu sein.

    • @Andreas J:

      Das wäre ziemlich klug von der gazanischen Regierung und ihren Kämpfern, ich würde es so machen. Es ist für die gegnerische Kriegspartei damit erheblich schwerer, als wenn in einem militärischen Stützpunkt alles verwahrt und vielleicht auch die Geiseln zusammen festgehalten werden.

      Es ist entfernt ein wenig wie bei der englischen Königsfamilie, bei denen aus Sicherheitsgründen niemals zwei Thronanwärter im gleichen Flugzeug sitzen dürfen.

    • @Andreas J:

      Solange noch Hamas - Mitglieder leben, scheint das keine abwegige Vermutung zu sein.

      • @Karl Heinz:

        Die rechte israelische Regierung vermutet so einiges. Wie bei den getöteten Rettungssanitätern, wo anschließend gelogen wurde bis sich die Balken biegen. Ich glaube der israelischen Regierung mittlerweile kein Wort mehr.

  • Wenn Premierminister Netanyahu offen davon spricht, die „Ausreise“ der Menschen aus Gaza zu „erleichtern“, dann ist klar, worum es eigentlich geht: ethnische Säuberung. In einem Gebiet ohne funktionierende Krankenhäuser, ohne Nahrung, Wasser oder Sicherheit bleibt den Menschen oft keine Wahl – sie müssen gehen. Wer gezielt medizinische Infrastruktur zerstört, treibt genau diesen Prozess voran.

    Der israelische Angriff auf das Al-Ahli-Krankenhaus reiht sich in eine lange Liste von Vorfällen ein, bei denen das offizielle Narrativ – etwa das angebliche „Hamas-Kommandozentrum“ – als vorgeschobener Vorwand erscheint. Erst kürzlich wurde öffentlich, dass Israel die Verantwortung für die Tötung von 15 Sanitäter:innen in einem Krankenwagenmassaker verschleiert hat. Unter diesen Umständen fehlt es der israelischen Armee an jeder Glaubwürdigkeit. Wer Krankenhäuser bombardiert und dabei vorgibt, Terroristen zu bekämpfen, entlarvt damit nur das eigentliche Ziel: die Zerstörung der Lebensgrundlagen in Gaza – mit dem Ziel, die Bevölkerung dauerhaft zu vertreiben.

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