Wie fair sind Supermärkte?: Am besten machen es die Briten
Lidl wollte erster Discounter mit 100 Prozent fairen Bananen sein – und ließ es doch. Im Oxfam-Supermarkt-Check sind andere noch unfairer.
Hinter dem Protest steckte im Februar die internationale Hilfsorganisation Oxfam, die an diesem Mittwoch den „Supermarkt-Check 2019“ veröffentlicht. taz.de lag er vorab vor.
In der Untersuchung heißt es, mehrere deutsche Ketten hätten „kleine Fortschritte in der Menschenrechtspolitik“ gemacht. Am besten schneidet dabei der zuvor noch gescholtene Discounter Aldi Süd ab. Edeka liegt hingegen auf dem letzten Platz, auch im Vergleich zur ausländischen Konkurrenz, das Unternehmen wollte sich aber noch nicht äußern.
Der Hintergrund: Die Oxfam-ExpertInnen haben die Geschäftspolitik von 16 der größten und am schnellsten wachsenden Supermärkte in Deutschland, den USA, Großbritannien und den Niederlanden analysiert – wie im Supermarkt-Check 2018 auch schon. Sie haben die Webseiten der Unternehmen durchforstet, öffentlich zugängliche Quellen ausgewertet. Findet sich eine Grundsatzerklärung, die Menschenrechte zu achten? Fahren die Manager nach Costa Rica, um mit Gewerkschaftern zu reden, wie sich Löhne der Ananaspflücker verbessern lassen? Fördern sie kleine bäuerliche Betriebe oder schützen sie Frauen vor Diskriminierungen, auch in Deutschland?
Edeka, letzter Platz
Ergebnis 2019: Aldi Süd erreicht 19 Prozent der möglichen Gesamtpunktzahl, im Jahr zuvor war es nur 1 Prozent. Damit überholt er seine Konkurrenten Rewe (13 Prozent) und Lidl (9 Prozent). Edeka ist mit diesmal 1 Prozent abgeschlagen. Aldi Nord liegt mit fünf Prozent ebenfalls im unteren Bereich und sagte taz.de: „Die Ergebnisse des aktuellen Oxfam Supermarkt-Checks haben wir zur Kenntnis genommen und nehmen die hiermit verbundenen Vorwürfe sehr ernst.“
Am besten schneiden die britischen Supermärkte Tesco und Sainsbury´s ab. Tesco kümmert sich bei Zulieferern um existenzsichernde Löhne, berät sich dabei mit Gewerkschaften. Dahinter folgt die US-amerikanische Kette Wal-Mart mit ihrem britischen Tochterunternehmen Asda. Wal-Mart hat sich beispielsweise für ein Ende der Diskriminierung von Frauen ausgesprochen.
100% faire Bananen? Bringt's doch nicht
Indes sind die deutschen Supermärkte vor allem für eins berühmt – ihre niedrigen Preise und ihren Kampf um Kunden. Bestes Beispiel: Eigentlich wollte Lidl der erste Discounter sein, der nur noch Fairtrade-Bananen verkauft. Das verkündete er erst im Herbst vergangenen Jahre und kassierte die Idee vor kurzem wieder.
„Sinkende Absätze, auch bedingt durch günstige Aktionspreise im Markt, haben uns letztlich nach über acht Monaten zu einer erweiterten Ausrichtung gezwungen“, erklärte Jan Bock, der den Einkauf von Lidl leitet. Die Fairtrade-Bananen kosten pro Kilo zehn bis zwanzig Cent mehr als das herkömmliche Obst. Und die Konkurrenz, Aldi vor allem, konterte den Lidl-Vorstoß zusätzlich mit besonders günstigen Angeboten. Das Kilo Bananen gab es dort zeitweise für nicht einmal 90 Cent. Das ist weit weniger als man für Äpfel aus Deutschland zahlt.
Den Preis für den Bananen-Wettstreit zahlen andere
„Der Einfuhrpreis von Bananen in Deutschland ist zwischen 2015 und 2018 um 20 Prozent gefallen und liegt heute unter dem Preis von 2008“, erklärt Frank Braßel von Oxfam, der den Markt genau beobachtet. Er meint: „Immer mehr bleibt bei den Supermärkten, immer weniger bei den Menschen, die für unser Essen arbeiten.“ Das sei bei Tee, bei Krabben, bei vielen weltweit gehandelten Produkten genau so.
Aldi-Süd hat jetzt immerhin einen Schritt gemacht und eine Risikoanalyse zu Menschenrechtsverletzungen bei der Produktion seiner Waren veröffentlicht, auch einen Menschenrechtsbeauftragten eingesetzt. In Großbritannien hat er zudem Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen öffentlich gemacht.
Warum sich Aldi-Süd mehr als Aldi-Nord bewegt, obwohl die beiden ihre Einkaufs- und Preispolitik zusammen gestalten? „Gesetze helfen“, sagt Franziska Humbert von Oxfam, die den Supermarktcheck erarbeitet hat. Aldi Süd ist anders als Aldi-Nord auch in Großbritannien auf dem Markt. Dort müssen Unternehmen nach dem „UK Modern Slavery Act“ jedes Jahr erklären, welche Maßnahmen sie ergreifen, um moderne Formen der Sklaverei, also enorme Ausbeutung, zu verhindern.
Humbert fordert: „Deutschland muss seine Unternehmen grundsätzlich verpflichten, einen Sorgfaltspflichtenplan aufzustellen, um die Menschenrechte in ihren Lieferketten zu achten.“ Wer dies nicht mache, solle im Schadensfall gegenüber den Betroffenen haften müssen. Die Oxfam-Leute werden weiter vor Supermärkten protestieren. „Wir sehen zwar konkrete Verbesserungen, aber umgerechnet in Schulnoten würde Aldi Süd derzeit mit mangelhaft abschneiden, alle anderen würden mit ungenügend durchfallen“, sagt Humbert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin